Geri Schnell

Der Politiker


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      «Ich habe gehört», spricht ihn Georg an, «dass dir beim Fliegen schlecht wird.»

      «Ja, das stimmt leider», bestätigt Willi, «ich musste mich beim letzten Flug übergeben, den Traum, Pilot zu werden, kann ich vergessen.»

      «Aber das kann man doch trainieren, ich zeige dir morgen einige Übungen, wie du das das Problem in den Griff bekommst. Aber erst morgen, heute wollen wir feiern.»

      Georg macht ihm Hoffnungen, vielleicht muss er seinen Traum doch noch nicht abschreiben. Er zahlt ihm noch ein Bier, das ist es ihm Wert.

      «Auf Spanien», prosten sich die Piloten zu.

      «Warum Spanien?»

      «Der Instruktor hat uns erklärt, sobald wir genügend Flugzeuge besitzen, dürfen wir nach Spanien und General Franco bei der Bekämpfung der Kommunisten unterstützen.»

      «Du bist für uns sehr wichtig, je schneller wir genug Flugzeuge haben, umso schneller geht es an die Wärme. Hier in Rostock ist es einfach saukalt», meint Georg.

      Für Willi ist klar, so schnell werden sie ihn nicht aus der Fabrik abziehen und ihn zum Piloten ausbilden. Zuerst muss die Fabrik laufen. Wenn sein Traum nur aufgeschoben ist, hat er damit kein Problem.

      Als der Wirt sie bittet, das Lokal zu verlassen, weil bereits Sperrstunde sei, machen sie sich singend auf den Weg zur Unterkunft.

      Bis Ende des Jahres 1936 konnten noch vier Maschinen fertiggestellt werden. Nach dem Weihnachtsurlaub schafft man bereits eine Maschine pro Woche. Die Planung sieht vor, dass sie sich auf drei Maschinen pro Woche steigern müssen. Weil noch immer Änderungswünsche eintreffen, ist man von diesem Ziel noch weit entfernt.

      Für Willi bedeutet das viel Arbeit. Er ist stark belastet, Georg hat ihm ein Trainingsprogramm zusammengestellt, welches ihn jeden Tag mindestens für eine Stunde beschäftigt. Die Übungen sollen seinen Gleichgewichtssinn stärken. Seinen Traum, Pilot zu werden, lebt wieder auf.

      Von seinen ehemaligen Kameraden sind die meisten abgezogen worden. Wohin genau sie abberufen wurden, ist ein gut gehütetes Geheimnis, sicher sind sie jetzt in einer regulären Einheit der Luftwaffe stationiert und üben sich in Kampfeinsätzen. Für Willi hat es den Vorteil, dass der Instruktor ebenfalls abgezogen wurde. Bei einem neuen Ausbilder erhält er vielleicht nochmals eine Chance, seinen Traum zu verwirklichen. Im Moment ist allerdings nicht damit zu rechnen, den er wird in der Fabrik benötigt.

      Probleme mit Gabi /1937

      Ab Herbst werden die Briefe von Gabi seltener. Schrieben sie sich früher mindestens einmal in der Woche, so kommt es jetzt vor, dass bis vier Wochen vergehen, ehe ein kurzer Brief eintrifft. Willi weiss nicht was los ist, er ist froh, dass er über Weihnachten keinen Urlaub bewilligt bekommt. Die Fabrik muss so schnell wie möglich die Produktion steigern.

      Seit die Briefe von Gabi so selten geworden sind, geht er vermehrt mit Freunden in die Kneipe in Rostock. Während er früher sich konsequent weigerte, sich mit einem der Mädels einzulassen, erwidert er nun die Blicke der Mädels und es kommt zu Umarmungen. Besonders Rita macht ihm schöne Augen und richtet es meistens so ein, dass sie neben ihm zu sitzen kommt.

      Am Silvesterabend ist die Stimmung ausgelassen und Rita weicht nicht von seiner Seite. Um Mitternacht ist sie zur Stelle und überrascht ihn mit einem Zungenkuss. Eine Sekunde lang ist er verblüfft, doch dann erwidert er den Kuss.

      Nach Mitternacht spielt das Trio, welches für Musik sorgt, nur noch langsame Stücke. Willi geniesst es, wieder engen Kontakt mit einem weiblichen Wesen zu haben.

      Gegen zwei Uhr verlassen die beiden eng umschlungen die Kneipe. Es bleibt Willi nichts anderes übrig, als Rita nach Hause zu begleiten. Draussen ist es zu kalt und Rita wohnt mit einer Freundin zusammen in einem kleinen Zimmer bei einer Schlummermutter. Leise schleichen sie in ihr Zimmer und verschwinden sofort unter der Bettdecke. Das Jahr 1937 beginnt ja sehr aufregend. Ab jetzt trifft er Rita regelmässig, allerdings gibt es nur selten längeren Ausgang. Die Wehrmacht achtet streng darauf, dass ihre jungen Männer nicht auf dumme Gedanken kommen.

