wurde Calda gereicht, ein Gemisch von sehr stark gewürztem Weine und kochendem Wasser. Die Sklaven stellten neben jeden Gast kleine, mit glühender Holzkohle gefüllte Roste, deren Glut Wohlgerüche verdunstete und die Calda heiß erhielt.
Zu dem fetten Eberfleische und dem anreizenden Getränk ward als Unterhaltung eine Gruppe von gaditanischen Tänzerinnen geboten, deren Leistungen ebenso berüchtigt wie gern gesehen waren.
Die zierlichen Gestalten mit den pikanten Zügen und brennenden Augen, echter Typ spanischer Mädchen, waren eng in grellrote dünne Seidentücher gewickelt, eine aufpeitschende Tracht, da die Körperformen, trotz der Hülle, deutlich hervortraten und so den lockenden Reiz des Verborgenen gewährten. Entblößt blieben nur die sehr kleinen Füße und die zierlich von dunkelm Gelock überkräuselten Nacken.
Zum Takte einer eintönigen Flötenmusik glitten die Spanierinnen lächelnd über den goldblitzenden Mosaikfußboden dahin, während sich an ihren Körpern nichts bewegte als die schmalen Hüften, ein schlängelndes Spiel verhaltener Leidenschaft. Nach und nach mischte sich das noch leise zögernde Klappern von Kastagnetten in das Getön der Flöten. Dazu summten die Tänzerinnen einen Sang von Sehnsucht und Liebesverlangen.
Doch bald wurde der Takt der Musik wirbeliger, das Rasseln der Klappern wütender. Der Gesang verstummte. Die Gaditanerinnen bewegten sich schneller und schneller. Immer mehr enthüllten sie sich. Aus der roten Seide leuchtete die blaßgelbliche Haut der Schenkel, quollen die festen kleinen Brüste, schälten sich zuckende Glieder, bis aus dem feierlichen Umherschreiten eine Raserei geworden war, die das einsetzende Gellen der Flöten und betäubende Gerassel der Kastagnetten noch aufstachelte und anfeuerte.
Valeria Messalina hatte vergeblich versucht, sich zu wehren gegen den erregenden Bann, den dieser ungewohnte sinnliche Rhythmus auf sie übte.
Schwer atmend, lag das junge Geschöpf auf seinem Lager, spürte Taumel in sich brausen, vernahm das Sausen des gärenden Blutes in den Ohren, hörte von vielen Lippen den bacchischen Jubelruf »Evohö!« tönen, fühlte, wie ihre Glieder sonderbar müde wurden, und rang staunend mit heimlichen, fremden Wünschen ihrer jungen Kraft. Sie blickte scheu auf ihre Lagergenossen. Doch der junge Mann und das Mädchen auf dem Lektikus waren bereits Freunde und kümmerten sich nicht um die ihnen fremde, schweigsame Tischgefährtin.
In einem seltsamen Umherflattern der Gedanken und zugleich gebannt von einer unheimlichen Anziehungskraft, richtete Valeria Messalina den Blick auf den Kaiser. Sie sah, wie Caligula sich der Zudringlichkeiten seiner Gattin erwehrte und unverwandt zu ihr hinüberblickte. Plötzlich stieß er Cäsonia schroff von sich und reckte die rechte Hand nach Valeria Messalina hin.
Sie verstand die Bedeutung der Gebärde nicht. Denn bis dahin hatte sie nie erlebt, daß ein Mann ihr eine Faust machte und den Mittelfinger der Hand dabei gerade vorreckte. Sie schüttelte den Kopf, dem Kaiser zu bedeuten, sie verstünde ihn nicht.
Mit einem wütenden Ruck befreite Caligula sich von den ihn wieder umschließenden Armen der Gattin, verließ den Lektikus und eilte aus dem Saale.
Zugleich brach die Musik ab. Die Tänzerinnen rafften ihre grellroten Seidentücher um sich und neigten sich dankend gegen den jubelnden Applaus. Dann verschwanden sie.
Ein Aufatmen ging durch den Raum, ein leises Murmeln schwirrte auf. Von einer Stelle her aber scholl lautes Schnarchen.
Dort lag der grauhaarige Claudius auf dem Speisesofa des letzten Trikliniums. Er hielt die Hände über dem Bauche gefaltet und schlief den Schlaf des von fetter Speise übersatten und vom heißen Würzweine Betäubten. Die stürmische Wildheit gaditanischer Künste hatte nicht vermocht, diese geruhsame Tätigkeit des Verdauens zu stören.
»So geht es dem kaiserlichen Oheim stets,« hörte Valeria Messalina ihren Tischnachbarn Amyklas sagen. Er lachte herzlich und fuhr fort: »Wo Claudius zu einem Gastmahl erscheint, sorgt er immer ungewollt für Erheiterung. In Privathäusern, die mit den Ausgaben für die Unterhaltung sparen, ersetzt der drollig-traurige Claudius bei Gastereien oft unfreiwillig ein ganzes Konsortium von Gauklern und Pantomimen.«
»Kein Wunder, wenn die eigene Mutter, Domina Antonia, sich dieses Sohnes schämte,« warf jemand ein.
