Hans Joachim Gorny

Wohlstand macht unbescheiden


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auch eine Anklage versteckte, weil sie sich um mich nicht kümmerten.

      Die Wahrheit war, ich wollte nicht, dass sie sich um mich kümmerten. Es war schon schlimm genug, dass meine Lehrer und Trainer versuchten, mich in ihrem Sinne zu lenken. Mir reichte es völlig, dass ich Eltern besaß, auf die ich in der Not zurückgreifen konnte. Fürsorge vermisste ich nicht.

      Schon in meiner Kindheit hatte ich ein offenes Gesicht, das ich schnell zum Strahlen bringen konnte. Das war nicht bewusst aufgesetzt, ich hatte es einfach. So nutzte ich meinen Charme auch selten, um andere für mich einzunehmen. Bei Mädchen hätte ich damit bestimmt viel Erfolg gehabt. Aber im menschlichen Umgang war ich von Natur aus vorsichtig, selten ließ ich mich mit jemandem näher ein. Auf diese Art passierte in Punkto Mädchen nicht viel, mehr als Knutschen und Streicheln traute ich mich nicht. Vor allem blockierte mich die Frage, ob ich eine ständige Freundin überhaupt an meiner Seite ertragen könnte und was die von mir alles verlangen würde.

      Durch die Geselligkeit im Leichtathletikverein lernte ich auch das Trinken. Auf Siegesfeiern, Geburtstagsfeiern, Straßenfesten überwand ich die Abscheu vor dem furchtbaren Bier, stemmte die Halben bald wie ein Großer. Da zuhause niemand nach mir schaute, merkte auch niemand, dass mein Zimmer gelegentlich nach Alkohol stank. Bis auf Anike, aber die hielt dicht, die liebte mich smarten Phillip mehr als die anderen vier Ludwigs, die eher einen verbiesterten Eindruck machten.

      Als Anike zu uns kam, steckte ich in den Windeln und sie war gerade zwanzig Jahre alt. Eine schlanke junge Frau mit schwarzen Locken aus einem Elsässischen Dorf. Ob sie Deutsch konnte, weiß ich gar nicht. Wir unterhielten uns mit ihr nur auf Französisch, weshalb ich es früh sprechen konnte. Ich war dann auch der Grund, weshalb Anike nach achtzehn Jahren gekündigt hat. Kurz nach der Gesellenprüfung kam ich schon nachmittags mit Bierfahne nach Hause. Was für mich kein Risiko bedeutete, Eltern und Geschwister wusste ich weit weg. Nach der Zeugnisübergabe bin ich mit einigen Kameraden sofort in der nächsten Kneipe feiern gegangen. Anike war alleine zuhause und ich befand mich, als Prüfungsbester, in einem Hochgefühl. Ich war so betrunken, dass ich das Fahrrad vor dem Garagentor liegen ließ. Unsicheren Schrittes betrat ich das Haus, Anike kam mir lächelnd entgegen und fragte: „Na Prinz Phillip, wie war’s?“ Ich setzte ein zufriedenes Grinsen auf und fragte sie direkt, ob sie mir zeigen würde wie Sex geht. Nüchtern hätte ich diese Frage nie gestellt, ich hatte auch alle Mühe nicht zu lallen. Mein Wunsch, mit übersprühendem Charme vorgetragen, ließ Anike nur kurz zögern. Sie schob mich vor sich her in mein Zimmer und zog sich aus. Zum ersten Mal sah ich eine nackte Frau aus der Nähe. Eine reife nackte Frau von bald vierzig Jahren. Ich kannte nur die dünnen und strammen Bikini-Körper der jungen Mädchen vom Baggersee, wusste auch, wie die sich anfühlen. Trotz mehrerer Flaschen Bier war ich von Anikes Körper schockiert. Es war mir in den letzten Jahren entgangen, wie dick ihre Schenkel geworden waren. Sie machte dies und das mit mir, ich musste dies und das bei ihr anfassen und das Ganze wurde nicht so der große Hit und war auch bald beendet.

      Am nächsten Tag litten wir unter einem großen Katzenjammer und dem Gefühl, etwas Ungehöriges oder vielleicht sogar Verbotenes getan zu haben. Besonders Anike. Sie hätte sich bestimmt ohrfeigen können, weil sie mir nachgegeben hat. Im Prinzip hatte sie den Sohn ihres Arbeitgebers verführt. Den siebzehnjährigen Sohn eines Anwalts, was eines Tages prekär werden könnte. Auf jeden Fall konnten wir uns nicht mehr in die Augen schauen. Sie nicht, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte, ich nicht, weil ich von ihrem wenig frischen Körper enttäuscht war, obwohl sie im Gesicht so nett aussah. Die Raumpflegerin, Köchin und Miterzieherin hielt das nur noch bis zum Jahresende durch und kündigte im Januar aus familiären Gründen, als ich gerade die erste Woche bei der Bundeswehr war.

      Mein großer Bruder Franz, der Politikwissenschaft studierte und sich in der Landes-CDU engagierte, hatte sich vor dem Barras gedrückt und Zivildienst geleistet. Ich wollte zur Bundeswehr, damit ich etwas Kerniges erlebe und später etwas zu erzählen habe. Als gelernter Handwerker wurde ich gebraucht und führte beim Militär ein angenehmes Leben. Wenn die Sauferei nicht gewesen wäre. Bei der Bundeswehr wurde Bier zu meinem Hauptnahrungsmittel. Die Leichtathletik ließ ich bleiben.

      Kurz nach der Gesellenprüfung war in der Zeitung wieder mein Konterfei zu bewundern. Dieses Mal im überregionalen Teil, mit einem glücklichen Gesicht, was die anderen Ludwigs nie bieten konnten. Der Bericht war von der Handwerkskammer und stellte die Prüfungsbesten vor. Vermutlich hatte der Redakteur dieses Bild genommen, weil der Jüngling so eine offene und freundliche Miene zeigte. Mein Vater Heinrich Ludwig musste anerkennen, dass von allen Ludwigs ich bei weiten am besten aussah. Vor allem, weil ich Arglosigkeit und Unschuld vermittelte.

      Gymnasium und Studium haben meine Eltern und Geschwister ein wenig entmenschlicht, stellte ich mir vor. Immer der Beste sein zu müssen, war auch ein stressiger Kampf gegen Neider, Mobbing und ungerechte Noten. Bei meinen Eltern hatten vermutlich auch die Auseinandersetzungen vor Gericht und der Umgang mit penetranten Mandanten, Narben und Spuren hinterlassen. Mir wurde klar, dass die vielen Verletzungen und Anfeindungen, die meine Leute erlebten, mir weitgehend erspart blieben. Lebte ich als Feigling? Mogelte ich mich durchs Leben? Oder war ich einfach nur geschickt? Ich glaube, mein Vater empfand so etwas wie Neid. Wenn er rekapitulierte, wie ich mir meine Ausbildung ertrotzt hatte, musste er jedes Mal den Kopf schütteln.

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