Henry Morton Stanley

Henry Morton Stanley: Im dunkelsten Afrika


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von einigen Unregelmäßigkeiten in dem Benehmen des Dampfers „STANLEY“, der unter dem Vorwande, genügend Heizmaterial der richtigen Sorte aufzusuchen, durch geheimnisvolle Manöver in ein wirres Netz von Kanälen verschwand, dampften wir ohne irgendwelche Unfälle zum Aruwimifluss hinauf und trafen am 12. Juni bei unserm alten Lager gegenüber den Basoko-Dörfern ein.

      Die Basoko waren die Landsleute von Baruti oder „Schießpulver“, der im Jahre 1883 als Kind von einigen Karema geraubt und von Sir Francis de Winton nach England gebracht worden war, um die Vorzüge des Zivilisierten Lebens kennen zu lernen. Aus der Obhut von Sir Francis gelangte Baruti in die meinige. Hier befanden wir uns endlich im Angesichte seines heimatlichen Dorfes und Stammes, dem er sechs Jahre fern gewesen war.

       Als ich sah, wie Baruti den Ort seiner Geburt mit außerordentlichem Interesse betrachtete, forderte ich ihn auf, die Basoko anzurufen und sie zu einem Besuch bei uns aufzufordern. Meine früheren Versuche, das Vertrauen dieser Waldbewohner zu gewinnen, waren sämtlich fehlgeschlagen, obwohl ich überzeugt war, dass dies mit der Zeit doch gelingen würde. Für mich war es lange eine interessante Frage gewesen, weshalb die Eingeborenen des Waldes unzugänglicher und scheuer waren, als die Bewohner des offenen Landes. Alle Methoden, wie das Zeigen eines glänzenden oder buntfarbigen Tauschartikels, von glänzendfarbigen Perlenschnüren, die wir geduldig hin- und herschwangen, geschicktes Zureden, überzeugendes Lächeln und beruhigende Zeichen wurden stundenlang angewandt, endeten aber stets mit Enttäuschung und der Verschiebung des Verkehrs auf eine bessere Gelegenheit. Der Grund davon besteht aber darin, dass der Wald stets einen bequem zu erreichenden Rückzug bietet, während der Argwohn des Fremden und die die Eingeborenen begünstigende Tiefe der weglosen Wälder stark gegen jedes unbestimmte Risiko sprechen. Das geringste Vorwärtsgehen hat sofort die eilige Rückwärtsbewegung des Eingeborenen zur Folge, bis dieser die Grenzen des Waldes erreicht, in dessen Dunkelheit er nach einem letzten Blick auf den Fremden schließlich verschwindet, mit einer Miene, als wollte er sagen: „Es hilft euch nichts, mich könnt ihr doch nicht einholen.“ Dagegen hat der Eingeborene auf dem offenen Lande gewöhnlich irgendeinen Vorteilhaften Winkel, einen hervorragenden Punkt, einen Baum oder Ameisenhügel, von dessen Spitze er seine Beobachtungen macht und über den Charakter der Fremden sich vergewissert oder warnen lässt. Im Walde steht dem Bewohner des Dickichts ganz plötzlich der Fremde gegenüber, der aus unbekannten Gegenden zu unbegriffenen Zwecken gekommen ist. In den Zügen des einen malt sich Überraschung, in denen des anderen Schrecken.

Grafik 27

      Baruti findet seinen Bruder

       Baruti rief die Eingeborenen an, worauf die Kanus in ganz langsamer Fahrt herbeikamen, bis sie sich endlich bis auf gute Rufweite näherten. Er erkannte einige der Bootsleute wieder und teilte ihnen mit, sie brauchten keine Ursache zur Furcht zu haben. Dann fragte er nach einem Mann, dessen Namen er nannte, worauf die Wilden das Wort mit prachtvoller, kräftiger Lunge über den Fluss schrien, bis jemand antwortete, ein Kanu bestieg und heranruderte. Es war dies ein älterer Bruder Baruti's. Baruti wollte von ihm wissen, wie es ihm während seiner eigenen sechsjährigen Abwesenheit gegangen sei. Der Bruder starrte ihn dumm an, vermochte die Züge Baruti's nicht wiederzuerkennen und äußerte in grunzendem Tone seine Zweifel.

      Baruti nannte darauf die Namen seiner Eltern, erst denjenigen des Vaters und dann den der Mutter, worauf sich in den Zügen des Bruders größeres Interesse zeigte und er geschickt mit dem Kanu näher heransteuerte.

      „Wenn du mein Bruder bist, so nenne mir etwas, woran ich dich erkenne.“

      „Du hast eine Narbe am Arm – dort am rechten. Erinnerst du dich noch des Krokodils?“

      Das genügte. Der junge breitbrüstige Eingeborene ließ einen Freudenschrei erschallen und rief seine Entdeckung den entfernteren Landsleuten am Ufer zu, und Baruti vergoss zum ersten Mal in seinem Leben Tränen. Der junge Eingeborene kam nahe an das Schiff heran, vergaß jegliche Furcht vor den Fremden und umarmte Baruti außer sich vor Freude, während die übrigen Kanus heransteuerten, um an dem Glück der wieder vereinigten Brüder teilzunehmen.

      Abends stellte ich Baruti die Wahl frei, ob er in dem Dorfe bei seinem Stamme bleiben oder unserm abenteuerlichen Marsche folgen wolle; gleichzeitig riet ich ihm aber, uns nicht zu verlassen, da das Leben unter den Basoko wegen der großen Nähe der Araber an den Stanley-Fällen doch ein sehr unsicheres sei.

      Der Junge schien auch so zu denken und lehnte es daher ab, zu seinem heimatlichen Lande und Stamme zurückzukehren; allein einen oder zwei Tage nach der Ankunft in Jambuja änderte er seine Meinung, kam nachts heimlich in mein Zelt, bewaffnete sich mit einem Winchestergewehr und einem Paar Revolver von Smith u. Wesson, nebst einem Vorrat von Gewehr- und Revolverpatronen, nahm eine silberne Reise-Uhr, einen silbernen Schrittmesser, einen hübschen Gürtel nebst Patronentasche und eine kleine Summe Geldes, stahl dann ein Kanu und verschwand nach unbekannten Regionen flussabwärts, höchst wahrscheinlich zu seinem Stamme. Jedenfalls haben wir seitdem nichts wieder von ihm gesehen oder gehört. Friede sei mit ihm!

      Am 15. Juni trafen wir gegenüber den am linken Ufer des Aruwimi liegenden Dörfern von Jambuja ein, 154 km oberhalb des Zusammenflusses des Aruwimi mit dem Kongo.

      * * *

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