Sarah Glicker

You belong to me


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       „Du scheinst ihr wichtig zu sein“, stelle ich fest.

       „Wie kommst du darauf?“

       „Sie hat mich von oben bis unten begutachtet. Für mich sah es so aus, als würde sie sichergehen wollen, dass ich dir nicht gefährlich werde.“

       Andere Männer wären vielleicht gekränkt, doch ich bin froh darüber, dass sie eine Freundin hat, der sie so viel bedeutet. Sofia bekommt große Augen, während sie versucht zu verarbeiten, was ich gerade gesagt habe.

       „Tut mir leid.“

       „Das braucht es nicht. Es ist doch schön, wenn man jemanden hat, der sich um einen sorgt. Ich will euch nicht weiter stören. Vielleicht sieht man sich ja mal, Sofia.“

       Ich zwinkere ihr zu und gehe dann wieder zu meinem Zimmer. Mir ist bewusst, dass sie mir nachsieht, bis ich die Tür hinter mir geschlossen habe.

      Ein lautes Krachen dringt mitten in der Nacht an meine Ohren und reißt mich aus meinem ohnehin schon leichten Schlaf. Ruckartig richte ich mich sofort auf.

       Für gewöhnlich kann ich mich auf mein Bauchgefühl verlassen. Und gerade sagt es mir, dass etwas nicht stimmt. Daher stehe ich schnell auf und betrete den Flur.

       Einige Meter von mir entfernt kann ich erkennen, dass eine Tür aufsteht und Licht dahinter scheint. Doch das ist nicht das, was mir nicht gefällt. Es ist viel eher die Tatsache, dass es sich hierbei um das Zimmer von Sofia handelt und schon wieder ein lauter Knall an meine Ohren dringt.

       Ich brauche nur den Bruchteil einer Sekunde, bis ich dort bin und erkenne, was hier los ist. Und dieser Anblick gefällt mir überhaupt nicht.

       Der Typ, wegen dem ich hergekommen bin, geht auf Sofia los und versucht sie in seine Gewalt zu bekommen. Sie liegt unter ihm und versucht verzweifelt sich zu befreien.

       Mehr brauche ich nicht zu sehen, sodass sämtliche Sicherungen in meinem Inneren durchknallen. Ich stelle mich hinter ihn, greife nach dem Kragen seines Shirts und reiße ihn von ihr herunter. Als er neben mir auf dem Boden landet, sehe ich rot.

       Er ist eindeutig einen Schritt zu weit gegangen und das werde ich ihm auch begreiflich machen.

       Erneut greife ich nach ihm, ziehe ihn auf die Beine und drücke ihn gegen die Wand neben der Tür. Dann schlage ich immer wieder auf ihn auf.

       Ich brauche mir keine Gedanken zu machen, er weiß genau, wer ich bin. Schon ein paar Mal sind wir uns über den Weg gelaufen. Und schon ein paar Mal habe ich ihm klargemacht, dass man sich mit mir besser nicht anlegt. Dennoch hat er es gerade getan, als er auf Sofia losgegangen ist. Und ich werde dafür sorgen, dass er das bereut.

       Als ich ein leises Stöhnen hinter mir höre, drehe ich mich kurz zu ihr herum, um zu überprüfen, dass es ihr gut geht. Doch er nutzt die Gelegenheit und befreit sich von mir. In der nächsten Sekunde ist er bereits verschwunden. Zu gerne würde ich ihm nachsetzen, doch ich bin mir sicher, dass ich noch die Gelegenheit dazu haben werde.

       Stattdessen gehe ich zu Sofia und helfe ihr auf die Beine, damit sie sich auf die Bettkante setzen kann.

       Einige Sekunden betrachte ich sie aufmerksam. Mein Blick gleitet über ihren Körper und merkt sich jede Wunde, die sie von dem Überfall bekommen hat.

       „Sofia! Ist alles klar bei dir?“

       Einige Sekunden schließt sie die Augen und versucht sich wieder zu sammeln. Doch dann hat sie sich so weit wieder im Griff, dass sie mir antworten kann.

       „Mir tut jeder Knochen weh. Sogar die, von denen ich nicht einmal wusste, dass ich sie habe. Und mein Kopf fühlt sich an, als wäre gerade ein Zug über ihn hinweg gerollt. Aber soweit ich es beurteilen, ist nichts gebrochen“, antwortet sie.

