Irene Dorfner

Tödliche Vetternwirtschaft


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Burgmeister nun wieder lauter und regte sich gleich wieder auf.

      „Wir denken überhaupt nichts. Um wen handelt es sich bei diesem sogenannten Freund?“

      „Ein Hotelier aus Mühldorf, der Name dürfte für Sie nicht relevant sein.“

      „Christian Huber?“

      „Ja verdammt, es ist Christian. Woher sind Sie eigentlich so gut informiert? Ich dachte bisher, dass es mit unserer Polizei nicht weit her ist, Sie überraschen mich wirklich. Christian und ich sind schon seit vielen Jahren im selben Golfclub. Er aktiv, ich nur noch passiv. Trotzdem kennen wir uns schon seit Jahren, beruflich und privat.“

      „Sind Sie bereits im Besitz aller erforderlichen Grundstücke für diesen Freizeitpark?“

      „Nein. Einzelne Besitzer sträuben sich noch, aber das dürfte nur eine Frage des Preises sein. Jeder hat seinen Preis, glauben Sie mir. Sobald das erledigt ist, folgt die Eingabe an die Behörde und dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der erste Spatenstich erfolgen kann. Das wird groß in allen Medien aufgezogen. Ich sehe die Schlagzeilen schon vor mir: Neuer Freizeitpark in Altötting! Das wird die Sensation!“ Jetzt rieb sich Burgmeister begeistert die Hände und lachte wie ein Schuljunge. „Deshalb wäre es fatal, wenn vorher Informationen durchsickern, die nicht nur das Projekt gefährden und den Gegnern genug Zeit geben, sich zu organisieren, sondern auch die Grundstückspreise in astronomische Höhen treiben. Das darf einfach nicht passieren, deshalb bitte ich Sie nochmals, Stillschweigen zu bewahren, um das Projekt nicht zu gefährden. Denken Sie doch nur mal daran, wie viele Arbeitsplätze so ein Freizeitpark mit sich bringt? Abgesehen von der Attraktivität unserer schönen Gegend, die außer von Gläubigen kaum von Touristen aufgesucht wird. Ein moderner, attraktiver Freizeitpark ist da schon ein ordentlicher Anziehungspunkt vor allem für Familien. Ich weiß, wovon ich spreche, ich habe selbst drei Enkelkinder. Was meinen Sie, was man mit diesem Projekt alles machen kann? Konzerte, Filmvorführungen, und so weiter, und so weiter. Die Münchner Firma, von der ich vorhin gesprochen habe, hat eine schöne Liste mit Möglichkeiten zusammengestellt.“ Burgmeisters Augen strahlten, das Projekt war ihm sehr wichtig.

      „Waren Sie bezüglich des Todes von Gerald Haferstock nicht bestürzt?“

      „Natürlich hat mich die Nachricht geschockt, ich bin ja kein Unmensch. Aber ich kannte den Mann nicht näher und Herzversagen passieren nun mal, niemand ist davor gefeit. Das kann jeden von uns jederzeit treffen, auch Sie und mich. Christian hat mir erzählt, dass Gerald immer gesund gelebt hat und immer Ausdauer-Sport getrieben hat. Was hat ihm das gebracht? Sehen Sie mich an! Ich habe schon immer nur gegessen, was mir schmeckt und auch nicht immer gesund ist. Und Ausdauer- und Fitness-Sport ist für mich reine Zeitverschwendung, ist mir viel zu anstrengend und kostet zu viel Zeit. Außerdem schwitze ich nicht gerne. Und was soll ich Ihnen sagen? Trotz meines ungesunden Lebenswandels und der Tatsache, dass ich fünf Jahre älter bin als Gerald, lebe ich immer noch. Wenn man einen Job macht, der einem Spaß macht und dazu noch ein funktionierendes Privatleben hat, ist ein langes Leben vorprogrammiert, davon bin ich absolut überzeugt. Wenn man einem Job nachgeht, auf den man schon nach dem Aufstehen keine Lust hat, und dann noch Probleme im Privatleben hat, wird man krank. Das mit dem Gesundheitswahn ist doch nur Humbug. Ich könnte nicht den ganzen Tag nur verzichten, Kalorien zählen und auf leerem Gemüse und harten Körnern herumknabbern. Nein, die Vorstellung allein bereitet mir eine Gänsehaut.“ Jetzt lachte Burgmeister. Der Tod seines Geschäftspartners ging ihm wirklich nicht nahe, aber er machte auch keinen Hehl daraus.

