Sarah Glicker

You belong to me


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an erster Stelle. Auch mir geht es so. Allerdings kann ich mich nicht einfach an sie heften.

       Früher oder später würde sie misstrauisch werden und das könnte ich verstehen. Ich muss es anders angehen. Und vielleicht habe ich so die Gelegenheit ihr näherzukommen und sie besser kennenzulernen. Ich will ihr diese Sache, und auch den Start in ihrer Familie, so leicht wie möglich machen.

       Als ich mein Zimmer verlasse, sehe ich, dass ihre Mitbewohnerin ebenfalls gerade verschwindet. Sie hat ein Handy an ihr Ohr gedrückt und scheint nichts von ihrer Umwelt mitzubekommen. Nach einigen Schritten bleibe ich stehen und sehe ihr nach, während sie in einem der anderen Räume verschwindet. Da ich mich umgesehen habe weiß ich, dass es nur ein Abstellraum ist.

       Kaum hat sie die Tür wieder hinter sich geschlossen sehe ich zu der, von der ich ausgehe, dass Sofia sich hinter ihr befindet. Wenn ich eine Chance habe, mich ihr zu nähern, ist das jetzt. Daher ergreife ich die Gelegenheit und gehe auf sie zu.

       Laut klopfe ich, nachdem ich sie erreicht habe und warte darauf, dass sie die Tür endlich öffnet.

       „Seit ihr schon fertig?“, höre ich sie auf der anderen Seite rufen. Ich brauche nicht großartig darüber nachzudenken um zu wissen, dass sie ihre Freundin damit meint.

       „Hi“, begrüße ich sie, als sie nach einigen Sekunden die Tür geöffnet hat.

       Überrascht sieht sie mich an, wobei ich erkennen kann, dass ihr Blick an meinen Lippen klebt. Doch dann hat sie sich bereits wieder gefangen und sieht in meine Augen.

       In diesem Moment würde ich sie am liebsten ins Auto setzen und in Sicherheit bringen. Und ehrlich gesagt verstehe ich auch nicht, wieso ich das nicht machen soll. Doch deswegen werde ich mich nicht mit meinen Eltern streiten. Sollte sie sich allerdings in Gefahr befinden, werde ich keine Sekunde mit mir hadern und sie sofort nach Hause bringen.

       „Hi“, erwidert sie, wobei ihre Stimme nicht mehr als ein leises Quietschen ist. Schnell räuspert sie und wiederholt sich, was es aber auch nicht besser macht.

       „Hast du jemanden erwartet?“

       „Ich dachte, dass meine Mitbewohnerin mal wieder ihren Schlüssel vergessen hat“, antwortet sie und versucht dabei ihre Stimme so normal wie möglich klingen zu lassen.

       Es ist nicht das erste Mal, dass ich einer Frau diese Reaktion entlocke. Doch es ist das erste Mal, dass ich mich darüber freue, weil ich es auch bei ihr schaffe.

       „Kann ich dir irgendwie helfen?“ Neugierig sieht sie mich an.

       „Ich habe erst vor zwei Wochen das College gewechselt, deswegen wollte ich ein paar Leute kennenlernen und hoffe, dass welche dabei sind, die das gleiche Hauptfach haben wie ich. Und ich dachte, dass es vielleicht am einfachsten wäre, wenn ich mit meinen Zimmernachbarn anfange.“

       Ich sehe sie unsicher an und gebe ihr so das Gefühl, dass ich es auch bin. Dann lächle ich wieder. An ihrem Gesichtsausdruck kann ich erkennen, dass sie auf mich reagiert. Es macht sogar ein wenig den Eindruck auf mich, als würde sie sich entspannen. Doch so genau kann ich das nicht sagen, dafür kenne ich sie einfach zu wenig. Und das ist etwas, was ich dringend ändern muss. Es wurmt mich, dass ich keine Ahnung habe, was in ihrem Kopf vor sich geht.

       Ich beobachte sie dabei, wie sie sich eine Strähne aus dem Gesicht streicht und ihre Hände in die Hosentaschen schiebt.

       „Wenn das so ist, herzlich willkommen. Von welcher Uni kommst du denn?“

       „Los Angeles.“

       Ich sehe, dass es nicht spurlos an ihr vorbeigeht, als ich den Namen ihrer Heimatstadt ausspreche. Für einen kurzen Moment bekommt sie große Augen.

