Wedel aus buntgefärbten, kostbaren Straußenfedern wölbten sich als Schmuck und Schutz über Valeria Messalina. Noch immer traumbefangen, doch stolz aufgerichtet, schritt sie hinein in die Höhle des Wahnwitzes und der Niedertracht. Die schimmernden Wände des Kaiserpalastes aus goldgetöntem Marmor Äthiopiens umfingen das junge erwartungsvolle Geschöpf.
4
Kaiser Caligula hatte für den Empfang seiner Gäste wieder einmal eines jener absonderlichen Gewänder gewählt, in die er sich je nach dem Wechsel seiner Launen zu hüllen pflegte. Bald erschien er als Held gerüstet, bald als ein weibischer Narr angetan, doch niemals gekleidet, wie Brauch und Gelegenheit es forderten.
Sein vertrautester Freigelassener Callistus hatte nach der Heimkehr vom Zirkus seine nicht geringe Beredsamkeit und einen eindringlichen Wortaufwand daranwagen müssen, Caligula von dem Gedanken abzubringen, in dem goldenen Brustpanzer Alexanders des Großen zum Mahle zu erscheinen.
»Du gefährdest wahrhaftig deinen Hals, Callistus!« hatte der Cäsar schließlich mit verkniffener Miene geknurrt. »Meinst du, ich hätte die Rüstung des göttlichen Mazedoniers wegen ihres Goldwertes aus seiner Begräbnisstätte rauben lassen! Was ist Gold? Schmutz, an dem die Menschen hängen! Zur dessen elenden Besitz sie sich von mir zu allem mißbrauchen lassen. Nicht die Goldpracht des Panzers reizt mich, etwa weil sie meinem Äußeren Prunk verleiht. Nein, wenn dieses Gold meine Brust umschient, bin ich nicht mehr ich, sondern ich bin dann die Gottheit Alexander.«
»Doch du gibst ein Gastmahl, Herr,« wagte Callistus zu erinnern. »Auch Eros war stets ein Sieger. Er ist unbeweglicher als der unbezwingliche Mazedonier, der es fertigbrachte, einen Jammerkerl wie den Diogenes in seiner Tonne zu beneiden. Es kommen schöne Frauen zum Mahle. Also sei lieber du selbst, die Gottheit Caligula – oder sei Eros – oder Jupiter.«
»Halt, halt – ja, Jupiter will ich sein!« ging der Imperator auf seines Vertrauten Vorschlag ein. »Ja, Jupiter mit dem goldenen Barte! Rufe den Sklaven Accius. Er soll mir das Haupthaar und den Bart mit Goldfäden durchflechten und mit Goldstaub pudern.«
Callistus warf einen scheuen Blick auf des Cäsars bartloses Gesicht und den kläglich behaarten Kopf. Er ahnte, für den armen Accius mußte die kommende Stunde den Tod bedeuten, sofern der Sklave nicht durch irgendwelche List das Wunder zu bewirken wußte, aus dem kahlen Schädel und Kinn seines Herrn ein goldumglänztes Jupiterhaupt zu zaubern.
Doch im nächsten Augenblicke schon hatte Caligula seinen Entschluß wieder geändert.
»Nein, nein,« entschied er – »mein Haupt soll Jupiter sein – gut – mein Körper aber Merkur, meine Füße Venus.«
So fanden die Gäste den Herrscher Roms nicht in der bei Gastmählern üblichen, schlichten weißen Gewandung, sondern in einem seltsamen Aufputz. Auch erschien er nicht, wie es bräuchlich war, erst als alle Eingeladenen versammelt waren. Er ließ die Türen durch Prätorianer absperren. Niemand durfte den Raum betreten, bevor der Cäsar aus einem prunkvollen Podest in der Pose einer mit kostbaren Gewändern behängten Statue Aufstellung genommen hatte. So tat er sich den Blicken dar.
Als Valeria Messalina den Saal betrat, schlug ihr ein betäubender Wohlgeruch entgegen.
Der Duft entströmte der mit Elfenbeinplatten getäfelten Decke, von der ein nebeldünner Sprühregen stark parfümierter Essenzen stäubte. Er rieselte aus feinen, dünnen Röhrchen, die in Blumenkelche mündeten. Diese Blumenkelche waren in die Elfenbeintäfelung eingelassen und aus seltenen Edelsteinen von roter, blauer und gelber Farbe gebildet.
Mit diesem Dufte vermischte sich der süße Hauch frischer Rosenblätter, die fingerdick die Speisebetten bedeckten. Volle Blüten roter Rosen waren aus den Fußboden gestreut, ein knöcheltiefer Purpurteppich sterbender Blumen. Unzählige Fuhrwerke hatten Rosen aus den geplünderten Gärten Roms und der Umgebung herbeigeschafft.
