Michael Schenk

Star-Liner


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Schiff schimmerte in den intensiven Farben der „Interstellar Travel Tours“, einem kleineren Kreuzfahrtunternehmen, welches vornehmlich auf Routen flog, die von der Konkurrenz nicht bedient wurden. Die Firma besaß einen ausgezeichneten Ruf, was Service und das Preis-Leistungs-Verhältnis betraf. Auf der Star-Liner würden insgesamt einhundertfünfunddreißig Besatzungsmitglieder für das Wohl des Schiffes und seiner knapp dreihundert Passagiere sorgen.

      Nachdem das Langstrecken-Shuttle an einem der Andock-Pylone festgemacht hatte, betrat Joana den Star-Port. Den Vorschriften entsprechend meldete sie sich bei der Port-Authority, der Raumhafenbehörde. Sie war angekündigt worden und ein Zivilbeamter führte sie zum Verbindungsoffizier der Sky-Navy. Der Lieutenant war ebenfalls informiert und händigte ihr eine neue Identitätskarte aus. Sie war echt und entsprach eigentlich jener, die sie seit Geburt besaß, doch hier fehlte die Eintragung, dass sie zum Personal der Navy gehörte. Eine Vorsichtsmaßnahme, auf der ihr Vater bestanden hatte und die durch seine Verbindungen ermöglicht worden war.

      Wie alles Militärpersonal und viele Zivilisten trug Joana ein so genanntes Implant. Ein winziges tetronisches Gerät, welches der Identifikation und Kommunikation diente und hinter ihrem rechten Ohr eingepflanzt worden war. Seine Reichweite betrug nur wenige Dutzend Meter, weswegen ein dichtes Netz von Transmittern erforderlich war, um das System zu nutzen. Der Star-Port verfügte über ein solches Netz und so tippte Joana leicht gegen ihre Schläfe. „Joana Redfeather an Community-Center Star-Port: Ich bitte um Weisung zum Liegeplatz der I.T.T. Star-Liner.“

      Nur Augenblicke später vernahm sie eine weibliche Stimme, die vom Implant an ihr Ohr geleitet wurde. „Community-Center Star-Port an Joana Redfeather: Wegweiser ist auf Ihre Individualkennung geschaltet. Er wird automatisch deaktiviert, wenn Sie Ihr Ziel erreicht haben.“

      Die Stimme verstummte und zugleich erschien am Boden vor Joana eine farbige Linie, der sie jetzt nur noch zu folgen brauchte. Diese Linie war nicht real, sondern wurde mit Hilfe des Implants über die Sehnerven an die Netzhäute der Augen projiziert und daher von anderen Personen nicht wahrgenommen. Eine eingeblendete Zahl zeigte Joana die Entfernung auf und sie überlegte kurz, ob sie eines der Transportbänder oder ein Fahrzeug in Anspruch nehmen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. Bewegung konnte einem Sky-Trooper niemals schaden.

      Während ihres Weges nahm sie die Eindrücke in sich auf. Hier herrschte wesentlich mehr Betrieb als in der Sky-Base Arcturus. Scharen von Zivilisten drängten sich in den breiten Korridoren. Nahezu jede Stilrichtung der Kleidung verriet, von wie vielen unterschiedlichen Welten die Menschen stammten. Immer wieder waren die Uniformen von Firmen und Konzernen zu sehen. Alles wirkte geschäftig, ja geradezu hektisch und machte auf Joana einen ungeordneten Eindruck. Die Gänge wurden von Läden gesäumt, auf angelegten Plätzen standen gemütliche Sitzgruppen zwischen angelegten Blumenbeeten, über die mancherorts Bäume aufragten. Sie dienten nicht alleine der Erholung, da sie ein Bestandteil der natürlichen Luftversorgung waren. Geräusche erfüllten die Luft und die Vielzahl der Dialekte war ein erneuter Hinweis auf die Herkunft von vielen Welten.

      Joana registrierte dies mit gemischten Gefühlen. Der Nullzeit-Antrieb erschloss der Menschheit das Universum und ermöglichte vielen Gruppen, das eigene individuelle Glück zwischen den Sternen zu suchen. Viele entzogen sich zunehmend der Aufsicht des Direktorats. Sie verzichteten bewusst auf die Aufbauhilfen, welche ihnen die geeinte Menschheit ermöglichte, um aus eigenen Kräften und nach eigenen Vorstellungen zu bestehen. Für das Direktorat entstand so zunehmend das Problem, das manche dieser Welten unbekannt blieben. Das Direktorat empfand sich jedoch als verantwortlich für alle menschlichen Siedlungen. Katastrophen konnten eine junge Kolonie zugrunderichten, ohne dass man in der Lage war, ihr Hilfe zu schicken.

      Inzwischen war man auf mehrere intelligente Fremdrassen gestoßen. Manche, wie die Hanari, die Shanyar oder Negaruyen der Sandwelt, waren friedlich. Andere, wie die Negaruyen der verborgenen Welt, eher feindselig. Darüber, wie es sich mit den insektoiden Norsun verhielt, konnte man sich nicht sicher sein. Die Gefahr, dass ferne Kolonisten, absichtlich oder unabsichtlich, einen Konflikt auslösten, war nicht von der Hand zu weisen. Wie sollte die Sky-Navy das verhindern oder alle die fernen Welten schützen?

