Wolf Wrobel

Hinter Der Bühne


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      Zurück zum „Ring der Macht“: In diesem recht erfrischenden Staging sollten drei Zauberer aus verschiedenen Richtun-gen „höchst dramatisch“ auf den Tisch hinzu schreiten und mit ihm die zwei Meter in die Höhe fahren. Es ergab eine sehr eigene Klangkulisse, zusätzlich zur Musik. So ein beunruhigendes Brummen und Zischen. Aber es wurde ja auch mit „spektakulären Spezialeffekten“ geworben.

      Wir probten natürlich auch eine zweite Version des Finales, da am 21. November, also 4 Tage später, ein Promotion-Auftritt beim „Gesicht ’98“ einer Model-Casting Veranstaltung, in unserem Zelt anstand. Die eigentliche Änderung bestand darin, dass statt der drei Zauberer, Rosie Hüttinger, die Hauptdarstellerin, während sie sang, auf diesem Tisch gen Fantasy-Himmel gefahren werden sollte, was zugegebenermaßen sogar ein wenig spektakulär wirkte.

      Nun wurde uns allerdings am Samstag, dem 21. November gesagt, wir dürften den Tisch nicht benutzen, da er bei der TÜV-Abnahme am Vortag leider vergessen worden sei. Der aufmerksame Leser sollte hier schon stutzen. Es wurde also auf einem Gerät geprobt, das noch nicht vom TÜV abgenommen war. Das wäre ja eigentlich nicht so schlimm gewesen, wenn wir am nächsten Tag, einem Sonntag, nicht schon wieder lustig auf dem Tisch weiter geprobt hätten. Meine Frage an das Stage Management und die Company Managerin ob inzwischen der Tisch abgenommen sei, wurde relativ hektisch mit einem „natürlich“ quittiert. Das sei alles erledigt, keine Sorge!

      Hmmm … keine Sorge?

      Der TÜV ist eine deutsche Organisation. Wie kommt es dann, dass an einem Samstagabend bei einer Veranstaltung nicht darauf gespielt werden durfte, allerdings am Morgen darauf gegen 10 Uhr, an einem Sonntag, im deutschen Berlin, der Tisch plötzlich abgenommen war? Die Wege des TÜV sind wohl unergründlich. Sehr fleißige Leute arbeiten da. Überstunden, wo es nur geht.

      Aber es gab auch positive Ereignisse während der Proben. Nicht viele, aber das Highlight war ein unglaublich großer, mit viel Liebe ausgestatteter „Care-Korb“ komplett mit Tee- und Kaffeekannen, Schokolade, Vitamintabletten und Bonbons, Obst, Keksen und allem, was das müde, durchfrorene Herz eines „Zelt-Sklaven“ brauchte. Und natürlich kam es nicht von der Produktion, sondern von der Freundin eines unserer Hauptdarsteller. Marion rettete uns an diesem Tag das Leben.

      Ensemble-Uneinigkeiten

      Ein Ensemble von 30 Künstlern kann sehr viel Einfluss haben. Im positiven Sinne. Aber nur unter einer Voraussetzung: Es muss zusammenhalten. Wir haben das natürlich nicht getan. Oder nur sehr begrenzt.

      Es kamen nicht alle zu Ensembletreffen, um wichtige Entscheidungen zu fällen und es gab ein verbreitetes, scheinbares Desinteresse an solchen Entscheidungen. Man will sich damit nicht herumschlagen, es ist nervig, kostet Zeit, die man viel besser im Café verbringen kann und es kommt ja sowieso nichts dabei heraus. Jedoch mehrten sich die Stimmen, die den Regisseur und die Produktionsleitung immer weniger ertragen konnten.

      Selbstverständlich gab es Leute, die Angst davor hatten, zusammen und geschlossen positiven Druck auszuüben. Genauso gab es einzelne, die ihre eigenen Interessen verfolgten, anstatt die der anderen wahrzunehmen. Macht ist ein sehr gefährliches Instrument. Und viele, die lernen es zu spielen, legen es schließlich sehr ungern aus der Hand.

      An alle Darsteller:

      Zu Euerem Schutz und dem Eures Arbeitgebers. Haltet zusammen, wählt vertrauenswürdige, diplomatisch begabte Ensemblesprecher. Und vor allem: Besorgt Euch einen rechtlichen Berater! Am besten einen Rechtsanwalt. Ja, ich weiß, das klingt hart, aber wenn man seine Rechte kennt, auch seine Pflichten und die besonderen Bedingungen und Umstände, die nur ein Rechtsanwalt kennen kann, lebt man um einiges sicherer und, vor allem anderen, bewusster und sorgenfreier.

      Künstler wollen mit so etwas natürlich nichts zu tun haben. Aber auf diese Weise kann man Probleme im Voraus sehen und vermeiden. Und natürlich: Entscheidungen treffen, die auf den ersten Blick unmöglich scheinen, aber doch rechtens sind. Kurz um:

      Informiert Euch. Auch wenn es unangenehm ist, bevor Ihr impulsive Entscheidungen trefft, oder Zustände ertragt, die Euch auf Dauer zerstören. Das ist es nicht wert.

