am Unterkongo Reibungen statt.
König Leopold II. von Belgien
Bei meinem regen Interesse an dem rasch sich zu einem Staate entwickelnden Gebiete schlug ich daher schon im September 1882 und dann nochmals im Frühjahr 1883 Sr. Majestät dem König Leopold vor, eine Persönlichkeit von Verdienst, Rang und Arbeitslust, wie General Gordon, zu meinem Assistenten zu ernennen. Derselbe sollte die Verwaltung entweder des oberen oder des unteren Kongo übernehmen, während ich in dem anderen Teil arbeitete, weil ungeheuer viel wertvolle Zeit mit dem Reisen flussauf- und abwärts von einem Gebiete zum anderen verloren ging und die jungen Befehlshaber der Stationen nur zu geneigt waren, meine Abwesenheit auszubeuten. Se. Majestät versprach mir, General Gordon um seine Mitwirkung zu bitten, doch lauteten die Antworten lange Zeit ungünstig.
Schließlich erhielt ich im Frühjahr 1884 einen Brief in der mir wohlbekannten Handschrift des Generals Gordon, der mir mitteilte, ich möge ihn mit dem nächsten Postdampfer erwarten.
Er scheint jedoch, gleich nachdem er sein Schreiben an mich zur Post gegeben und sich von Sr. Majestät verabschiedet hatte, von seinen Landsleuten mit Aufforderungen, der ägyptischen Regierung bei der Rettung der eingeschlossenen Garnison von Khartum vor dem ihr drohenden Schicksal Hilfe zu leisten, bestürmt worden zu sein. Persönlich weiß ich nichts von dem, was vorgefallen ist, als er von Lord Wohlseley Lord Granville vorgestellt wurde, ich habe aber erfahren, dass General Gordon die Überzeugung hegte, er könne die ihm anvertraute Mission durchführen. Bezüglich des Umfangs dieser Mission besteht ein ernstlicher Widerspruch. Die ägyptischen Behörden wünschten nur den Entsatz Khartums, und möglicherweise brauchte Lord Granville die Dienste Gordon's nur für diese humane Aufgabe, während alle übrigen Garnisonen ihrem Schicksal überlassen bleiben sollten, weil man die Befreiung derselben für unmöglich hielt. Die Blaubücher, welche die betreffenden offiziellen Noten enthalten, scheinen die Richtigkeit dieser Annahme zu bestätigen. Sicher ist jedoch, dass Lord Granville General Gordon angewiesen hat, nach Ägypten zu gehen und über die Lage des Sudan, sowie über die zu ergreifenden besten Mittel zur Sicherung der ägyptischen Garnisonen und zur Rettung der europäischen Bevölkerung in Khartum zu berichten. Außerdem sollte er noch weitere Aufgaben übernehmen, welche die ägyptische Regierung ihm etwa zu überweisen wünschte. Er sollte von Oberst Stewart begleitet werden.
Nach einer längeren Unterredung mit Sir Evelyn Baring erhält Gordon von diesem seine endgültigen Instruktionen namens der britischen Regierung.
Der Hauptinhalt derselben lautet wie folgt:
1) Sichern Sie den Rückzug der europäischen Bevölkerung von 10-15.000 Seelen und der Garnison von Khartum. Die Instruktionen 1 und 3 widersprechen sich einigermaßen, Khartum und der Sudan sind keine gleichbedeutenden Bezeichnungen, die Entfernung der Garnison von Khartum ist eine leichte Aufgabe, die Räumung des Sudan für eine einzelne Person aber eine Unmöglichkeit.
2) Sie wissen am besten, wann und wie dies zu bewirken ist.
3) Vergessen Sie nicht, dass der Hauptzweck (Ihrer Mission) die Räumung des Sudan ist.
4) Bemühen Sie sich, wenn Sie glauben, dass es geschehen kann, unter den Eingeborenenstämmen einen Bund herzustellen, welcher an die Stelle der ägyptischen Autorität tritt.
5) Beim Finanzdepartement ist Ihnen ein von 100.000 Pfd. St. eröffnet.
Es ist Gordon gelungen, den ägyptischen Ministern, welche vorher von einer Panik befallen waren und nur um die Räumung Khartums gefleht hatten, Vertrauen einzuflößen. Nachdem sie ihn gesehen und gehört haben, atmen sie freier und auf sein eigenes Verlangen belehnen sie ihn mit der General-Gouverneurschaft. Der ihm erteilte Ferman ermächtigt ihn, die betreffenden Gebiete (des Sudan) zu räumen, die Truppen, Zivilbeamten und sonstigen Einwohner, welche sich nach Ägypten zu begeben wünschen, zurückzuziehen und nach beendigter Räumung (die aber eine absolute Unmöglichkeit war) wenn tunlich eine organisierte Regierung einzurichten. Mit diesen Instruktionen war Lord Granville einverstanden.