       Langsam sinke ich vor ihr auf die Knie. Meine rechte Hand umklammert ihre Finger. Auf diese Weise will ich ihr zeigen, dass ich bei ihr bin. Meine linke fährt vorsichtig über ihre Arme und ihren Hals. Schließlich lasse ich sie auf ihrer Wange liegen. Sanft streiche ich über die rote und leicht geschwollene Stelle.

       „Kanntest du ihn?“

       Ich will sie das nicht fragen, doch ich muss wissen, was sie weiß. Vor allem muss ich wissen, ob sie überhaupt etwas weiß. Denn das ist der Punkt, den ich leider nicht einschätzen kann.

       „Nein … Ja … Ach, ich weiß es selbst nicht“, flüstert sie seufzend und lässt den Kopf ein wenig in den Nacken fallen.

       Ich versuche herauszufinden, was sie mir damit sagen will. Daher werfe ich ihr einen fragenden Blick zu.

       „Er hat mich bereits vor ein paar Tagen überfallen und bedroht. Dabei hat er ein paar Sachen gesagt, die ich nicht zuordnen kann. Allerdings habe ich auch nicht weiter darüber nachgedacht. Es war ein Zufall, dass ich verschwinden konnte. Seitdem hatte ich immer wieder das Gefühl, als würde mich jemanden beobachten.“

       Bei ihren Worten spanne ich mich automatisch an. Schnell entspanne ich mich jedoch wieder, damit sie nichts bemerkt. Dies ist das Wochenende geschehen, bevor ich hergekommen bin. Ich hatte die Hoffnung, dass es sich nur als falscher Alarm herausstellt, aber leider ist dem nicht so gewesen.

       „Hey, es wird alles gut werden. Er ist weg und kann dir nichts mehr antun. Aber wieso hast du es mir nicht sofort gesagt?“, frage ich sie, nachdem sie geendet hat.

       „Was?“, kommt es ihr schließlich über die Lippen.

       „Wieso hast du mich angelogen?“, wiederhole ich meine Frage.

       „Wovon redest du?“ Auf ihrem Gesicht macht sich ein verwirrter Eindruck breit.

       „Als ich dich gefragt habe, ob etwas Schönes in dem Brief stand.“

       Langsam dämmert es ihr, was ich meine. Ein paar Minuten ist es ruhig zwischen uns. Wir lassen den jeweils anderen nicht aus den Augen.

       „Entschuldige, dass ich meine Lebensgeschichte nicht gleich jedem anvertraue, den ich zum ersten Mal sehe. Nicht einmal meine Freundin weiß darüber Bescheid.“

       Ich spüre, dass sie gerade wütend ist. Daher presse ich die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. Dies mache ich aber vor allem deswegen, weil sie sich anscheinend wirklich nicht mehr an mich erinnern kann und das tut weh. Schnell rufe ich mir zwar in Erinnerung, dass sie damals noch klein war, doch das macht es auch nicht unbedingt besser.

       „Ich meine das nicht böse“, versuche ich die Wogen wieder zu glätten. „Es ist nur so, dass man viel hört. Und wenn ich dann erfahre, dass du ihm heute nicht zum ersten Mal über den Weg gelaufen bist, mache ich mir halt Sorgen.“

       „Ich wollte dich nicht so anfahren“, entschuldigt sie sich bei mir.

       „Kein Problem. Du hast ja recht, es geht mich nichts an.“

       „So meine ich das nicht“, versucht sie die Situation zu retten.

       „Da er es anscheinend auf dich abgesehen hat, hast du nun die Wahl“, fahre ich fort und reiße sie so aus ihren Gedanken, die anscheinend gerade ganz woanders sind.

       „Die Wahl? Wozwischen denn?“ Überrascht sieht sie mich an.

       „Entweder schlafe ich bei dir oder du bei mir.“ Meine Stimme lässt vielleicht den Eindruck aufkommen, als wäre es das Normalste auf der Welt für mich. Doch das ist nicht so. Allerdings will ich ihr nicht noch mehr Angst machen.

       Doch ich weiß, wozu dieser Mann in der Lage ist. Und das reicht mir.

       „Kann ich auch Nein sagen?“

       „Eigentlich nicht“, gebe ich nach ein paar Sekunden zurück.

       „Dann haben wir ein Problem. Ich werde sicherlich nicht bei dir schlafen und du nicht bei mir.“

       Ich kann nicht verhindern, dass ich die Augen ein wenig zusammenkneife und mein Gesicht einen missbilligenden Ausdruck annimmt.

       „Sofia“, stöhne ich.