      „Wir haben vorerst keine weiteren Fragen.“

      „Bevor Sie gehen, stellt Ihnen meine Sekretärin einen Wurstkorb zusammen, eine Spende an die Polizei.“

      „Das dürfen wir nicht annehmen, das kann uns als Beamtenbestechung ausgelegt werden.“

      „Du meine Güte! Diesen Spruch kenne ich nur aus dem Fernsehen. Gibt es das tatsächlich? Ich wollte nur freundlich sein. Dann eben nicht.“

      „Wollen Sie eigentlich nicht wissen, warum die Kripo wegen des Todes von Gerald Haferstock ermittelt?“

      „Nein. Warum auch? Sie machen Ihren Job und ich meinen.“

      Die Praxis für Augenheilkunde des Dr. Theo Unger war gut besucht. Das Wartezimmer war proppenvoll und es herrschte auf dem Gang und in allen Zimmern ein geschäftiges Treiben. Wastl und Viktoria saßen auf dem Gang, denn im Wartezimmer zwischen all den Augenkranken mit ihren Verbänden und dem muffigen Gestank würde es Viktoria schlecht werden. Wastl war da abgehärtet. Solange es ihn nicht persönlich betraf, waren ihm sämtliche Krankheiten egal. Sie blätterten in verschiedenen Klatschzeitungen und langweilten sich. Endlich kam eine Sprechstundenhilfe auf sie zu.

      „Folgen Sie mir bitte, Dr. Unger hat jetzt Zeit für Sie.“

      Der grauhaarige, kleine, drahtige Mann Ende 50 saß hinter seinem ordentlichen Schreibtisch, auf dem ein riesiges Modell eines Auges stand, dass sie anzustarren schien.

      „Entschuldigen Sie, dass Sie warten mussten. Aber Sie sehen ja selbst, was hier los ist. Ich habe zu meinen eigenen Patienten auch noch die Vertretung eines Kollegen dazu bekommen. Was kann ich für Sie tun?“

      „Gerald Haferstock,“ sagte Viktoria knapp. Sie war durch die Warterei sehr müde geworden.

      „Eine tragische Geschichte. Gerald war eigentlich fit und achtete auf sich. Nie im Traum hätte ich daran gedacht, dass es ihn so früh trifft. Aber niemand von uns ist davor gefeit, so spielt das Leben nun mal.“ Dr. Unger stand auf, öffnete ein Fenster und zündete sich eine Zigarette an. „Ein Laster muss man haben. Auch wir Ärzte sind nicht perfekt. Warum ermittelt die Kripo bezüglich Geralds Tod?“

      „Laufende Ermittlungen. In welchem Verhältnis standen Sie zu dem Verstorbenen?“

      „Wir waren Freunde. Ab und zu haben wir uns zum Joggen und auf dem Tennisplatz verabredet. Und auch geschäftlich hatten wir zu tun. Gerald hatte als Architekt einen sehr guten Ruf und auch deshalb habe ich ihn mit dem Bau meines Eigenheims betraut. Und ich war und bin sehr zufrieden mit seiner Arbeit.“

      „Stichwort Freizeitpark.“ Die frische Luft vermischt mit Zigarettenqualm drang nun bis zu Viktoria durch und sie wurde langsam frischer. Sie sog dieses Gemisch tief bis in ihre Lungen ein, denn vor einigen Tagen hatte sie das Rauchen aufgegeben und war diesbezüglich noch sehr labil.

      „Sie wissen davon? Erstaunlich, eigentlich wollten wir das so lange wie möglich unter Verschluss halten. Erstens wegen der Konkurrenz, und zweitens wegen der Grundstückspreise. Und natürlich auch wegen den zu erwartenden Gegnern dieses Projekts, die es immer gibt; je später die davon erfahren, desto besser. Meines Wissenstands nach fehlen nur noch wenige Grundstücke, bis es endlich losgehen kann. Was glauben Sie, wie die Preise in die Höhe gehen, wenn bekannt wird, dass ein Freizeitpark geplant ist? Oder was militante Gegner auf die Beine stellen, um das Projekt zu verhindern?“ Da die Polizisten nichts darauf erwiderten, fuhr Dr. Unger fort. „Ich habe mich an dem Projekt beteiligt, um meinen Lebensabend damit zu finanzieren. Darüber hinaus habe ich drei Kinder, die sehr große Ansprüche haben, meine Frau und ich haben sie leider sehr verwöhnt. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass solch ein Park hier in unserer Gegend funktioniert. Wir müssen jetzt natürlich überlegen, wer das Projekt realisieren soll, da Gerald nicht mehr bei uns ist. Wenn es nach mir ginge, könnte Geralds Partnerin Frau Winter die Arbeit gerne übernehmen, Gerald hielt große Stücke auf sie. Aber noch ist nicht klar, wer die Firmenanteile erbt und was aus dem Architekturbüro wird. Bis dahin hängen wir diesbezüglich völlig in der Luft. Die Testamentseröffnung ist hoffentlich demnächst, damit wir endlich weitermachen können. Können Sie mir sagen, wann die stattfindet?“

      „Nein, das liegt nicht in unserem Zuständigkeitsbereich. Fragen Sie doch die Familie des Verstorbenen, die können Ihnen bestimmt Auskunft geben.“

      „Das glaube ich kaum. Die alte Frau Haferstock kann mich nicht leiden, sie kann keinen von Geralds Freunden leiden. Seit sie weiß, dass ihr einziger Sohn schwul ist, vermutet sie in jedem Mann einen potentiellen Liebespartner ihres Sohnes und tritt deshalb jedem feindselig und aggressiv gegenüber. Nein danke, mit der Frau spreche ich