»Dem ist nicht so,« berichtigte Amyklas. »Um den höchsten Grad von Dummheit auszudrücken, pflegte sie im Gegenteil stets zu sagen: dümmer als der dumme Claudius.«
»Neulich auf einem Gastmahl bei Tubellus ließ er alle Speisen stehen und las uns dafür äußerst komische, ernstgemeinte Eßregeln vor,« erzählte der dem Amyklas gegenüber liegende Gast. »Wenn er dann seine Regeln am Beispiel beweisen wollte und nach den Speisen griff, entzog man ihm rasch die Schüsseln. Sein verblüfftes Gesicht hättet Ihr sehen sollen! Es war zum Totlachen!«
»Und doch ist er durchaus kein Narr, trotz seines närrischen Benehmens,« meinte ein Tribun, der den Ehrenplatz auf dem mittelsten Speisesofa einnahm. »Der Ritterstand hat ihn häufig zum Patron wichtiger Angelegenheiten erwählt – der Senat loste ihn aus zum Priester des vergötterten Augustus – er hat mit dem jetzigen Cäsar einmal das Konsulat innegehabt und war später sogar noch einmal Konsul –«
»Aller dieser Ämter aber ging er doch stets verlustig durch seine Saumseligkeit,« unterbrach Amyklas. »Er ist mit Dummheit gestraft.«
»Dumm ist er nicht,« belehrte der Tribun, »nur umständlich und schwerfällig und ohne jedes Selbstvertrauen. Daran ist seine Erziehung schuld. Er wurde im Hause des Augustus wegen seines wenig anziehenden Äußeren und seines langsamen Geistes als halber Idiot behandelt und zurückgesetzt.«
»Er ist ein schlichter, bürgerlicher Mann und verschmäht allen kaiserlichen Prunk und Vorrang,« mischte ein anderer Gast sich ins Gespräch. »Ich kenne viele, die das mit Recht als einen Vorzug an Claudius rühmen.«
»Ah bah!« machte Amyklas verächtlich, »Sein einfaches Benehmen ist kein Vorzug, sondern nur die Bestätigung seiner albernen, niedrigen Denkungsart. Er ist eine Schande des erhabenen Blutes der Claudier.«
»Hat er sich nicht kürzlich von seiner zweiten Frau, der Aelia Petina scheiden lassen?« fragte ein junges Mädchen.
»Ganz richtig, kleine Hiberina,« rief ein Spottvogel. »Willst du ihn nicht zum Manne nehmen? Du könntest sicher sein, daß er dir viel Muße gönnt. Denn seine Hauptbeschäftigung ist Essen und Schlafen. Daneben studiert er alte Schriften und schreibt langatmige, schwülstige Scharteken. Deine Gefälligkeit wird er also nur wenig in Anspruch nehmen.«
Hiberina errötete zwar, doch versicherte sie mit aller Offenheit, dann wäre der kaiserliche Oheim nicht der rechte Mann für sie.
»Doch in allem Ernste,« nahm der gesprächige und gut unterrichtete Amyklas wieder das Wort, »man erzählt, Kaiser Caligula sei auf der Suche nach einer dritten Gattin für Claudius.«
»Er hatte schon in der Jugend keine Zukunft,« urteilte Hiberina schnippisch. »Wer nimmt diesen Alten, der bettelarm und ein verhöhnter Hanswurst ist?!«
In diesem Augenblicke kam der Struktor an das Triklinium und überreichte Valeria Messalina mit höflichen Worten eine Schreibtafel. Sie öffnete die beiden Holzplättchen, von denen eins mit rotgefärbtem Wachs überzogen war. Nachdem sie die mit spitzem Griffel eingeritzten Worte überflogen hatte, musterte Valeria Messalina das unbewegte Gesicht des Sklaven.
»Glätte das Wachs und gib mir den Griffel,« befahl sie rasch entschlossen. »Ich werde aufschreiben, daß ich keine Ursache sehe, dir zu folgen.«
Betroffen senkte der Struktor das Haupt. Tief verschattete sich sein Gesicht. Zögernd nur bereitete er das Wachs der Schreibtafel zur Antwort vor. Endlich faßte er Mut. Er sah das junge, stolze Mädchen bittend und voll Vertrauen an.
»Domina,« murmelte er fast unhörbar, »wenn ich deine Antwort zurückbringen muß, so bitte die Götter, daß sie mir wenigstens einen raschen Tod gewähren.«
Valeria Messalina hatte die Tafel schon an sich genommen, den Griffel angesetzt, den ersten Buchstaben bereits geritzt. Bei den verzagenden Worten des Sklaven hielt sie