Wolf Wrobel

Hinter Der Bühne


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      Ein kleines Lexikon der Musical- und Theaterwelt

      (nur das Wichtigste)

      Audition:

      Ein Vortanzen, Vorsingen und/oder Vorspielen für eine Position in einem Stück.

      Callback:

      Termin, den man nach einer erfolgreichen Audition bekommen kann um seine Fähigkeiten in der engeren Aus-wahl zu zeigen.

      Stage Manager:

      Auf Deutsch auch Inspizient genannt, ist er für alles was auf der Bühne stattfindet verantwortlich. Er ruft die Darsteller zu Proben und Szenen ein und gibt Zeichen für Technik und Licht während der Vorstellung.

      Company Manager:

      Für alles zuständig, was die Darsteller betrifft. Auf Deutsch: Leiter des künstlerischen Betriebsbüros.

      Dresser:

      Ankleider. Sie helfen bei schnellen Umzügen und kümmern sich um das Wohl der Kostüme.

      Dance Captain:

      Verantwortlich für die Beibehaltung der Choreographie während der Spieldauer und für die Einstudierung von neuen Besetzungen, falls Choreograph und Assistent nicht anwesend sind.

      Cover:

      Oder Zweitbesetzung, je nach Vertrag. Ein Cover springt im Notfall in die vorgesehene Rolle ein.

      Swing:

      Ein vielseitiger Darsteller, der bei Bedarf verschiedene Positionen oder Rollen übernehmen kann.

      Monitor:

      Lautsprecher auf, oder in der Nähe der Bühne, damit man auf der Bühne das Orchester und andere Darsteller besser hören kann. Teilweise werden sie auch schon als kleine Kopfhörer (In ears) eingesetzt.

      Staging:

      Wie genau eine Szene auf die Bühne gebracht wird. Mit Gängen und Bewegungen der Darsteller. Damit wird festgelegt, was zu welcher Zeit, wo auf der Bühne stattfindet.

      Zeittabelle Herr der Ringe

      16.03.98 Audition in Berlin

      30.04.98 Mein Callback

      21.05.98 Vorvertrag

      11.06.98 Vertrag

      31.08.98 Probenbeginn in der Freien Volksbühne

      02.10.98 Diskussion umausstehendes Gehalt und gestatteter Streik-Probentag

      08.10.98 Erste verspätete Zahlung (Aug.+Sept.)

      03.11.98 Zweite verspätete Zahlung (Okt.)

      05.11.98 Vertraglicher Premierentermin

      10.11.98 Treffen der Abteilungsleiter zur Besprechung des Premierentermins (26.11.98)

      17.11.98 Erster Probentag im Zelt

      21.11.98 Gesicht ‘98

      24.11.98 „Öffentliche Probe“- Das „Event“

      26.11.98 1. Verschobener Premierentermin

      27.11.98 Eingang des falschen Gehaltes auf meinem Konto

      03.12.98 2. Verschobener Premierentermin (blieb aber intern)

      08.12.98 Erste Voraufführung

      11.12.98 Premiere

      31.12.98 Die ersten Darsteller verlassen die Show durch Kündigung

      04.01.99 Erste Abmahnung (Grober Verstoß gegen die Hausordnung)

      07.01.99 Anhörung wegen erster Abmahnung und Rücknahme derselben

      29.01.99 Ankündigung, dass die Januar-Gehälter am 1. Februar auf unseren Konten eingehen „sollen“

      31.01.99 Die Choreographische Assistentin wird auf einer Ensemblefeier gefeuert.

      03.02.99 Krisensitzung im Hinterzelt mit verspätetem Eintreffen der neuen Geschäftsführung

      17.02.99 Meine 2. Abmahnung (Handeln gegen die Interessen der Gesellschaft)

      26.02.99 Meine fristlose Kündigung per Fax

      04.03.99 Bedrohung per Fax und Telefonanruf

      25.03.99 Rücknahme meiner 2. Abmahnung mit Entschuldigung

      03.04.99 Letzte Vorstellung von „Herr der Ringe“

      Das erste Kapitel

      Es sollte einem doch zu denken geben, wenn am Tag der Premiere eines Stückes in einem Zelt sich der gefühlt kälteste Tag des Jahres mit -11°C „einschmeichelt“, dann kurz vor Beginn der Strom ausfällt und sich eigentlich alles auf‘s Heftigste weigert, diese „Show“ über die Bühne gehen zu lassen.

