Geri Schnell

Der Politiker


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einem Kottelet, zum Dessert gibt es noch frische Erdbeeren. So gut hat Willi schon lange nicht mehr gegessen.

      «Wie wird an der Uni der Wettstreit zwischen Luftschiff und Flugzeug beurteilt?», fragt Hans nach dem Dessert.

      «Für lange Reise ist das Luftschiff im Vorteil. Zurzeit wird jedoch sehr oft über die militärische Verwendung diskutiert, da liegt der Vorteil bei den Flugzeugen, die könnten sich besser verteidigen.»

      «Das mag stimmen, aber wer will den schon wieder Krieg», wendet Hans ein, «seit dem letzten sind erst fünfzehn Jahre vergangen. Haben die nichts gelernt?»

      «Die Nationalsozialisten wollen unbedingt die Versailler Verträge rückgängig machen, dabei setzen sie auf das Militär.»

      «Das mag sein, aber für mich ist nur die zivile Luftfahrt interessant, da liegt die Zukunft. In einer komfortablen Kabine in zwei Tagen über den Atlantik schweben, das ist Zukunft.»

      «Da stimme ich zu, nur, bekommt die Uni Aachen mehr Geld zur Entwicklung von Flugzeugen. Sie haben einige Projekte, die in diese Richtung laufen. Wir haben sogar eine Maschine welche Luft in ein Rohr bläst, in der Mitte befindet sich eine Kammer für Versuche. Man untersucht den Auftrieb der Tragflächen und will bei gleichem Auftrieb den Widerstand möglichst gering halten. Leider dürfen sich nur die Abschlussklässer mit dieser Maschine beschäftigen, wir müssen mit komplizierten Formel den Auftrieb berechnen.»

      «Das geht?»

      «Ja, zumindest gibt es ein Resultat, später muss die Berechnung an einem Modell bestätigt werden.»

      «Ich weiss, die Mathematik hat grosse Fortschritte erzielt. Bei den Luftschiffen ist immer noch die Erfahrung entscheidend. Natürlich rechnen auch wir, aber ich kann die Resultate mit meiner Erfahrung voraussagen.»

      «Das kann ich mir gut vorstellen. Im Luftschiffebauen, sind wir auf dem Weltmarkt stark, das werden auch die Nationalsozialisten anerkennen. Bei den Flugzeugen liegen wir hinter den anderen europäischen Staaten zurück, von Amerika ganz zu schweigen.»

      «Gut beobachtet, aber nun ist es Zeit, die Arbeit beginnt morgens um sieben Uhr, wenn wir vorher Frühstücken wollen, müssen wir um sechs Uhr aufstehen.»

      Willi verabschiedet sich und steigt die Treppe hoch in sein Zimmer. Hans weckt ihn am nächsten Morgen rechtzeitig und mit vollem Magen, machen sie sich auf den Weg zur Werfthalle. Willi bekommt ein Fahrrad und fährt hinter dem Ingenieur her.

      In der Werkstatt wird er mit seinen neuen Kollegen bekannt gemacht, dann geht es los. Man zeigt ihm, wie man die Streben auf die richtige Länge zuschneiden muss. Er erhält einen Plan, in dem ersichtlich ist, wie viele Streben von welcher Länge benötigt werden. Nun ist er beschäftigt. Nach einer Stunde hat er die erste Blase an der Hand, mit der er die Säge hält. Am Mittag gibt es in einer Kantine einen Eintopf, mit Fleischklössen. Eine Stunde später arbeitet er weiter. Um fünf Uhr holt ihn Hans ab.

      «Ich denke, du möchtest Mal ein Zeppelin aus der Nähe betrachten, komm mit.»

      «Ja gerne», er schwingt sich aufs Fahrrad und folgt dem Ingenieur.

      «Die LZ127 ist seit einer Woche zur Inspektion in der grossen Halle.»

      Willi steht staunend vor der mächtigen Halle. Durch eine winzig wirkende Türe gelangen sie ins Innere der Halle. Willi ist beeindruckt. Die LZ127 ist riesig und füllt die Halle beinahe aus. Er folgt Hans, welcher auf die Kabine zugeht, deren Räder auf dem Boden aufliegen. Eine Holztreppe erlaubt einem den Einstieg in die Kabine. Nun folgt eine Führung. Der Kommandostand ist mit diversen Instrumenten bestückt. Hans erklärt die genaue Funktion jedes Geräts. Dann besichtigen sie eine Kabine für zwei Passagiere. Sie enthält ein bequemes Doppelbett, einen kleinen Schrank. Am Fenster steht ein kleiner Schreibtisch.

      «Das ist viel bequemer als diese engen Flugzeugsitze, da macht das Reisen spass.»

      «Die Aussicht muss herrlich sein», staunt Willi, «das kostet sicher ein Vermögen, mit dem Luftschiff zu reisen. Das kann sich ein Student nicht leisten.»

