Alfred Schirokauer

Messalina


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klappte die Täfelchen zu und bat freundlich: »Zeige mir den Weg.«

      Der Struktor ließ sich auf ein Knie nieder und küßte inbrünstig dankbar den Saum des Gewandes seiner Retterin. Dann schritt er voran.

      Hinter Valeria Messalina her scholl ein Tuscheln und Raunen, als brause plötzlich ein starker Wind über die blattreichen Baumkronen eines Gehölzes. Man wußte längst, was es bedeutete, wenn der Struktor ein Weib vom Gastmahle holte, kurz nachdem Kaiser Caligula den Saal verlassen hatte.

      Nach einem langen Wege durch einsame Gänge blieb der Struktor vor einer Tür stehen. Ein Vorhang verdeckte mit schweren Falten den Eingang. Er diente der Gestalt eines riesigen Prätorianers zum Hintergrunde.

      Der im vollen Waffenschmuck gerüstete Mann stand unbeweglich auf seinen Speer gelehnt. Er sah so ernst und grimmig drein, als bewache er das Schweigen der Einsamkeit, die hier, fern jedem Menschengetriebe, ihre Heimstatt aufgeschlagen hatte.

      Als der Prätorianer den Sklaven in Begleitung eines Mädchens vor sich sah, überflog ein lautloses, verstehendes Lachen sein bärtiges Gesicht. Etwas zur Seite tretend, raffte er den Faltenvorhang an sich, den Eingang freizugeben.

      Nur das leise Klirren der Wappnung des Wächters und das Knistern des Vorhangstoffes unterbrach die geheimnisvolle, lastende Stille. Kein Laut drang in diesen abgelegenen Flur. Die beschattete Helle einer Lampe, weit hinten im Gange, gab ein wenig Licht, doch kaum genug, das schwere Dunkel zu durchdringen. Von den in Finsternis aufstrebenden, oben in tiefer Nachtschwärze sich wölbenden Wänden tönte fremdartig das Flüstern des Struktors zurück.

      »Weiter darf ich dich nicht geleiten, Domina,« entschuldigte er sich leise. »Der Wächter weiß von deinem Kommen. Er wird dafür sorgen, daß keine Menschenseele dein Zusammensein mit dem Kaiser stört.«

      »Ich habe keinen Grund, eine Störung zu befürchten,« erwiderte Valeria Messalina herb.

      Die wenigen laut gesprochenen Worte weckten einen Widerhall, der den Flur entlanglief, als wolle er die Geheimnisse dieses einsamen Palastflügels aus dem Schlafe scheuchen. Dann verschollen die Laute urplötzlich, als wären sie irgendwo in der Finsternis in einen Abgrund gestürzt.

      »Vertraue nicht auf den Soldaten, Domina,« warnte der Struktor ernst. »Er ist ein Lieblingswächter des Kaisers, seinem Herrn sehr ergeben und außerdem – ? stumm und – auch taub.«

      Valeria Messalina suchte das Gesicht ihres Führers in der Dunkelheit zu erkennen. »Was willst du damit sagen?« forschte sie mit unterdrückter Stimme.

      »Du bist mutig, Domina,« wich er zögernd aus. »Und du bist schön. Niemand als Venus kann deine Schutzgöttin sein. Möge sie dir beistehen!«

      »Ich verstehe dich nicht,« rief Valeria Messalina. Sie trat einige Schritte zurück, als bereue sie, dem Struktor gefolgt zu sein.

      Doch da ließ der Prätorianer den Vorhang in das Gefalte zurückgleiten. Er huschte an der Wand hin, nahm die Lanze quer und schnitt der späten Besucherin so den Rückweg ab, mit der riesigen Gestalt und der Waffe den Flur absperrend.

      »Hab Dank, Domina,« murmelte der Struktor. »Ich kann dir nur noch sagen: sobald du den zweiten leichten Vorhang, der sich hinter dem schweren ersten befindet, aufheben wirst, betrittst du ein hellerleuchtetes Gemach. Dort wirst du alles weitere erfahren.«

      Damit verließ er die junge Domina und war sogleich verschwunden. Es war, als hätte der finster gähnende Gang ihn verschluckt.

      Valeria Messalina sah sich mit dem Prätorianer allein. Er schien sein Amt zu kennen. Er trat auf das Mädchen zu. Jedes Ausweichen war unmöglich. Die Lanze an der Eisenspitze ergreifend, den Speerschaft hinter Valeria Messalina an die Wand stemmend, raffte er mit der freien Linken den Vorhang zurück. So bildete er mit Arm, Körper und Waffe einen Winkel, aus dem die Gefangene nur entkommen konnte, wenn sie das vor ihr liegende Gemach betrat.