       Da ich sie nicht aus den Augen lasse, erkenne ich, dass sie ein wenig schwankt. Allerdings greift sie sofort nach der Tür, sodass ich nicht einschreiten muss. Daher beschließe ich, dass es vielleicht besser ist, wenn ich so tue, als hätte ich nichts bemerkt.

       „Wieso hast du gewechselt?“

       „Ich hatte das Gefühl, als würde ich mal etwas anderes sehen müssen“, erkläre ich und ziehe die Schultern in die Höhe, um sie in der nächsten Sekunde wieder sinken zu lassen.

       „Ich bin dort geboren“, flüstert sie in der nächsten Sekunde.

       „Ehrlich?“ Interessiert schaue ich sie an.

       „Aufgewachsen bin ich aber hier und seitdem war ich auch nicht mehr dort.“

       Ich erkenne den traurigen Unterton in ihrer Stimme, als sie sich von mir abwendet.

       „Wieso hast du dich für Dallas entschieden, um zu studieren?“

       „Das ist eine lange Geschichte.“

       Ich kenne die Antwort, doch ich will sie aus ihrem Mund hören. Allerdings macht sie keine Anstalten, mehr dazu zu sagen.

       „Ich bin Aiden“, stelle ich mich schließlich vor und reiche ihr meine Hand.

       „Sofia.“

       Ich bemerke die Elektrizität, die zwischen uns fließt, als wir uns berühren. Um ihr zu zeigen, dass es mir auch nicht entgangen ist, räuspere ich mich und schaue unbeholfen auf den Boden. Dabei bin ich das überhaupt nicht. Doch gerade kommt es mir so vor, als würde ich ihr so ein wenig die Nervosität nehmen können.

       „Es freut mich, dich kennenzulernen“, flüstere ich, während ich sie nicht aus den Augen lassen.

       „Was ist dein Hauptfach? Vielleicht kann ich dir sagen, wo du Gleichgesinnte findest.“

       „Biologie.“

       Die Wahrheit ist, dass ich nichts damit am Hut habe. Ich weiß, wie Kinder entstehen, doch da hört mein Wissen auch schon wieder auf. Doch ich weiß, dass es ihr Hauptfach ist. Daher will ich so eine Brücke zwischen uns schlagen.

       „Ich bin im letzten Jahr“, füge ich noch hinzu, als sie auch nach einer Ewigkeit nichts gesagt hat.

       „Entschuldige, ich habe …“

       Eine Zeitlang ist es ruhig zwischen uns. Es sieht so aus, als würde sie darüber nachdenken, was sie als nächstes von sich geben soll.

       „Ich studiere auch Biologie … im zweiten Jahr“, stottert sie dann und wird ein wenig rot.

       „Zwei Leute aus Los Angeles treffen sich in Dallas und studieren sogar das Gleiche. Das nenne ich mal einen Zufall.“

       Ich grinse sie frech an. Dabei kann ich förmlich erkennen, wie ihr Herz anfängt schneller zu schlagen.

       Ich sehe ihr an, dass sie etwas sagen will. Doch dann sieht sie an mir vorbei.

       „Wie geht es Jonas?“, erkundigt sie sich.

       „Es gibt ein Problem wegen morgen“, ertönt sofort eine weitere weibliche Stimme direkt neben mir. Als ich mich in die entsprechende Richtung drehe, erkenne ich ihre Mitbewohnerin.

       Es dauert einen Moment, doch schließlich sieht sie von ihrem Handy auf, wobei ich die Fragezeichen in ihrem Gesicht erkennen kann.

       „Das ist Aiden. Er studiert ebenfalls Biologie. Aiden, das ist meine beste Freundin Hannah.“

       Ah, sie sind also nicht nur Mitbewohnerinnen, sondern Freundinnen, denke ich und beschließe, dass ich sie auch nach Möglichkeit im Auge behalten werde. Sollte Sofia wirklich in Gefahr sein, wird sie es vielleicht auch sein.

       „Hi“, begrüßt sie mich schließlich.

       „Freut mich“, erwidere ich. Ich lächle sie ebenfalls an, allerdings nicht so, wie ich es bei Sofia getan habe.

       Und das hat nichts damit zu tun, dass sie ihre Freundin ist und mich nun wahrscheinlich im Auge behalten wird. Auf jeden Fall nicht nur. Auf diese Weise will ich Sofia zeigen, dass ich etwas für sie empfinde. Und zwar schon immer, doch das kann ich ihr noch nicht unter die Nase halten.

       „Sofia, ich warte drinnen auf dich.“