      26. Februar 1999

      Die Frau am anderen Ende der Leitung lachte. „Normalerweise freuen sich die Leute, wenn Geld auf ihrem Konto eingeht“. Die Bankangestellte schüttelte wahrscheinlich den Kopf als ich mich fluchend, herzlich bei ihr bedankte und seufzend auflegte.

      Verdammt! Dabei hätte es so einfach sein können. Diese Produktion lässt einen einfach nicht zur Ruhe kommen. Das fünfte Mal wäre mein Gehalt zu spät, oder falsch überwiesen worden, und das gäbe mir das erneute Recht, nach diversen, wiederholten Abmahnungen, fristlos zu kündigen.

      Kündigen, endlich kündigen …

      Nicht mehr in diesem Chaos spielen zu müssen. Kein flaues Gefühl mehr in der Magengegend, wenn man nur den Bus zur „Arbeit“ besteigt. Sich nicht mehr herausreden zu müssen, wenn man gefragt wird, was man denn „gerade so macht“. Die beste Ausflucht ist: „Ich bin Schauspieler.“ Damit hofft man, dass die Sache gegessen und man vom Antworten erlöst sei. Mit „Ich bin Musicaldarsteller“ wertet man sich leider ab, da tatsächlich viele Menschen nicht nur in unserem Metier denken, ein Musicaldarsteller sei kein richtiger Sänger – Tänzer eigentlich auch nicht und Schauspieler erst recht nicht. Er kann von Allem ein bisschen, aber Nichts richtig! So haben wir Musicaldarsteller durch Casting Agenturen und Auditions einen Stempel und eingebauten Minderwertigkeitskomplex verpasst bekommen.

      Dann kommt aber noch: „Und wo spielen sie zur Zeit?“ Jetzt bleibt einem nichts weiter übrig als „Ach, momentan bin ich gerade frei!“, oder „Mal dies, mal das, nichts Festes!“ Peinlich.

      Das Schlimmste aber ist, dass jeder, der einen kennt, feststellt, wie sehr man sich verändert hat. Wie sehr man gealtert ist und wie wenig Freude man noch ausstrahlt. Und wenn selbst die eigene Freundin nicht mehr weiss, wie sie mit einem umgehen soll, dann wird es Zeit Konsequenzen zu ziehen!

      Meine Laune und mein Leben hatte sich gewaltig geändert – dieses Mal ausnahmsweise zum Positiven – als ich die Entscheidung traf zu kündigen. Eine Felswand krachte von meinen Schultern. Eigentlich fiel sie erst gerade eben, denn meine Kündigung ist im Moment durch das Faxgerät gelaufen. Es tut gut, wieder aufrecht gehen zu können.

      Dabei wurde angekündigt, dass auch diesen Monat die Überweisungen leider wieder zu spät sein werden, mit dem Anhang einer Entschuldigung der Buchhaltung. Als ob das noch nie vorgekommen wäre.

      Man kann sich auf nichts verlassen. Vor allem nicht auf Dinge, die einem Vorteile brächten. Man fühlt sich wie in einem schlechten Alptraum. So frei nach dem Motto: „Welcome to FANTASY MUSICAL PRODUCTIONS, where your worst dreams come true, and even some you haven‘t thought of!“ Wenn man denkt, schlimmer kann es ja nicht kommen, hat man sich getäuscht; es kommt garantiert noch schlimmer. Aber Respekt, bisher war die Spannbreite schon enorm. Und schließlich ist man nur noch damit beschäftigt, mental am Leben zu bleiben und einen Weg zu finden, aus dem Schlamassel herauszukommen.

      So etwas sollte nicht wieder passieren und