Yupag Chinasky

Lost in transformations


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ihn weder in Aufregung noch stachelten sie seine Arbeitswut an. Was er sah, als er sie rasch durchblätterte, schaffte nicht mehr, als ihm ein müdes Gähnen zu entlocken.

      Dann war Schluss, dann stockte die Flut der Bilder und er schaltete den Computer aus und ging ins Bett. Als er am frühen Vormittag seine Arbeit fortsetzte, staunte er. Nicht nur über die neuerliche Flut der Bilder in der Dropbox, sondern auch über die Art der Bilder. Auf einmal erregten sie sein Interesse, auf einmal entstand eine emotionale Bindung, auf einmal regten sie ihn auf und er konnte sich in die Situation hinein versetzen. Die Aufregung war angekommen, die letzte Serie war phantastisch, ungewöhnliche Bilder voller Leben, voller Pfiff, aber auch voller Abscheu. Ein alter Mann hatte seine Hände in die Arme der Paketfrau gekrallt. Er zerrte und drückte und versetzte sie in Schwingungen, schleuderte sie herum. Dann umkreiste er das Paket, zerrte an ihm mit ausgestreckten Händen, deren Finger den Krallen von Aasgeiern glichen, Teufelskrallen. Aber von wegen alter Mann. Einer, der mit solch wilden, geilen Augen das Objekt seiner Begierde anstarrte, einer, der sich am liebsten auf diese junge Frau gestürzt hätte, obwohl sie festgebunden, festgezurrt, unzugänglich an der Decke hing, einer der sie mit seinen Blicken vergewaltigte, ein solcher Typ konnte doch nicht alt sein, nur äußerlich alt, aber in ihm loderte ein Feuer. Oder war er gar pervers, ein perverser Sadist und Frauenschänder? Der digital artist bekam ob der Fülle der Bilder und der dargestellten Einzelheiten Mitleid mit der armen Frau. Sie war gefangen, gedemütigt und musste alles, was sich dieser Typ ausdachte, ertragen, musste alles mit sich geschehen lassen, konnte nur entsetzt und voller Angst zurück starren, musste ausharren bis zum bitteren Ende, bis sie sich schließlich erbrach, auskotzte, ausrotzte, ein hängendes Häufchen Elend. Bei allem Mitleid und aller Abscheu faszinierten ihn diese Bilder. Nun hatte er seine Motive. Nun war er selbst erregt. Nun konnte er beginnen, seine eigenen Werke zu schaffen und musste nicht nur einen Auftrag erledigen.

      Er wählte die aus, die ihn am meisten berührten und die am besten in seine Pläne passten. Dann begann er, sie zu bearbeiten. Er stellte Ausschnitte her, optimierte Farben und Kontraste, nahm detaillierte Korrekturen vor, öffnete eine Vielzahl von Ebenen, stellte wichtige Partien mühevoll frei und fügte am Ende alles zu einem einzigen Bild zusammen. Er transformierte Farben in Grautöne, arbeitete Bewegungsunschärfen präzise heraus, verlieh seinen Bildern, die des Fotografen waren ja nur Vorlagen, nur Rohmaterial, Tiefe, Geheimnisse, Leben. Lange Protokolle in seiner Software zeigten die vielen Maßnahmen, die er durchgeführt hatte und dokumentierten seinen Eifer. Aber zählen würde nur das fertige Werk, nicht die Arbeit, die in ihm steckte. Es war wieder Nacht und er war erschöpft, aber Aufhören kam immer noch nicht in Frage. Er hörte erst auf, wenn er das Gefühl hatte, dass das Wesentlichste getan war und das war noch nicht der Fall. Nachdem er sich mit den Aktionsbildern in einen wahren Rausch gesteigert hatte, brauchte er noch eine Beruhigung zum Schluss. Nach all der Aufregung musste er noch ein ruhiges Bild schaffen, einen stillen Kontrast zu den entsetzlichen bewegten, bewegenden Motiven. Ein Schluck Whisky, dann noch einer und noch einer und dann war er in der Lage, auch sein letztes Bild zu gestalten. Es führte ihn wieder zurück, zum Anfang des Happenings, zu den langweiligen Bildern, die er noch in der Vornacht verachtet hatte. Die junge Frau hing ruhig in ihren Fesseln. Ihr Gesicht war entspannt, sie schien zu träumen. Sie wirkte verklärt, sinnlich, erotisch, anziehend und begehrlich. Sie war noch weit entfernt von der Angst und dem Ekel, der Pein und der Demütigung in den späteren Bildern. Der digital artist wunderte sich nicht, dass der Alte sich bei diesem Anblick aufgegeilt hatte. Als er merkte, dass die hängende Frau für ihn unerreichbar war, nicht nur weil sie hing, sondern weil diese schöne, blonde Frau für einen Alten wie ihn einfach unnahbar war, drehte er durch und demütigte sie und misshandelte sie. Zu viel Sinnlichkeit für einen alten Voyeur, dachte der digital artist, zu viel Reinheit. Diese Schale musste er erst zerstören, um sie gefügig zu machen, um sie ihm zu Willen zu machen, obwohl es keine Bilder gab, auf denen er sich ihr zu einem finalen Akt genähert hatte. Aber, so dachte der digital artist weiter, vielleicht hatte er ja nicht alle Bilder bekommen.

      Er begann jedes Detail des Bildes zu prüfen, zoomte Einzelheiten heran, führte kleine Korrekturen durch, verstärkte hier die Kontur eines Seils, entfernte dort einen hässlichen Fleck auf der Haut. Um die richtige Farbe und Tönung der Haut zu finden, um ihre Struktur nicht aufdringlich, aber auch nicht zu flach erscheinen zu lassen, musste er lange herumprobieren und viele Entwürfe verwerfen. Lange überlegte er auch, ob er das Fenster im Hintergrund, nein, den Blick durch dieses Fenster, ein wenig aufhellen und klarer machen sollte, unterließ es aber, denn so war das Bild geheimnisvoller, ungewisser. Er steckte auch in die weniger wichtigen Bildteile viel akribische Arbeit. Alles musste stimmen, das Ganze musste stimmig sein. Das war sein Geheimnis, das hatte ihm Erfolg gebracht. Perfekt war natürlich auch der wichtigste Teil des Bildes, nicht nur der dunkle, glitzernde Hintergrund, perfekt war am Ende der Arbeit auch der nackte, verschnürte Körper der hängenden Frau und ihr stilles, verklärtes Gesicht.

      Als er mit der Bearbeitung fertig war, druckte er das Bild aus, verlagerte das virtuelle Stadium in eine greifbar, anfaßbare Form, transformierte die visuellen Eindrücke aus der digitalen Welt des Monitors auf edles, handgeschöpftes Bambuspapier. Das waren die Endprodukte, klassische Kunstwerke, die er seinen Auftraggebern guten Gewissens übergeben konnte. Er musste den Druck wiederholen und einige Verbesserungen vornehmen, bevor er zufrieden war, aber das war normal, der Eindruck, den Papierbild hinterlässt ist anders, als ein Monitorbild. Dann hängte er das fertige Werk an die Wand, neben die anderen Bilder aus der Serie, neben die aufgeregten, ekeligen action pictures. Es war genau dier Kontrast, der ihm gefiel. Dieses schöne, ruhige Bild war die perfekte Gegenposition zu all den faszinierenden Scheußlichkeiten. Er atmete tief durch und genehmigte sich einen letzten Schluck aus der fast leeren Whiskyflasche, dann gähnte er und schaltete, zufrieden mit sich und seinem Werk, den Computer aus.

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