Indessen meinte man, wie ich höre, dass er tun sollte, was er konnte, dass er alles Notwendige tun sollte, wenn es möglich war; konnte er nicht den ganzen Sudan räumen, so sollte dies ohne Zeitverlust nur mit Khartum geschehen. Dies ist jedoch bis zum 23. März 1884 ihm nicht offiziell mitgeteilt worden, und man weiß nicht, ob er das bezügliche Telegramm je erhalten hat. Dies ist die einzige klar ausgedrückte Depesche, welche ich in dem auf diese Periode bezüglichen Blaubuche gefunden habe.
General Gordon reiste am 26. Januar 1884 nach Khartum ab und traf am 18. des nächsten Monats in der genannten Stadt ein. Auf der Reise schickte er häufig telegraphische Depeschen ab, welche von Vertrauen überflossen, und Herr Konsul Power, der Korrespondent der „Times“, sandte seinem Blatte folgendes Telegramm: „Die Bevölkerung (von Khartum) ist General Gordon ergeben, der die Garnison retten und den Sudan – wie es Notwendigerweise geschehen muss – den Sudanesen für immer überlassen will.“
Die englische Presse, welche bezüglich der Chancen Valentine Baker Pascha's so weise gewesen war, befand sich ziemlich in derselben Lage wie die Bevölkerung von Khartum, d. h. sie war General Gordon ergeben und zuversichtlich in Bezug auf seinen Erfolg. Er hatte in China solche Wunder vollführt, hatte die Vernichtung des Sklavenhandels im Sudan so wirksam betrieben, hatte sich die Zuneigung der tückischen Sudanesen erworben, dass die Presse es für durchaus nicht unwahrscheinlich hielt, dass Gordon mit seinem weißen Stabe und sechs Dienern die dem Verderben geweihten Garnisonen von Sennar, Bahr-el-Ghasal und Äquatoria, insgesamt 29.000 Mann außer den Zivilbeamten, Frauen und Familien, retten und nach Erledigung dieser bei ihrer Unmöglichkeit mehr als herkulischen Aufgabe eine organisierte Regierung einrichten könnte.
Am 29. Februar telegraphiert Gordon: „Es ist nicht viel Aussicht auf Besserung, vielmehr wird jede Chance schlechter“, und am 2. März meldet er: „Bezüglich des Verbleibens in Khartum habe ich keine Wahl, sie ist meinen Händen entschlüpft.“ Am 16. März prophezeit er, dass „wir binnen kurzem blockiert sein werden“, und gegen Ende März telegraphiert er: „Wir haben Lebensmittel für fünf Monate und sind eingeschlossen.“
Offenbar hat ein ernstliches Missverständnis bei dem Entwurf der Instruktionen durch Sir Evelyn Baring und der Auslegung derselben durch General Gordon obgewaltet, denn letzterer spricht sich ersterem gegenüber folgendermaßen aus:
„Sie fordern mich auf, Ursache und Grund meiner Absicht, in Khartum zu bleiben, anzugeben. Ich bleibe in Khartum, weil die Araber uns eingeschlossen haben und uns nicht hinauslassen wollen.“
Inzwischen befürwortete die öffentliche Meinung bei der englischen Regierung dringend die Notwendigkeit, eine Expedition zur Befreiung des Generals Gordon aus Khartum auszusenden. Da Indessen zwischen General Gordon und Lord Granville vereinbart worden war, dass die Mission des erstem zu dem Zwecke unternommen werden solle, um die englischen Truppen im Sudan entbehrlich zu machen, und da die Regierung ferner ihre Politik dahin erklärt hatte, dass keine englischen oder indischen Truppen in jener Gegend verwendet werden sollten, so zögerte sie natürlich, die Forderung des Publikums zu erfüllen. Als jedoch das Geschrei immer mehr zunahm und das Parlament und das Publikum gemeinsam behaupteten, es sei die Pflicht des Landes, den tapferen Mann zu retten, der sich freiwillig bereit erklärt hatte, seinem Lande einen so wichtigen Dienst zu leisten, da erhob sich Herr Gladstone am 5. August im Hause der Gemeinen, um einen Kredit für die Operationen zum Entsatze Gordon's zu beantragen.
Es wurden zwei Wege vorgeschlagen, auf denen die Entsatz-Expedition sich Khartum nähern könne, der eine kürzere quer durch die Wüste von Suakin nach Berber und der andere auf dem Nil. Da Gordon der Nilroute den Vorzug gab, so wählte der die Entsatz-Expedition befehligende General diese letztere.
Am 18. September erlitt der Dampfer „ABBAS“, auf welchem Oberst Stewart, der Begleiter Gordon's, der „Times“-Korrespondent Power, der französische Konsul Herbin und eine Anzahl Griechen und Ägypter, insgesamt 44 Personen, sich befanden, bei dem Versuch, den Katarakt von Abu-Hammed zu passieren,