Janssen im Nebenraum des Vereinsheims.
»Willi, warum lässt du das alles zu?« Lisa lief im Zimmer auf und ab.
»Wir leisten in unserer Abteilung Vorbildliches. War es nicht die Mädchenmannschaft, die endlich wieder eine Meisterschaft für den SVW gewonnen hat?«
Sie blieb stehen. »Jetzt behandelt ihr uns wie ein lästiges Anhängsel. Warum?«
Willi Janssen saß zusammengekauert auf seinem Stuhl.
»Ich weiß. Ihr seid eine tolle Truppe.«
»Aber warum trägst du diese Entscheidung mit?«
Der Vorsitzende seufzte tief. »Ich bin jetzt fünfundsechzig Jahre alt und will kommendes Jahr nicht mehr für den nächsten Vorstand kandidieren. Jupp und Rainer werden sich erneut aufstellen lassen.«
Jupp Stengel und Rainer Winter gehörten ebenfalls dem Vorstand an.
»Grohmann ist überzeugt, dass er aufsteigen kann. Wir stehen mit der Mannschaft auch super da. Jupp und Rainer haben sich von der Vorstellung begeistern lassen, dass der SV Winkelbach an alte Zeiten anknüpfen könnte. Immerhin hat die erste Mannschaft früher in der Landesliga gespielt.« Willi Janssens Augen glänzten.
»Ja, und danach ist der Verein fast Pleite gegangen, weil man sich völlig übernommen hat«, stellte Lisa gnadenlos fest.
»Jaja, die damalige Vorstandschaft dachte nicht weiter.«
»Und jetzt?« Lisa baute sich vor Janssen auf. »Dafür ist der Verein zu klein, als das er eine Abteilung so behandeln kann. Was meinst du, wenn diese Mitglieder kündigen? Wir sind eine aufstrebende Abteilung. Im Moment bauen wir eine D-Jugend auf.«
»Ja, das sehen wir auch. Aber um für Sponsoren interessant zu werden, müssen wir etwas riskieren oder wir dümpeln weiter vor uns hin.«
»Ich kann ja verstehen, dass ihr die Herrenmannschaft hochbringen wollt. Aber doch nicht um jeden Preis!«
»Du musst uns verstehen.« Er räusperte sich. »Jahrelang spielen wir jetzt in der Kreisklasse. Finanziell stoßen wir schon lange an Grenzen. In Winkelbach gibt es nicht viele Firmen, die unseren Verein unterstützen. Außerhalb von Winkelbach zieht eine Kreisklassenmannschaft nicht gerade die Geldgeber an.«
Hannah saß Willi Janssen gegenüber. Sie beugte sich vor. »Aber was ist, wenn das Unternehmen Aufstieg misslingt?«
Willi Janssen hob die Schultern. »Es muss klappen.«
»Und wenn nicht?« Hannah schüttelte den Kopf. »Das läuft doch jetzt bereits zu unseren Lasten. Dauernd müssen wir die Kosten für die Schiedsrichter auslegen. Trikots und Materialien können wir uns nur leisten, weil die Eltern uns mit Geldern unterstützen. Von meinem Trainergeld will ich nicht anfangen.«
»Jaja, ich weiß. Es läuft nicht optimal. Aber für Günter Grohmann geht es auch um viel. Er braucht optimale Trainingsbedingungen. Sein eigener Ruf steht auf dem Spiel.«
Janssen sah die beiden Frauen hilflos an. »Jupp und Rainer sprechen von Sponsoren, die bei einem Aufstieg eine fünfstellige Summe in den Verein investieren wollen. Genau diesen Betrag brauchen wir, um auf die Beine zu kommen. Die Kabinenhäuschen müssen renoviert werden, Trainingsmaterialien fehlen, neue Trikots wären drin. Für unseren Verein ergäben sich neue Perspektiven.«
Wütend schlug Hannah mit der Hand auf den Tisch. »Verdammt, Willi, wer sind denn diese Sponsoren? Man kann nicht mit Geldern planen, die wir noch nicht haben!«
»Jupp und Rainer sind in den nächsten Jahren für den Verein verantwortlich. Ich will ihnen nicht eine Chance verbauen.«
»Jupp und Rainer müssen erst gewählt werden«, knurrte Hannah.
