Sabine von der Wellen

Ein verhängnisvoller Wunsch


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Sie das bei allen Nachbarn?“, fragte sie, weil sie nicht wusste, wie sie auf seine Einladung reagieren sollte. Der Typ klang einfach zu nett und höflich, als dass sie ihn als perversen Stalker abtun konnte, dennoch schrie alles in ihr nach Vorsicht.

      Sie hörte ein leises Lachen. Dann antwortete er: „Naja. Ich dachte mir, ich beginne mal mit Ihnen!“

      Dieses Lachen und seine etwas lapidar hingeworfenen Worte gaben dem Gespräch einen vertrauenerweckenden Charakter.

      „… bevor Sie sich durch die anderen Stockwerke arbeiten“, beendete Isabel seinen Satz und konnte nicht verhindern, dass auch sie etwas belustigt klang.

      Wieder hörte sie das leise Lachen. „Vielleicht kann ich ja bei Ihnen beginnen, mit Ihnen weitermachen und bei Ihnen aufhören?“, erwiderte der Anrufer.

      Was sollte Isabel darauf antworten? Offensichtlich ging es ihm ausschließlich um sie und das rührte etwas in ihr. Aber das machte sie auch schrecklich nervös und sie sah sich gezwungen, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.

      „Ich habe wirklich wenig Zeit. Ich plane einen längeren Urlaub“, warf sie erklärend ein und dachte sich im selben Moment, dass dies unklug war. Vielleicht räumte er ihr die Wohnung aus, wenn sie ihm steckte, dass sie länger nicht da sein würde?

      Es dauerte, bis er darauf erwiderte: „Schade! Und es gibt keine Chance zu einem kleinen Rendezvous, bevor Sie diesen Urlaub antreten?“

      In Isabel wollte etwas ihm einen Abend einräumen, nur um den Typ zu der netten Stimme und dem unglaublich sympathischen Lachen zu sehen. Aber sie wusste, dass das keine gute Idee war, nun, wo sie vorhatte ihre Vergangenheit aufzusuchen.

      „Leider nicht. Ich muss erst einiges in meinem Urlaub hinter mich bringen. Deshalb habe ich für nichts anderes im Moment den Kopf frei.“ Das klang dramatisch und Isabel fragte sich erneut, warum sie ihm das steckte.

      „Das ist schade. Aber vielleicht erlauben Sie mir, dass ich mich bei Ihnen noch einmal melden darf. Vielleicht ändern sie doch noch ihre Meinung.“

      Der war wirklich hartnäckig. Aber Isabel mochte das. Das gab ihr das Gefühl, dass er sie wirklich kennenlernen wollte. In ihrem Kopf schwirrte schon der Gedanke, ihm ihre Handynummer zu geben. Doch den Gedanken verwarf sie. Sie musste erst die Sache mit Cedric überstehen. Da durfte sie nichts von abbringen.

      „Schauen wir mal“, sagte sie nur zurückhaltend.

      Etwas traurig hörte sie ihn sagen: „Okay, schauen wir mal. Dann bis hoffentlich bald. Es war schön, einmal mit Ihnen zu sprechen.“

      Ja, das fand Isabel eigentlich auch.

      „Ich fands auch nett“, gestand sie. „Bis Irgendwann!“ rief sie mit pochendem Herzen und legte schnell auf.

      Sie wusste, es war falsch, ihm irgendwelche Hoffnung zu machen. Wie er so schön gesagte hatte: Sie war emanzipiert und stand ihr Leben allein durch … und daran sollte sich nun auch nichts mehr ändern. Und schon gar nicht durch so einen Typen, der sie heimlich beobachtete.

      Sie sprang auf und ging zu jedem Fenster in ihrer Wohnung und zog die Schalosien herunter. Doch statt endlich beruhigt zu sein, fühlte sie sich nun wieder allein. Er klang so nett und sympathisch und wollte mit ihr Essen gehen.

      Nein, sie würde sich jetzt nicht von so einem Kerl durcheinanderbringen lassen.

       Aber er klang wirklich nett und kennt hier niemanden!

      Isabel seufzte auf. Offenbar war er genauso einsam wie sie. Aber bei ihr wird sich das bald ändern. Ihre Vergangenheit wartete auf sie und sie konnte es kaum mehr abwarten, endlich ihren Urlaub anzutreten.

      Am nächsten Morgen stand sie ausgeruht auf. Die Sache mit dem Anruf dieses seltsamen Mannes regte sie nicht mehr so auf. Alles hatte während der Nacht an Bedeutung verloren. Nach einem guten Schlaf werden Probleme nur noch nichtssagend. Alles erscheint dann wieder im richtigen Licht. So auch dieser Anruf. Sie hatte sich ein Ziel gesetzt und wird es sich erfüllen. Soll der Kerl ruhig die anderen Nachbarn zu umgarnen versuchen.

