Sabine von der Wellen

Ein verhängnisvoller Wunsch


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bei ihr verstärkt.

      Ihr Blick fiel auf die Küchenuhr.

      Schnell steckte sie den Zettel in die oberste Küchenschublade und griff wieder nach der Tasche und rannte zu Tür. Laut ein Lied aus Phantom der Oper pfeifend, lief sie die Treppe hinunter, verließ das Haus und bog in den Hof ein, wo ihr Auto in der Garage parkte. Erst dort wurde ihr bewusst, dass sie laut pfiff und stellte das sofort ein.

       Was sollen denn die Nachbarn denken, wenn du hier so herumkrakelst?

      Schnell stieg sie ein und fuhr durch die Stadt Richtung Industriegebiet. Im Auto sang sie leise das Lied noch einmal und spürte wieder den längst vergessenen Flair, den diese Musik und die Geschichte damals bei ihr heraufbeschworen hatte. War sie nicht sogar regelmäßig in Tränen ausgebrochen, wenn sie sich hinterher die CD von dem Stück angehörte hatte. Wie sehr hatte sie immer mit den drei Protagonisten mitgelitten, die in ihrer Liebe verstrickt waren und wie sehr trauerte sie am Ende um die verlorene Liebe des verunstalteten Phantoms, der nichts wollte, als die Liebe dieses Mädchens und das sie ihm die Einsamkeit nahm.

      Isabel schwor sich am Abend wieder einmal die CD herauszusuchen und sich damit einen herzerweichenden Abend zu gestalten. Das würde ihre momentane Gefühlslage noch mehr unterstreichen. So fuhr sie durch die Stadt und hoffte, die letzten zwei Wochen bis zu ihrem Urlaub werden schnell vergehen.

      Als sie einige Tage später ihre Post aus dem Briefkasten nahm und müde die Treppe erklomm, sah sie sich wie jeden Abend vor ihrer Tür um. Aber der seltsame Anrufer schien wirklich keinerlei Anstalt mehr zu machen, sie umgarnen zu wollen. Zumindest gab es erneut keine Blumen vor ihrer Tür. Nicht das Isabel sich von dem etwas erhoffte. Gott bewahre! Aber dass er so ganz vom Erdboden verschluckt zu sein schien …

      Sie zog ihre Jacke aus, streifte die Schuhe von den Füßen und ließ sich auf einen Küchenstuhl sinken. Dort sah sie die Post durch. Das meiste war Werbung und sie fand noch drei Rechnungen. Nur einen Brief konnte sie nicht zuordnen, weil der aus dem Ausland zugestellt worden war.

      Sie riss ihn ungeduldig auf und fand ein zusammengefaltetes Blatt Papier. Als sie ihn auseinanderfaltete, fiel ihr eine getrocknete rote Rose entgegen. Sie legte sie nach genauer Betrachtung auf den Tisch und las den Brief.

       Blume in der Nachbarschaft

       Seit ich sie erblühen sah,

       dicht an meine eigenen Wurzeln reichend,

       zu entfernt und doch so nah,

       Erinnerung nicht aus meinem Herzen weichend,

       möchte ich niemals vergehen

       niemals an einem anderen Ort stehen

       immer umgeben von der gleichen Luft

       immer durchdrungen von dem gleichen Duft

       Wurzel an Wurzel,

       Blatt an Blatt

       Zusammengehörigkeit, die nie ein Ende hat.

       Schenken Sie mir einen Augenblick. Gehen Sie mit mir Essen.

       Ich werde Mittwoch aus Frankreich zurückkehren und erwarte Sie an diesem Abend um zwanzig Uhr im Steak House in unserer Straße.

       Hochachtungsvoll, M. Zikowski.”

      Isabel starrte auf die Zeilen. Was für ein schönes Gedicht und was für ein netter Brief. Und er erwartet sie!

      In ihrem Inneren rumorte es aufgeregt und verängstigt zugleich. Der Mann will sie treffen. Er will mit ihr Essen gehen. Unbedingt. Und er hatte ihr ein Gedicht geschickt, dass schon sehr persönlich klang … und nach dem Wunsch auf mehr.

      Isabels Herz begann unruhig einen neuen Takt vorzugeben und ihr Magen wurde seltsam schwer. Einerseits, weil er so unverfroren ihr ein Treffen aufdrängte und andererseits, weil er so ein nettes Gedicht an sie geschickt hatte, dass von wirklich viel Gefühl sprach.