      Zur Fastnacht bekommt Willi wieder einmal Urlaub. Enttäuscht stellt er fest, dass Gabi nicht in Worms ist. Auch ihre Eltern wohnen nicht mehr in Worms. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als mit einigen seiner ehemaligen Schulkollegen an den Faschingsball zu gehen. Die meisten hat er seit der Schulzeit nicht mehr gesehen.

      Statt mit Mädels rumzuhängen, singt er mit seinen Schulfreunden um die Wette. Es wird reichlich getrunken. Jeder weiss eine Anekdote über einen Lehrer und noch viel besser, über eine Lehrerin zu berichten.

      Jeder erzählt, was er so treibt. Die meisten sind in der Wehrmacht. Stolz informiert Willi, dass er nach dem Urlaub mit der Pilotenausbildung beginnen kann. Der Ingenieur hätte ihn vor seinem Urlaub noch informiert, dass er die letzten Monate seiner Wehrpflicht, als Belohnung für seine gute Arbeit, den Pilotenschein machen darf. In Sommer sind die vorgeschriebenen zwei Jahre Wehrdienst vorbei. Dann möchte er sein Studium in Aachen abschliessen. Wenn er in der Wehrmacht den Pilotenschein macht, darf er sich als Pilot bei den aufkommenden Fluggesellschaften bewerben.

      Ohne dass er Gabi getroffen hat, muss er zurück nach Rostock. Er ist nicht traurig, so hat er kein schlechtes Gewissen, wenn er mit Rita in den Ausgang geht.

      Wie vom Ingenieur versprochen, darf er mit dem Flugunterricht beginnen. Am Morgen macht er seinen Kontrollgang in der Fabrik und am Nachmittag nimmt er am Flugunterricht teil.

      Die Übungen welche ihm Georg angeraten hat, wirkten. Beim ersten Flug mit dem Fluglehrer, wird ihm nicht schlecht. Beim Erstflug werden keine waghalsigen Manöver geflogen, das verkraftet er gut und mit jedem weiteren Flug, kann er sich an die Bedingungen gewöhnen. Seine theoretischen Kenntnisse helfen ihm und es dauert nicht lange, biss er das Flugzeug selber steuern darf.

      Nach drei Wochen überlebt er seine erste selbst gesteuerte Landung. Gut sie strapazierte das Fahrwerk aufs Äusserste, doch der Fluglehrer ist zufrieden, er hat schon schlimmeres erlebt.

      Die Flugprüfung besteht er beim ersten Mal und der Fluglehrer überreicht ihm den Pilotenschein. Endlich ist er Pilot, die zwei Jahre in der Wehrmacht haben sich ausgezahlt.

      Langsam geht die Zeit in der Wehrmacht zu Ende und er muss sich mit der Planung der Zeit nach dem Wehrdienst befassen. Dass er sein Studium abschliessen will, steht fest, nur, nach seiner Entlassung, sind Semesterferien. Er sucht also nach einem Praktikumsplatz. Dazu ruft er Hans in Friedrichshafen an. Er erkundigt sich, ob der Pilotenschein auch zum lenken eines Zeppelin berechtigt. Leider wird das verneint, er bietet ihm aber an, als Bordingenieur den Kapitän zu unterstützen.

      Insgeheim hofft Willi, dass er nach dem Luftfahrtstudium, sich zum Luftschiffkapitän weiterbilden kann. Er weiss, dass die Kapitäne langsam zu alt sind, da werden in Zukunft einige Plätze frei.

      Willi freut sich auf Friedrichshafen, es sind bereits vier Jahre vergangen seit seinem letzten Praktikum. Hans wird ihm noch einige Ordner mit Unterlagen schicken, damit er sich bei theoretisch Fragen auf den neuesten Stand bringen kann.

      In Rostock werden bereits zwei Do111 pro Woche aufs Rollfeld gerollt. Es braucht nicht mehr viel und man kann auf drei Flugzeuge pro Woche steigern. Meistens ist Willi mit seiner Inspektionsrunde am frühen Nachmittag fertig. Danach geht er spazieren.

      Beim Zusammenbau der Tragflächen gibt es am Morgen Probleme, dabei hoffte Willi am Nachmittag einen Spaziergang in der warmen Maisonne zu machen. Vorher muss er das Problem mit den Tragflächen in den Griff bekommen, sonst wird es mit dem Spaziergang nichts. Durch nachmessen stellt er fest, dass die Lochabstände ausserhalb der festgelegten Norm liegen. So geht es nicht, man kann die Tragflächen nicht montieren.

      Es bleibt nichts anderes übrig, als die Tragfläche auszusortieren. Danach muss man sie genau ausmessen und dann einen Flugzeugrumpf nach speziellen Massen herstellen. Eine ärgerliche Sache, für die Montage des aktuellen Flugzeug ist es nicht weiter schlimm, die nächsten Tragflächen stehen bereit, er muss nur dafür sorgen, dass sie aus den Lager ausgelagert