       Aber er will dich!

      Irgendwie hoffte sie zwar, dass sie ihn doch bald kennenlernte, doch sie räumte ihm keinerlei Chancen ein. Da konnte er noch so einschmeichelnd und nett klingen. Außerdem war sie sich mittlerweile sicher, dass die ganze Sache einen Haken haben musste. Entweder der Kerl war verrückt oder erschreckend hässlich.

      So musste es sein, dachte sie sich. Sonst wäre er nicht mehr allein.

      Isabel frühstückte, warf ihre F 35 Plus für den Kinderwunsch ein, und machte ihr Bett. Jetzt war es am Morgen nicht mehr dunkel und sie liebte es, die Schalosien hochzuziehen und die Fenster weit zu öffnen. Die frische Luft am frühen Morgen ließ den Tatendrang in ihr bis ins Unermessliche steigen. Doch sie musste sich an diesem Morgen eingestehen, dass sie aus jedem Fenster mit besonders wachsamem Blick schaute. Er galt nicht, wie sonst, dem neuen Tag, sondern den gegenüberliegenden Wohnungen. Doch sie konnte nirgends auch nur eine Menschenseele entdecken.

      Das beruhigte sie. Das Bild von einem ständig auf sie lauernden Spanner verflüchtigte sich.

      Beschwingt griff sie nach ihrer Jacke und der kleinen, schwarzen Ledertasche. Schnell schlüpfte sie durch die Tür, als ihr Fuß gegen etwas stieß und es an die gegenüberliegende Wand schleuderte. Isabel sah sich erschrocken um. Aber außer einem lädierten Strauß gelber Tulpen war nichts Ungewöhnliches auszumachen.

      Sie ging langsam darauf zu, als könne es sich um eine Bombe handeln und hob sie auf.

      Einige Köpfe segelten zu Boden und drei Blätter rutschten kraftlos über ihre Hand. Aber sie gaben einen Zettel frei und Isabel starrte gespannt darauf. Ihr Herz fing wild zu schlagen an. Die können nur von diesem Anrufer sein.

      Sie sah sich schnell noch einmal um, hob die heruntergefallen Blüten auf und huschte in die Wohnung zurück.

      Schnell ging sie in die Küche und schnappte sich eine Schere, um das Band zu öffnen, das den Strauß und den Zettel zusammenhielt. Sie war aufgeregt wie bei einem ersten Liebesbrief. Sie zweifelte keinen Augenblick mehr, dass er von diesem Mann kam. Schnell faltete sie den Zettel auseinander und ließ die Tulpen achtlos auf den Tisch sinken.

      „Unser Gespräch hat mir Mut gemacht. Ich werde versuchen mich in Geduld zu üben. M. Zikowski.“

      Isabels Herzschlag erhöhte sich noch mehr.

      Langsam und verunsichert, wie sie das Ganze finden sollte, legte sie den Zettel an die Seite und nahm die Tulpen zusammen. Sie stellte sie in eine Vase und brachte sie auf den kleinen Tisch, auf den sie damals die Rosen gestellt hatte. So lange ist das her, dass ihr jemand Blumen geschenkt hatte. Das letzte Mal war es an Neujahr und es waren die Rosen eines Unbekannten. Das war jetzt drei Monate her.

      Drei Monate!

      „Ich bin vor drei Monaten hergezogen …“

      Isabel wandte sich wieder dem Tisch zu, auf dem der Zettel lag. Die Schrift war sauber und leicht verschnörkelt. Sie las die Zeilen noch einmal. Das war wirklich süß geschrieben und zeigte ihr, dass er nicht aufgeben wollte. Irgendwie freute sie das. Er schien wirklich um ihre Gunst kämpfen zu wollen. Aber leider passte das im Moment überhaupt nicht. Ihre Pläne sahen einen um ihr Herz kämpfenden nicht vor. Außerdem konnte sie sich immer noch nicht denken, dass er ein annehmbares Exemplar Mann sein konnte. Solche Männer waren doch alle vergeben oder hatten es nicht nötig einer Frau hinterherzurennen.

      Aber vielleicht war er auch nur hoffnungslos romantisch und glaubte an die große Liebe?

       Tja, dann stimmt aber hundertprozentig etwas mit ihm nicht.

      Isabel musste mit Wehmut an das Musical denken, das sie damals so sehr in ihren Bann gezogen hatte. Sie hatte es im Stella in Hamburg gesehen und sofort drang die Musik wieder in ihr Gedächtnis. Da ging es auch um eine unglückliche Liebe - die Liebe eines verunstalteten Mannes zu einem Mädchen.

      Isabel hatte die Schuld für ihr anhaltendes