      Nein, Joana gefiel die rasch zunehmende Ausbreitung der Menschheit nicht, denn die Raumkavallerie hatte zu wenige Sky-Trooper und die Sky-Navy zu wenige Schiffe, um das größer werdende Gebiet zu patrouillieren und zu schützen.

      In ihrem Ohr war eine leise synthetische Stimme. „Joana Redfeather, Sie haben Ihr Ziel erreicht. Pylon Sieben, Ankerplatz 7-D. Liegeplatz von I.T.T. Star-Liner, Registernummer CIT57-23A1. Achtung, mit Betreten des Pylons verlassen Sie den Übertragungsbereich Ihres Implants. Ende der Verbindung zum Community-Center Star-Port Mars Central.“

      Star-Port und Andock-Pylon waren durch eine geräumige Schleuse miteinander verbunden. Joana trat in den Pylon hinaus, der im Grundriss dem der Sky-Base entsprach. Fast einen Kilometer breit und sieben Kilometer lang bot er an seinen Seiten genug Platz, um mehrere Großraumschiffe ankern zu lassen.

      Die Seitenwände bestanden aus transparentem Klarstahl und ermöglichten den ungehinderten Blick nach außen. Joana erkannte einen Teil des Mars und davor die Rümpfe mehrerer Schiffe. Shuttles und Fluggeräte mit Arbeitern bewegten sich um die Raumfahrzeuge. An einigen wurde gearbeitet. Vor allem die Säuberung der Rümpfe vom interstellaren Staub war eine zeitintensive Tätigkeit. Fracht und Versorgungsgüter wurden zwischen den Schiffen und dem Pylon bewegt. Auch hier waren Hunderte von Menschen zu beobachten, dazwischen einige der neuartigen Arbeitsroboter, die vollkommen mobil waren und ihre Aufgaben eigenständig wahrnahmen. Große Schläuche und dicke Kabel verbanden Pylon und Raumfahrzeuge, die am Liegeplatz durch den Star-Port versorgt wurden.

      Rechts von Joana lag die Star-Liner. Neben einem der Konkurrenten ankernd, wirkte das Kreuzfahrtschiff unscheinbar und klein. Im Vergleich zu dem Riesen würden seine rund dreihundert Passagiere eher wie eine intime Gemeinschaft wirken. Joana war das nur recht. Sie glaubte nicht, dass sie sich unter Tausenden von undisziplinierten Zivilisten wohlfühlen konnte.

      Gemächlich schlenderte sie auf die Star-Liner zu, wich automatisch einem hoch beladenen Lastentransporter aus und näherte sich der Zugangsschleuse des Schiffes, die man hier traditionell als Gangway bezeichnete.

      An der Gangway flimmerte ein Hologramm, welches die Passagiere willkommen hieß. Neben dem Aufgang standen zwei Besatzungsmitglieder in ihren schmucken Bordoveralls und eine rundliche Frau in der Offiziersuniform der Gesellschaft. Joana kannte sich nicht mit den verschiedenen Funktionsabzeichen der Privaten aus, doch die Frau lächelte sie mit geschäftsmäßiger Freundlichkeit an und stellte sich vor.

      „Catherine DeVille. Ich bin die Kreuzfahrtdirektorin an Bord und heiße Sie im Namen von Interstellar Travel Tours von Herzen willkommen. Darf ich um Ihren Namen und die Bordkarte bitten?“

      Joana nannte ihren Namen und reichte ihre Identitätskarte und den Bordausweis der Star-Liner weiter. Ein wenig angespannt musterte sie das Gesicht ihres Gegenübers, doch diese ließ nicht erkennen, ob sie Joana erkannte, die immerhin einige Male in den Medien aufgetaucht war. Andererseits war der indianische Name Redfeather selten genug. Es war höchst unwahrscheinlich, dass Catherine DeVille ihn nicht mit dem Oberkommandierenden der Streitkräfte in Verbindung brachte.

      „Verzeihung, Miss, aber Sie kommen mir bekannt vor.“

      Joana unterdrückte einen Seufzer und wandte sich dem Besitzer der männlichen Stimme zu, die hinter ihr erklungen war. Er war ein durchaus erfreulicher Anblick. Obwohl Joana, gemessen an der durchschnittlichen Größe des weiblichen Geschlechts, recht groß war, überragte der Mann sie fast um Haupteslänge. Der Körper war trainiert, aber nicht übertrieben muskulös, und das markante Gesicht wurde von tiefblauen Augen dominiert. Die langen Haare waren, entsprechend der jüngsten marsianischen Mode, im Nacken zu einem dicken Zopf geflochten, dessen Ende eine Schleife mit großem Schmuckstein zierte. Es sah nach einem Diamanten mit wenigstens dreißig Karat aus. Kein wertvoller Stein, denn Diamanten fand man in Massen in den Asteroidengürteln, aber er zeigte ein hübsches Funkeln.

      „Verzeihung, Lady, ich habe mich nicht vorgestellt … William Southron, ebenfalls Passagier auf der Star-Liner.“

      Das