      «Da hast du natürlich Recht, aber Flugreisen mit dem Flugzeug sind auch nicht günstig! Zudem wird es den meisten Passagieren schlecht, weil es zu stark schaukelt, da kann keiner den Flug geniessen.»

      Nach dem Besuch in der Kanzel erklärt Hans einige technische Daten. Das das Gasvolumen mehr als hunderttausend Kubikmeter beträgt und von fünf Zwölfzylinder Motoren angetrieben wird, welche über 450 PS Leistung haben, wusste Willi schon vorher. Er hatte alle Daten zur LZ127 im Kopf. Trotzdem ist er mächtig beeindruckt. Es ist schon ein Unterschied, ob man die Zahlen aus der Zeitung liest oder direkt vor dem Luftschiff steht.

      «Wir müssen die Graf Zeppelin mit einem Hakenkreuze versehen», erklärt Hans, «Herr Eckert hat sich dagegen ausgesprochen, muss aber den Widerstand aufgeben, da er sonst die Betriebsbewilligung verloren hätte. Er erreichte lediglich, dass das Kreuz kleiner und nur auf einer Seite angebracht wird. Die Männer auf dem Gerüst sind die Mahler.»

      Willi gibt keinen Kommentar ab, er will sich nicht politisch äusseren.

      «Sobald die Mahler fertig sind, machen wir eine Probefahrt», erklärt Hans, «ich werde versuchen, dass du mitfliegen kannst. Es wird Zeit, dass du als Luftfahrtstudent deine Flugtaufe erlebst.»

      «Ich darf mitfliegen?»

      «Ich hoffe, es gibt noch einige Reparaturen an den Rudern, welche ebenfalls erledigt sein müssen, dann müsste es klappen. Auf Probefahrten bestimmt der Ingenieur, wer mitfliegen darf.»

      «Danke!»

      Mehr bringt Willi noch heraus. Damit wird seine Enttäuschung etwas gemildert, mit der er den ganzen Tag zu kämpfen hatte. Er ist von seiner Arbeit enttäuscht, nur Streben zuschneiden, ist nicht das was er von einem Praktikum erwartet hatte.

      Erst nach einer Woche, nachdem er hunderte von Streben zugeschnitten, verputzt und hunderte von Löcher gebohrt hatte, wird er aus der Abteilung für mechanische Bearbeitung, in die Abteilung für die Aussenverkleidung versetzt.

      Da lernte er mit Stoff umzugehen. Doch richtig interessant wird das Praktikum erst, als er in die Motorenwerkstatt verlegt wird. Endlich kann er das Herz eines Motors sehen. Einer der Motoren ist komplett zerlegt. Man ersetzt die alten Kolbenringe. Auch die Lager wurden ersetzt und mussten neu eingeschabt werden. Ein heikle Arbeit, welche nur von Spezialisten ausgeführt wird, aber er kann ihnen zumindest über die Schulter schauen und ihnen die Werkzeuge reichen.

      Eine Woche später ist der Motor wieder montiert und auf dem Prüfstand bereit zum testen. Das ist für Willi sehr interessant. Jetzt kann er sich mit seiner Mathematik und seinen Berechnungen nützlich machen. Denn es zeigte sich, dass die Mechaniker gute Praktiker sind, aber von Mathe eher wenig verstehen. Der Motor würde auch ohne die Unterstützung von Willi für gut befunden. Die Leistungsdaten überzeugten den Ingenieur, dass der Motor nun wieder in Ordnung ist und im Luftschiff eingebaut werden kann.

      Für den Probeflug wurde es noch eng. Erst eine Wochen vor Ende des Praktikums ist das Luftschiff für den Probeflug bereit. Vorsichtig wird der Riese aus der Halle auf das Vorfeld geschoben. Sicher vertäut werden die letzten Arbeiten ausgeführt. Ein Fotograf macht Aufnahmen für den Führer, auf denen das Hakenkreuz gut zur Geltung kommt.

      «Einsteigen!», verkündet der Kapitän.

      Endlich ist es soweit. Willi besteigt das startbereite Luftschiff. Man weist ihm ein Fensterplatz zu, auf den er sich setzen kann. Von der dritten Reihe aus, kann er genau beobachten, was die Besatzung für Handgriffe tätigt und auch die Kommandos kann er gut hören. Die Motoren wurden gestartet und der Koloss setzt sich in Bewegung.

      «Ballast abwerfen!»

      Nun hebt das Luftschiff ab, sie schweben über dem Platz und langsam gleiten sie in Richtung See. Friedrichshafen wird immer deutlicher sichtbar. Willi ist von der Vogelperspektive begeistert. Er drückt die Nase an der Scheibe platt, wie damals, als er das erste Mal mit der Eisenbahn nach Kassel fuhr.

      Die folgenden Stunden wird er wohl nie vergessen. Sie lassen den Bodensee hinter sich und