      Gesicht ‘98, der 21. November 1998

      Die Veranstalter werden sich ziemlich geärgert haben, da die Veranstaltung schon am 8. November stattfinden sollte, aber bei „uns“ hatte sich ja einiges verzögert. Wir konnten uns beschweren und es passierte natürlich nichts. Aber hier hatte ja eine Firma alles gemietet und bezahlte wohl nicht zu knapp dafür. Das muss richtig Ärger gegeben haben, da alles verspätet und nicht fertig war.

      Es war ein trauriges Bild. Das Zelt war zwar einigermaßen dekoriert und sogar die „Adventure-Plätze“ wurden aufgebaut, obwohl sie nicht erlaubt waren. Aber kümmerte das jemanden? Man hatte die Plätze doch verkauft, also muss man sie auch aufstellen. Man platzierte einfach ein paar Plastikstühle und dahinter eine Abdeckung, die so aussah, als sei sie aus Stein. Von der Seite, die nicht kaschiert war, sah man sofort, dass es eine sehr billige Lösung war. Adventureplätze sollten spezielle Plätze sein, die ganz nahe an der Bühne die Möglichkeit geben sollten, die Zuschauer eng in die Show einzubinden. Was später außer ein paar Wasserspritzern und einer kleinen Konfettibombe kaum passierte. Wenn, dann nur durch die Initiative der Darsteller. In der Spinnenszene wurden zwei Zuschauer auf die Bühne geholt und leicht gefesselt. Äußerst spannend!

      2 Artisten knüpften tagelang an einem Spinnennetz, das allerdings mangels Regie und auch da es keinerlei Aufhängemöglichkeit in der Kulisse gab, niemals zum Einsatz kam.

      Doch Zurück zum „Gesicht“:

      Die Mädchen und Jungs dieser sehr „jugendlich“ angehauchten „Gesicht“-Veranstaltung, die mit großen Erwartungen teilnahmen, hielten sich im hinteren Teil des Zeltes auf. Das war zwar durch einige Lüfter geheizt, aber nicht genug um halb nackte Teenager vor der winterlichen Kälte zu schützen, die man sehr deutlich durch ein leichtes Anheben der ein-fachen Zeltwand fühlen konnte. Die armen Kids wurden in einem unglaublichen Ton herum kommandiert, durch die Bühnenproben gescheucht und im Hinterzelt eingepfercht um dort von tausenden von Stylisten bearbeitet zu werden.

      Und wo war das Herr der Ringe-Ensemble? Wir, über 30 Darsteller, bekamen, nachdem wir seit 12 Uhr mittags im Zelt waren, einen Container zugewiesen. Dieser reicht platzmäßig mit Kostümen für ca. vier Leute aus. Auch wurde uns explizit gesagt, nicht an das Catering der Models zu gehen. Was sind wir auch für Geier. Und so warteten wir frierend auf unseren Auftritt; und nach einem langen Probentag auch auf ein wenig Nahrung. Man durfte ja nicht einfach gehen und etwas in einem Restaurant in der Nähe essen, denn es war „Standby“. Was soviel heisst wie: Es geht jede Sekunde los und dann wollen wir Euch nicht suchen müssen.

      Aber wer friert braucht kein Essen. Das ist ein Zeichen der Schwäche. Ein richtiger Profi friert nicht! Und hat vor allem keinen Hunger.

      Warum wir froren? Die Heizung fiel mal wieder aus. Denn diese war für so ein großes Zelt ohne richtige Isolierung unterdimensioniert und wenn die Küche im Vorderzelt, das sollte das Foyer und der Einstieg in die Fantasywelt sein - wo es sogar auch einen eigenen VIP-Bereich gab, zu kochen begann, flog die Sicherung ‘raus.

      Aber ich denke, wir froren, dadurch dass wir uns nicht hinsetzen konnten wohl nicht so sehr wie das arme Publikum, das still sitzen und alles über sich ergehen lassen musste. Einer unserer Stage Manager hatte schließlich Erbarmen mit uns und bestellte gegen 22.00 Uhr Pizza. Später erfuhren wir, dass er das Geld, das er dafür auslegte, nie von der Produktion wiedergesehen hatte. Er hatte sich lange bemüht.

      Auch dieser Abend dauerte lange!

      Andrea Thilo bemühte sich sichtlich ihn zu moderieren und war, als es vorbei war sicher froh, dass sich alle recht schnell aus dem Staub machten, um sich irgendwo aufzuwärmen. Es war einfach zu kalt. Und das sprach sich natürlich herum. Die Presse war keines guten Wortes Herr. Und das, wie dann schließlich auch bei den Premierenkritiken, völlig zu Recht!

      Ich habe noch nie