Willi erhob sich langsam. »Es tut mir leid. Ich weiß, ihr durchlebt eine schwere Zeit.«
Nachdem Janssen den Raum verlassen hatte, stand Lisa seufzend von ihrem Stuhl auf. »Im Moment läuft einfach alles schief«, stöhnte sie. »Bisher hat mir der Fußball aus vielen negativen Gedanken geholfen. Jetzt müssen wir uns da auch noch ärgern.«
Sie starrte unglücklich vor sich hin. »Ich hoffe immer noch, dass Manfred zu uns zurückkommt. Mir wird einfach alles zu viel. Das Geld reicht nicht, für Tina wird es schwieriger und mit der Rolle einer verlassenen Ehefrau kann ich mich nicht anfreunden.«
Hannah trat hinter Lisa und legte die Arme um sie. Lisa schloss die Augen und sagte: »Was täte ich bloß ohne dich? Du fängst mich immer auf, wenn ich das Gefühl bekomme, den Boden unter den Füßen zu verlieren.«
Imke hatte sich vorgenommen, früher zum Training zu fahren, um mit Hannah zu sprechen. Ihre Trainerin war meistens eine halbe Stunde vorher auf der Anlage. Sie stellte das Fahrrad ab. Auf dem Parkplatz sah sie Hannahs Auto.
Willi Jansen kam ihr mit gesenktem Kopf entgegen. Tief in Gedanken versunken, übersah er sie und eilte grußlos an ihr vorbei. Imke schüttelte den Kopf. Sie lief in die Kabine und stellte ihren Rucksack ab. Von Hannah war nichts zu sehen.
Vielleicht war sie im Vereinsheim. Imke schlenderte zum Nebengebäude und öffnete die Tür des gemütlichen Clubraumes. Nur vier Männer saßen am Stammtisch und spielten Karten.
Hermann, der Wirt dieses Vereinsheims, sah fragend von seiner Zeitung auf.
»Weißt du, wo Hannah ist?«
Er wies mit dem Kopf zum Nebenzimmer. »Da war eine Besprechung. Hannah ist aber noch nicht herausgekommen.«
Einen Moment zögerte Imke, bevor sie an der Tür des Nebenraums klopfte und sie öffnete.
Hannah löste sich von Lisa und sah Imke überrascht an.
»Hallo, Imke, du bist aber früh dran.«
Imke war einen Moment verwirrt, die beiden Frauen so vertraut zusammenstehen zu sehen. »Ich … ich muss mit dir reden.« Ihr Kopf schien Feuer zu fangen.
»Klar, komm rein. Wir waren sowieso fertig«, sagte Lisa. Sie sah Hannah an und verließ den Raum.
Hannah setzte sich lässig auf die Kante eines Tisches. »Also, Kleine, was hast du auf dem Herzen?«
Imkes Herz klopfte bis zum Hals und sie versuchte, Worte zu finden.
»Weißt du, meine Oma wird sechzig und, nun, eigentlich stehen ja meine Eltern hinter mir, aber die Feier ist eben in Frankfurt …«
Fragend sah Hannah Imke an. »Deine Oma feiert also ihren sechzigsten Geburtstag in Frankfurt und da fährst du hin? Habe ich das richtig verstanden?«
Imke nickte.
»Wann?«
»Das ist es ja. Das erste Oktoberwochenende.« Imke hielt mühsam ihre Tränen zurück.
»Oh, da findet das Auswahlturnier statt«, stellte Hannah fest. »Das tut mir leid. Kann man da nichts machen?«
Imke schüttelte den Kopf. »Meine Oma mag keinen Fußball. Sie hat da überhaupt kein Verständnis. Aber wenn ich wegen so etwas ein Turnier absage, dann kann man doch nicht auf mich bauen. Wegen eines blöden Geburtstages.«
»Nana, Imke. Es ist der Geburtstag deiner Oma. Ich bin mir sicher, dass du sie sehr gerne hast.«
»Ja, natürlich.« Imke senkte den Kopf. »Aber es ist trotzdem gemein.«
Hannah stand auf und nahm Imke tröstend in den Arm. »Möchtest du, dass ich noch einmal mit deinen Eltern spreche?«
»Würdest du das tun?«
»Ja, Kleine, ich werde sehen, was ich machen kann.«
»Danke.«
»Gibt es sonst noch etwas?«, fragte Hannah. »Ich habe das Gefühl, du hast noch etwas auf dem Herzen.«
Imke nickte und