      Um aller Gewalttat zu entgehen, hob Valeria Messalina den zweiten Vorhang. Eine Lichtflut strömte auf sie ein. Und da diese Helle als Gegensatz zur Finsternis des Flures beruhigend wirkte, schritt Valeria Messalina ohne Zögern weiter. Zugleich wurde ein Vorhang dem Eingange gegenüber zur Seite gestreift. Eine junge, hübsche Griechensklavin trat lächelnd vor.

      »Sei gegrüßt, Domina,« sprach sie freundlich, doch demutsvoll.

      Die Gegenwart eines weiblichen Wesens gab Valeria Messalina den Mut zurück. In diesem kaiserlichen Palaste schien alles aus Gegensätzen zu bestehen: draußen der nachtdunkle Flur und der finstere Wächter – hier der lichterfüllte Raum und die liebliche Erscheinung der jungen Griechin.

      »Sei bedankt,« erwiderte Valeria Messalina den Gruß der Sklavin. Dann lachten die beiden Mädchen einander an. »Führst du mich weiter?« erkundigte sich die Domina.

      »Du bist am Ziele, Herrin, wenn du dort eintrittst,« gab die Sklavin Auskunft, auf den zurückgeschlagenen Vorhang deutend.

      In diesem Augenblicke erschien Caligula auf der Schwelle. Er hatte seine Ungeduld nicht länger meistern können.

      »Ohne Scheu,« bat er mit einer einladenden Handbewegung.

      Der Kaiser zog selbst den Vorhang zu, nachdem Valeria Messalina die Tür durchschritten hatte und in das vom rötlichen Ampelscheine durchglühte Gemach gelangt war. Er wies auf einen Sessel, der mit weit ausgreifenden Beinen und mit halbgerundeter, tief zurückliegender Lehne die Mitte des Raumes einnahm. Ein rotes Seidenpolster bedeckte den bequemen Sitz. Caligula blieb höflich stehen, bis sein Besuch Platz genommen hatte. Dann zog er einen zweilehnigen Stuhl heran und lieh sich ebenfalls nieder.

      »Ich habe dich hierher befohlen –« eröffnete er die Rede.

      »So unfreundlich der Wächter im Vorgemach war, so anmutig ist die Dienerin vor diesem Raume. Ich mache dich aufmerksam, Herr, daß ich gewohnt bin, mit Männern nur in Gegenwart einer zweiten Frau im Gemach zu weilen. «Ich werde daher nur in Gegenwart deiner Dienerin mit dir reden. Rufe sie, bevor du weitersprichst.«

      Caligula kam diesem kühnen Wunsche augenblicklich nach. Das Mädchen trat ein und blieb mit tiefgeneigtem Gesichte statuenhaft unbeweglich neben dem Türvorhang stehen. Ihre schönen Züge nahmen eine Ausdruckslosigkeit an, die erkennen lieh, daß die Sklavin Auge und Ohr zu verschließen verstand. Sie mochte sich daran gewöhnt haben, Zeugin zu sein der Gespräche ihres Herrn mit einsamen Besucherinnen.

      »Wir sind allein,« sagte Caligula kurz und spöttisch, indem er mit einer leisen Kopfbewegung nach der Sklavin deutete. »Dennoch ist dein Wunsch erfüllt, Valeria Messalina,« fügte er etwas freundlicher hinzu. »Ich freue mich, Gedanken mit dir auszutauschen. Denn du scheinst mir ein Wesen besonderer Art. Von Alltagsmenschen aber strotzt meine Umgebung.«

      »Gedanken mit mir auszutauschen?« fragte Valeria Messalina verwundert. »Gerade mit mir?! Was wüßte ich wohl zu sagen, ich, deren Wege bis zu diesem Tage kaum weiter als von der Schwelle des Elternhauses in das Heim guter Freunde führten – ich, deren Augen bisher eine nur kleine Welt sahen.«

      Caligula saß mit untergeschlagenen Armen und betrachtete forschend das belebte Antlitz seines Gegenübers.

      »Du schlägst die Augen nicht vor mir nieder,« sagte er nach einer Pause zufrieden.

      »Ich habe nichts getan, was mich zwänge, meinen Blick zu verstecken,« entgegnete sie, frei seinen grünlich schillernden Augen begegnend.

      »Das ist es eben: deine Unberührtheit macht dich kostbar,« sagte er. Sein eigenartig häßliches Gesicht nahm einen lauschenden Ausdruck an, voll Neugier, ob sie die Anspielung verstanden hätte. Da sie schwieg, fuhr er fort: »Bei welchem Namen nennt man dich in vertraulicher Anrede?«

      »Du nanntest mich ja schon beim Namen, Herr,« erinnerte sie mit einem leisen Auflachen.

      Er machte eine ungeduldige Bewegung. »Valeria Messalina – ja gewiß« stieß er hervor. »Du müßtest nicht eine Domitierin sein,