Harald Heinz

DER HAUSFRAUENMANN


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Leidenschaft geblieben?“ doch dann schob sie das Thema beiseite. „München," vorsichtig legte sie ihren Lidschatten auf, "München ist meine Chance."

      In den sechs Wochen, die sie jetzt wieder bei „Pub-Re-Solution“ arbeitete, hatte sie alle Skepsis und Zweifel, die ihr nach dem langen Zwangsurlaub entgegen geschlagen waren, mit großem Ehrgeiz und unbändigem Willen ausgeräumt, und dass ihr Chef sie nun zu diesen Verhandlungen allein nach München schickte, war ein Ausdruck des Vertrauens, das er in ihre Fähigkeiten setzte.

      "Aber das ist erst der Anfang, meine Liebe," sie wählte ein kräftiges Dunkelrot für ihre Lippen, das gut zu ihrer blonden, kurzen Frisur passte, "Dein Weg führt steil nach oben." Sie wusste dass er steinig würde, aber das sollte sie nicht abhalten. Sie wollte mehr. Sie wollte unabhängig sein. Sie wollte ihr eigener Chef sein. Sie wollte die Macht.

      Sie presste die Lippen aufeinander, um den Lippenstift gleichmäßig zu verteilen, und betrachtete sich im Spiegel, "Tja, mein kleiner Grafiker," sprach sie zu Florian, der davon nichts mitbekam, da er geduldig in der Küche an dem gedeckten Frühstückstisch auf sie wartete, "es ist nicht leicht, mit einer Erfolgsfrau verheiratet zu sein."

      Es lag kein Mitleid in ihren Gedanken.

       Szene 8

      "Eigentlich wollte ich heute Abend in die Mansarde, muss ich dann eben verschieben, so um halb acht bei Rolf?"

      "Das ist zu früh, Charlotte ist in München und Miri muss erst einschlafen, um neun?"

      "Na gut, is ein bisschen spät, aber höchstens ne Stunde."

      Florian legte zufrieden auf, er würde Charlottes Abwesenheit nutzen, um mal wieder einen Abend mit Bernd in seiner Stammkneipe verbringen zu können.

      Vergnügt schlug er die Eier in die Schüssel, Omelett mit Marmelade hatte er für das Abendessen auserkoren.

      "Wann holen wi die Mami ab," Miriam saß auf dem Küchenschrank und schaute ihm neugierig zu.

      "Die Mami kommt heute nicht nach Hause, die Mami ist in München," mit einem Schwung setzte er die Pfanne auf den Herd, "heute Abend machen wir zwei es uns in der Küche bequem, und dann geht es ab ins Bett"

      "Nein, nich in Bett, ich wate auf die Mami."

      "Aber die Mami ist in München, die Mami kommt erst morgen wieder, aber ganz, ganz spät."

      "Wo is die Munchen?"

      "München ist eine große Stadt, ganz im Süden, noch viel, viel weiter als die Omi wohnt," vorsichtig goss er den Teig aus dem großen Schöpflöffel in die Pfanne, scharf zischend sprangen Tropfen des Öls auf den Herd.

      "Mia est ins Bett, wenn die Mami kommt."

      "Die Mami kommt heute nicht und die Mira geht nach dem leckeren Pfannkuchen ganz schnell ins Bett," er versuchte bestimmt zu klingen, hob sie von der Anrichte und setzte sie in ihren Kinderstuhl an den Küchentisch.

      "Und jetzt zeigt der Papi Dir ein Kunststück." Er griff die Pfanne, schwang sie ruckartig nach oben, stoppte, das Omelett wirbelte in die Luft, sauste knapp an seinem Ausgangspunkt vorbei in die Tiefe und landete zerplatzend auf dem Fußboden. Miriam klatschte in die Hände: "Noch mal, Papi, noch mal!" Um Viertel nach acht konnte er endlich das Licht im Kinderzimmer löschen. Den zweiten Pfannkuchen hatte er, sich der Aufforderung seiner Tochter widersetzend, vorsichtig mit einem Teller gewendet und ihn ihr, inzwischen leicht nervös, in kleinen Happen in den Mund gestopft. Miriam hatte, um das Schlafengehen zu verzögern, nach jedem Bissen gefragt, "wo is die Mami," um sich dann selbst die Antwort zu geben: "Die Mami is in Munchen."

      Er würde noch 10 Minuten warten müssen, bis sie einschliefe, und so schlenderte er ins Atelier, um sein OEuvre zu betrachten.

      Drei Äpfel, die wenigen, welche die Qualifikation halbwegs bestanden hatten, hingen unter Schillers Satz: "Niemandes Knecht und keinem Herr."

      Eine angefangene Stirnpartie, die er wegen mangelnder Geduld seiner Tochter hatte abbrechen müssen, stand auf der Staffelei und wartete seit einer Woche auf ihre Vollendung. Nicht viel, für nun fast eineinhalb Monate, aber jeden aufkommenden Zweifel an seinem Talent schob er schnell beiseite. Er spürte plötzlich den Wunsch nach einer Zigarette.