       Wurzel an Wurzel … Blatt an Blatt … Zusammengehörigkeit, die nie ein Ende hat.

      Puh! Entweder, der Typ war hoffnungslos romantisch oder erbarmungslos berechnend. Auf alle Fälle schaffte er es, in ihr einigen Tumult auszulösen. Und nun wollte er sie sogar ernsthaft daten.

      Wann?

      Isabel riss erneut den Brief hoch, den sie völlig hingerissen auf den Tisch sinken lassen hatte und suchte nach dem Datum. Meinte er vielleicht schon letzten Mittwoch?

      Aber sie stellte beruhigt fest, dass er wirklich Übermorgen meinte.

      „Um Gotteswillen!“ Isabel sank in sich zusammen. Er will mit ihr am Mittwoch essen gehen!

      Soll sie sich wirklich mit ihm treffen? Soll sie das wirklich tun?

       Das kann nur ein Psychopath sein, der dich als sein neues Opfer fixiert hat. Warum sollte er sich sonst solche Mühe wegen dir machen?

      Isabel seufzte verunsichert auf.

      Er wusste eine Menge von ihr, sie aber nichts von ihm. Was er wohl arbeitete, dass er sogar ins Ausland reiste? Also ein Dummkopf war er wohl nicht. Außerdem konnte sie wohl den Gedanken verwerfen, dass er ein Entflohener aus einer Anstalt war. Die reisen für gewöhnlich nicht für eine Firma ins Ausland und schreiben so schöne Gedichte. Aber vielleicht war das ja gar nicht von ihm? Vielleicht hatte er das nur geklaut, um sie um den kleinen Finger zu wickeln.

      Fragen über Fragen, die Isabel und ihre Gefühlswelt immer mehr durcheinanderbrachten.

      Und dann die rote Rose, die ziemlich unzerstörbar erschien. So ein Brief hatte schließlich einige Hürden zu überstehen, bevor er sein Ziel erreichte. Sie schien so unzerstörbar wie seine gewünschte Zusammengehörigkeit, die nie ein Ende haben soll.

      Isabel machte dieser Brief wirklich zu schaffen. Er war zu schön und er hatte sich die Mühe gemacht, ihn aus Frankreich zu schicken. Offenbar war er nicht der Typ für Mails oder SMSen.

       Er hat nur deine Adresse und deinen Namen. Also interpretier mal nicht so viel Romantik in das Ganze. Ihm blieb nichts anderes übrig. Und vielleicht ist ihm lieber, es von weit weg von dir zu tun. Vielleicht schrieb er ihn noch mit dreckigen, erdbesudelten Händen, während die Erde über der letzten Leiche noch nicht mal angetrocknet war.

      Isabel schüttelte unwirsch über diese Gedanken den Kopf. Er hatte zumindest an sie gedacht und ihr diesen netten Brief geschrieben. Er hätte sie in Frankreich auch einfach vergessen können.

      In Frankreich! Er dachte sogar dort an sie!

      Isabel konnte das alles gar nicht fassen und in ihrem Inneren begann alles langsam immer mehr Amok zu laufen.

       Okay, ruhig bleiben. Du weißt nichts von ihm. Du weißt nicht mal, wo er wohnt. Du weißt nur seinen Namen: Zikowski.

      Das klang fremdländisch. Aber er hatte keinen Akzent.

      Isabel sah sich unschlüssig um, ging zum Fenster und zog die Schalosien herunter. So fühlte sie sich nicht mehr beobachtet. Sie wollte ihre Ruhe haben, sich in die Badewanne legen, danach eine Kleinigkeit essen und ins Bett gehen.

      Nach dem Bad und einem Tomatenbrot fühlte Isabel sich wieder besser. Nur wenige Tage noch, und Isabel wird ihren Urlaub antreten und ihren Plan umsetzen.

      Für Isabel war es eine neue Zeitrechnung und diese Woche würde sie mit den letzten Vorbereitungen überbrücken. Sie wollte noch zum Friseur, zur Maniküre und zur Körperhaarentfernung. Damit wäre sie körperlich schon einmal gerüstet. Ihre Wäsche lag sauber, gebügelt und zusammengelegt auch schon zum Einpacken bereit. Alles andere wird sich dann schon finden.

      Ihre Gedanken huschten wieder, wie so oft, zu dem Ort, in dem sie ihr großes Glück finden wollte. Der Mann am Telefon des kleinen Gasthauses, in dem sie das Zimmer gemietet