Isabella Kniest

In Your Arms


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Mama gluckste. »So einen Ausdruck hab ich ja noch nie gehört.«

      Ich errötete.

      Mein Wortschatz, meine Gefühle, mein Auftreten hatten durch Jan eine Hundertachtzig-Grad-Wendung vollzogen.

      Meine Seelenhälfte hatte etwas in mir erweckt, das jahrelang ungeduldig darauf gewartet hatte, in Erscheinung treten zu dürfen. Nun hatte es seine Flügel ausgebreitet – mit dem einzigen Ziel: die rechte Gelegenheit abzupassen, um abzuheben und dem Leben entgegenzusegeln. Einem Leben, welches gekennzeichnet war von gegenseitigem Respekt, zärtlicher Liebe und verwichenen Werten.

      …

      Aber gleichwohl ich nichts lieber tat, denn mich mit Jan auf diese kostbare Weise zu unterhalten, musste ich mich langsam vorsehen. Ein falsches Wort zur falschen Zeit – und ich machte mich zum größten Gespött.

      Räuspernd wich ich aus. »Wie mir scheint, bist auch du viel fröhlicher.«

      »Das liegt an meiner guten Nachricht.«

      »Die du mir nicht sagen willst.«

      Sie lachte. »Ganz genau!«

      Und ich gähnte. »Dann haben wir morgen ja viel zu bereden.«

      »Was soll ich denn kochen?«

      Grinsend richtete ich mich auf. »Du kennst mich doch. Ich habe keine Ahnung … Aber warte! …«

      In der Vergangenheit hatte sie mich des Öfteren angerufen und gefragt, was sie kochen sollte. Und jedes Mal hatte mir nichts Vernünftiges einfallen wollen.

      Nicht so heute.

      »Wie wäre es mit einem Burger? Dinkelbrötchen, Hühnerfleisch, Cocktailsoße, Eissalat und Rucola – schmeckt gut und braucht nicht lange. Und wenn du mehrere davon machst, hättest du auch noch welche fürs Abendbrot.«

      »Hey, das klingt gar nicht mal schlecht … Ich werde darüber nachdenken.«

      Und Jan bekäme eine Portion, ohne Mama über seinen Besuch in Kenntnis setzen zu müssen …

      Die mir bis vor vorhin noch gnädig gewesene Müdigkeit nahm allmählich an Kraft zu. Sie drückte meine Lider nach unten, brachte meine Augen zum Brennen und schickte mir dieses kuschelig-schwere Gefühl der Ermattung in die Glieder.

      Ich schaute zur kleinen goldenen mir zwanzig Uhr fünfundvierzig anzeigende viereckige kleine Tischuhr, welche ich auf der rechten Bürotischseite platziert hatte. »Ich glaube, es ist besser, wenn wir aufhören. Ich bin schon ungemein müde. Die Gewitter, welche da die letzte Zeit durchziehen, machen mich ganz schön fertig.«

      Wetterfühligkeit quälte mich mittlerweile seit einem Jahrzehnt. Einst noch recht selten hatten Beschwerden wie Müdigkeit und leichte Kopfschmerzen sich in den darauffolgenden Jahren stetig erhöht.

      Die teils heftigen Gewitter der letzten zwei Tage – selbst mit Hagel und Orkanböen hatte Klagenfurt erneut vorliebnehmen müssen – hatten an meinen Kraftreserven jedoch um einiges beträchtlicher genagt, denn üblicherweise … Nun … womöglich trugen auch Jans und meine bis in die Nacht angedauerten Telefongespräche eine Mitschuld. Schlief ich für gewöhnlich um zwanzig Uhr dreißig längst tief und fest, hatte ich in den letzten Tagen kein einziges Mal vor zweiundzwanzig Uhr die Augen zugemacht.

      »Mir gehts nicht anders«, erwiderte meine Mutter. »Morgen sollen auch Regenschauer durchziehen. Vielleicht liegt es ja daran.«

      Hoffentlich nicht weitere Gewitter! Jan sollte sich nicht neuerlich dergestalt arg fürchten müssen. Andererseits fand ich seine sanfte Ängstlichkeit überaus niedlich. Seine nackte Panik war es, welche mir das Herz selbst jetzt zusammenzog …

      Aber wie auch immer das Wetter morgen werden würde, wenigstens musste Jan sich in Seedorf nicht mit Gewittern herumplagen. Laut seiner Erzählung wurden sie dort zwar öfters von Starkregen heimgesucht – von Blitz, Donner und Hagelstürmen hingegen waren sie in den letzten Jahren durchwegs verschont geblieben.