Tausende von Lichtern siegten mit ihrem Scheine über die Tageshelle, die sich durch die hoch unter der Decke gelegenen Wandöffnungen hereinzukämpfen suchte. Der Widerstrahl dieser zwiespältigen Beleuchtung, die noch nicht Abend und doch auch nicht mehr Tag war, flimmerte zurück von riesigen Wandplatten aus violett geflecktem Marmor, von den Perlmutterleisten, die diese Marmortafeln umrahmten, von den Säulen aus Onyx, die wuchtig die schwere Saaldecke trugen.
Und inmitten dieser unsinnigen Pracht, ein Zeugnis des cäsarischen Raubes an dem unerschöpflichen Reichtum der Reichen der Tiberstadt und der ganzen Welt und des Wahnwitzes, der Vergeudungswut der Herrscher Roms, inmitten dieses olympischen Glanzes stand auf goldenem Sockel – Cäsar Caligula!
Valeria Messalina überhörte die Worte des Struktors, der sie zu dem bevorzugten Platze auf einem Ruhebette des linken Flügels der Triklinien geleiten wollte. Sie stand, staunte den Imperator auf seinem Podeste an und zweifelte, ob sie eine gut gelungene Nachahmung Caligulas oder den Kaiser selbst vollkommen reglos dort stehen sehe.
Der Struktor erkannte sofort in diesem jungen und schönen Mädchen ohne jede Begleitung einen Neuling kaiserlicher Gelage. Er wollte sich gefällig erweisen, als die Verwunderung und das Schwanken in Valeria Messalinas lebhaftem Mienenspiel ihn belehrte, daß sie den Kaiser offenbar nicht erkannte.
»Es ist der Cäsar selbst, Domina,« flüsterte er ihr zu. »Heute ist er Jupiter, Merkur und Venus zugleich.«
Valeria Messalina warf dem Sklaven einen verdutzt fragenden Blick zu.
»Den Jupiter erkennst du am vergoldeten Haupte und an dem mit Goldfäden bedeckten Antlitz,« erläuterte er. »Es ist immer gut zu wissen, was der Kaiser vorstellt, denn er ist sehr beleidigt, wenn man – sollte er fragen – nicht sofort das Richtige errät.«
Die junge Domina zeigte ein leises Lächeln des Spottes.
Der Struktor wandte rasch den Kopf ab, dieses tödlich strafbare Lächeln nicht zu sehen. Dann sprach er wichtig weiter: »Die violettfarbene, goldgestickte und mit Geschmeide besetzte Pänula ist aus indischer Seide, Domina. Dieses Gewand deutet die Gottheit Merkur an. Freilich ist es eigentlich mehr ein Frauenkleid. Wahrscheinlich wünscht der Kaiser mit dieser Pänula schon auf seine Eigenschaft als Venus hinzuweisen.«
Valeria Messalina konnte ein halblautes Lachen nicht unterdrücken. Sie musterte die bizarr häßliche und theatralisch aufgeputzte Gestalt auf dem Sockel und fragte mit der ihr eigenen Offenheit:
»Durch dieses Gewand will er der Venus ähnlich werden! Venus wird sich wundern, ich sehe nichts, gar nichts, was an die Statuen der leuchtenden Göttin der Schönheit erinnern könnte.«
Dem Struktor wurde schwül bei den vermessenen Worten des jungen Mädchens.
»Es soll ja auch mehr Merkur sein, wie du an dem goldgeflügelten Elfenbeinstabe in der rechten Hand des Kaisers erkennen wirst, Herrin,« stieß er hastig hervor, um weiteren kritischen Bemerkungen vorzubeugen. »Aber die Fußbekleidung des Kaisers – die Socci aus weißgegerbtem afrikanischem Antilopenleder – siehst du, Domina, sie sind mit Goldfäden benäht und über den Knöcheln mit einem Kranz aus Smaragden besetzt – diese Frauenschuhe deuten wiederum auf Venus.«
»Arme Venus, vergib ihm den Hohn,« betete Valeria Messalina parodistisch, den dunklen Blick unter drolligem Aufseufzen und Augenverdrehen zur Decke emporschlagend. »Wenn sie mit solchen Lastträgerfüßen und in diesem Aufzuge daherschritte, würde jedes Liebespaar voller Entsetzen entfliehen.«
Das ernste Gesicht des Struktors verfärbte sich dunkelrot bei diesen Frevelworten. Er wußte, daß wahrscheinlich nicht der Gast, sondern er selbst diese Blasphemie zu büßen haben werde, falls der Kaiser sie erfuhr. Er warf einen Blick der Todesangst auf den Imperator, der sich nun endlich zu bewegen geruhte. Mit dem Merkurstabe grüßte er die ringsum in tiefem Schweigen an den Tischbetten stehenden Gäste.
Damit war das Zeichen zu stürmischen Rufen »Ave, Cäsar!« gegeben. Dann setzte laute Unterhaltung ein, aus der aufdringliche Schmeichelrufe der Bewunderung über den göttlichen Einfall des Kaisers, schamlose Lobpreisung seiner herrlich symbolischen Gewandung gewollt deutlich hervorklangen.
»Schnell,