      "Mia," wie ertappt fuhr er herum, "kann nich schlafen, lies Mia was vo, Papi." Seine Augen flackerten kurz, dann hatte er sich wieder in der Gewalt.

      "Na gut, mein Schatz," er versuchte so ruhig wie möglich zu wirken, "was möchtest Du denn hören."

      "Die Geschichte vom dicken, fetten Pfannkuchen.“

      Florian schmunzelte und stapfte mit ihr ins Kinderzimmer.

      Seine Unruhe übertrug er beim Lesen auf Miriam, die immer munterer wurde. Er fragte sie alle fünf Minuten, ob sie jetzt denn müde sei, was seine Tochter mit einem vergnügten, "nein, Mia nich müde," beantwortet und seine Nervosität steigerte, bis ihm endlich ein Trick einfiel. Er ging zu einer ganz langsamen, leisen und monotonen Sprechweise über. Mit Erfolg.

      Um Viertel nach neun schloss er behutsam die Wohnungstür, nicht frei von Skrupel, sie alleine zu lassen, setzte sich wegen der Verspätung in den Passat und fuhr zu seiner Verabredung.

      "Ich wollte gerade wieder gehen," Bernd schaute ihn missbilligend an, es war fast halb zehn. „Wann schaffst Du Dir endlich ein Handy an?“ „In diesem Leben nicht mehr.“

      Inga saß bei ihm am Tisch: "Bernd hat mir erzählt, was Du riskiert hast, das finde ich ja ungeheuer geil," Florian mochte sie nicht, sie meinte alles besser zu wissen und überall mitreden zu können, "ich hab auch schon überlegt, den ganzen Scheiß hin zu schmeißen und mich meinem künstlerischen Talent zu widmen, und das werde ich auch. Du reißt Dir für die Firma den Arsch auf, aber selber haste nichts davon, das ist doch total beschissen." Sie war Sekretärin in einer Ex- und Importfirma, und Florian hatte nicht die geringste Ahnung, wo ihr künstlerisches Talent lag, vielleicht im Blockflöte spielen oder beim Sticken von Landschaften. Er verzichtete auf eine Anspielung und wandte sich an Bernd: "Und?"

      "Na ja, es geht so, und bei Dir?"

      "Bis jetzt alles wunderbar. Ehrlich. Es läuft nicht schlecht. Morgen muss ich schon wieder neue Leinwände kaufen." Er wischte mit der rechten Hand imaginären Schmutz vom Tisch und dachte an seine Äpfel, "wie läuft es denn in der Firma, kommst Du mit dem Neuen klar?"

      Bevor Bernd antworten konnte, plapperte Inga wieder los: "Hast Du Dich denn schon um eine Ausstellung gekümmert, ich kenn da einen Galeristen, mit dem war ich mal kurz, na ja, eben so, mit dem könnte ich Dich mal bekannt machen, der ist immer an neuen Malern interessiert, wenn Du willst, null Problem." Sie grinste ihn Beifall heischend an.

      "Danke, aber ich habe schon einen." Florian wollte mit Bernd reden.

      "Wirklich? Das haste mir ja noch gar nicht erzählt," Bernd glaubte ihm, im Gegensatz zu Inga, die ihn misstrauisch anschaute.

      „Äh, ist ja erst seit gestern," er beugte sich zu Bernd, "aber jetzt erzähl Du mal."

      Sie vertieften sich in die Firma. Inga versuchte noch 2 oder 3 Mal sich einzumischen, merkte dann aber, dass sie überflüssig war und mit "ich muss dem Fred da drüben mal Guten Tag sagen," war sie weg.

      "Der Fischer, Dein Nachfolger, also der geht mir unheimlich auf den Sack, aber wirklich," er würde ihn ständig kontrollieren, mit der Stoppuhr herumlaufen, prüfen, wie lange sie an den einzelnen Aufträgen säßen, alles würde protokolliert und analysiert, man käme sich vor, wie in einem Überwachungsstaat, "is keine gute Stimmung mehr, wirklich, bei Dir war es tausendmal besser," Florian nahm dies wohltuend zur Kenntnis, "aber der kriegt noch Ärger mit mir, das lass ich mir nicht mehr lange gefallen, aber wirklich." Er schaute auf die Uhr. Florian bestellte den zweiten Bordeaux und lenkte das Gespräch auf seine Malerei.

      Aber seine Euphorie über seine Unabhängigkeit und seine Freiheit verlor sich rasch, und er kam ins Klagen: "Wer kann denn schon morgens zwischen neun und eins künstlerisch arbeiten, da fällt mir einfach nichts ein, ist doch auch logisch, oder? Und nachmittags muss ich mich um Mira kümmern, also bis jetzt...."