      »Ja, bestimmt liegt es daran.« Ich stand auf, trat zum Fenster und ließ das Rollo hinunter. »Dann sehen wir uns also morgen. Sollte etwas dazwischen kommen, gib mir einfach Bescheid.«

      »Mach ich«, antwortete sie. »Also dann … bis morgen, Schätzchen. Und fahr langsam.«

      Lächelnd aktivierte ich die Farbwechsellampe. »Das tue ich doch immer … Und grüß Papa von mir.«

      »Werde ich. Schlaf gut.«

      »Du auch.«

      Ich legte auf – und rief sodann Jan an.

      Kapitel 33 – Ein alter Anzug

      Die schräg einfallenden Strahlen der untergehenden Sonne ließen die Berggipfel erglühen.

      Sie erinnerten Jan an Lizas errötende Wangen, an ihre Lippen, an ihre Körperwärme …

      Der durch die sanfte Schwüle bedeutend intensiver duftende würzige Geruch der nah und fern wachsenden Gartenkräuter vermischt mit dem süßen Aroma des Waldes, der Wiesen und der Felder, brachte der liebliche Wind von seiner Reise über die Berge und das Land mit. Er umwehte das Hotel, spielte mit Jans Haaren und sauste dann weiter Richtung Hauptbahnhof. Letzte Bienen und Hummeln machten sich brummend und summend auf den Weg nach Hause. Vereinzelte Schmetterlinge suchten sich ein Quartier für die Nacht.

      Jan liebte es, nach getaner Arbeit im Hotelgarten auf der verwitterten rauen Holzbank zu sitzen, dem Abendkonzert der Waldvögel zu lauschen und den Tag damit gebührend ausklingen zu lassen.

      Sein Blick glitt über die unzähligen blühenden Heilkräuter, die sich nebeneinander aufreihten und ihre schlanken, buschigen und stacheligen Ranken, Blätter und Zweige eifrig gen Himmel streckten – als versuchten sie, die Schäfchenwolken oder Sterne zu berühren.

      Der auf der Hinterseite liegende Garten bestach weder durch Größe noch durch Ordnung. Doch genau darin lag sein unverwechselbarer Charme. Jan und Christof jäteten zwar ab und zu, zerdrückten Läuse oder schnitten zu wild wuchernde Pflanzen zurück – im Großen und Ganzen ließen sie der Natur jedoch freien Lauf. Dies wiederum dankten ihnen nicht bloß die üppig gedeihenden Pflanzen, sondern ebenso deren Mitbewohner.

      Marienkäfer, Bienen, Schmetterlinge, Vögel, Würmer, Spinnen – sie alle genossen den duftenden Kräutergarten und hielten Schädlinge weitestgehend in Schach – einzig Ameisen und Läuse schienen allzeit einen Weg zu finden, um sich rasend schnell zu vermehren und die prachtvollen Rosen zu belagern.

      Der Gesang der auf der Suche nach einem letzten Abendmahl in der angrenzenden Wiese herumspringenden Amseln zauberte Jan ein Lächeln ins Gesicht.

      Wenn es das Paradies tatsächlich gab, dann musste es ein Kräutergarten sein …

      »Jan!« Tinas fröhlicher Ausruf seines unbedeutenden Namens zerschnitt die abendliche Ruhe. »Hast du ein bisschen Zeit?«

      Er blickte zu ihr hoch.

      Ein bezauberndes Lächeln ließ die Braut erstrahlen.

      »Aber gewiss doch.« Sachte tätschelte er die Holzbank, oder besser gesagt: den freien Platz neben ihm. »Geselle dich zu mir.«

      Ein ihm Gänsehaut auslösender Schelm blitzte in Tinas Augen auf. »Du redest nicht mehr wie ein alter Opa … du redest wie irgendjemand aus Zeiten der industriellen Revolution.« Ihr Blick intensivierte sich sekündlich. »Liegt das etwa an Liza?«

      Er schluckte.

      War es wahrhaftig derart offensichtlich?

      »Ja … ich vermute schon.«

      Seitdem er und Liza sich ihre Liebe gestanden hatten, fielen all diese wunderbaren Ausdrücke ihm förmlich aus dem Mund. All die Begriffe, welche er in seinem Roman verwendet hatte – Begriffe,