Ewa A.

Liebesengel küssen nicht


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und ich nicht auf dem doofen Standstreifen.

      Die Vorlieben und Hobbys von unserem Chris sind ebenfalls fein säuberlich in einer Tabelle aufgeführt. Handy-Weitwurf hab ich da zum Beispiel gelesen. Gut, wenn man zu viele alte Handys hat, ist das durchaus … eine sinnvolle … äh nein … aber man hat Bewegung und ist an der frischen Luft. Auf jeden Fall machen diese Freizeitbeschäftigungen (oder vielmehr einige davon) und seine Charakterzüge Chris zum optimalen möglichen Partner für die niedliche Daphne.

      Deswegen bin ich hier, neben besagter junger Frau, auf der Autobahn und glotze dumm aus der Wäsche. Zum Glück zählt Hilfsbereitschaft zu einer von Chris‘ guten Eigenschaften – und auch sein Faible für lange Frauenbeine –, was mir mein Vorgehen erleichtern wird. Hoffe ich.

      Neben mir starrt Daphne ziemlich ratlos unter die Motorhaube und tut so, als könne sie den Defekt des streikenden Motors ausfindig machen. Was sie gar nicht kann, da sie erstens kein Mechaniker ist und es zweitens überhaupt keinen Defekt gibt.

      Woher ich das weiß? Weil ich den Tank geleert habe. Mit bloßer Willenskraft, einfach so, wie … Keine Ahnung. Tja, was soll ich sagen, ich kann es, also tue ich es.

      Mir fiel auf die Schnelle leider nichts anderes ein als die Autopanne, weil sich die beiden, laut Bericht, unter üblichen Umständen nicht über den Weg gelaufen wären.

      Eigentlich befindet sich Daphne auf dem Weg zur Hochzeit ihrer Cousine. Deshalb trägt sie ein schönes Sommerkleid, was mich schmunzeln lässt, und hoffentlich auch bald Chris.

      Ich musste Daphne mit weißem Rauch, der auf der rechten Seite des Motorraums herausrauschte, in eine günstige Position navigieren, damit sie besser in Chris‘ Blickfeld geraten würde.

      Der Edelstein meines Armbandes beginnt, grün zu leuchten: das verabredete Signal der Cupida-Leitstelle. Es zeigt mir an, dass der andere Klient in der Nähe ist. Tatsächlich sehe ich von Weitem einen silbernen Golf kommen. Endlich! Ausgezeichnet, er imitiert die Geschwindigkeit einer fußlahmen Schnecke.

      Jetzt ein kleiner Windstoß, der Daphnes Rock im richtigen Augenblick anhebt und ihre schönen Beine entblößt, die Chris sehen sollte.

      Ja, genau so! Meine Rechnung geht auf, und Chris legt eine Vollbremsung hin.

      Himmel, bin ich gut!

      Ein paar Meter weiter vor uns parkt er seine Karre auf der Standspur. Alter Schwede, der Kerl muss es ja nötig haben, denn eilig springt er auf der Fahrerseite heraus. Er macht eine gute Figur in Jeans und Shirt.

      Währenddessen erhebt sich auf der Beifahrerseite ein Typ im Anzug aus dem Wagen. Ohne dass sich die Tür öffnet. Er durchdringt ohne Probleme die Karosserie. Na super! Ein Erist! Der hat mir gerade noch gefehlt.

      Meine Augen verengen sich automatisch vor Missmut, als ich meinen Gegner in Augenschein nehme. Denn sein Ziel ist es, das Zusammenkommen zweier Menschen zu verhindern. Er und ich wetteifern mit unseren jeweiligen Kollegen um den ewigen Sieg.

      Die Eristen säen Zwietracht, während wir, die Cupidas, Liebe gedeihen lassen wollen. Ja, ich weiß, die Menschen nennen uns Cupido, aber wir selbst betiteln uns als Cupida. Wie ich meinen Auftrag erhalte, so bekommt auch der Erist seine Anweisung – mit allen nötigen Angaben. Obwohl unsere Ziele nicht unterschiedlicher sein könnten, sind unsere Arbeitsweisen die gleichen.

      Der Erist holt einen Wirkungsstab aus der Innentasche seines Jacketts, was mir sagt, dass er ein Neuling ist, der noch das Hilfsmittel braucht, um seinen Willen zu bündeln. Ich habe schon fast Mitleid mit ihm, denn ich habe meinen das letzte Mal vor einem Jahrhundert benutzt. Aber dennoch muss ich zugeben, dass die Eristen-Stäbe cooler aussehen als unsere. In den schwarzen Stäben perlt nämlich rote Lava hin und her, was diese geheimnisvoll und vor allem cool macht. In den Cupida-Stäben dagegen glitzern doofe Silberpartikel herum und lassen einen damit wie eine tussige Fee wirken. Das wiederum erklärt, warum ich heilfroh bin, das Teil nicht benützen zu müssen.

      Die zwei Männer kommen auf uns zu, und ich verschränke grinsend die Arme vor der Brust, während ich mich an Daphnes Wagen lehne.

      Chris strahlt über alle vier Backen und reibt sich die Hände. »Hi. Na, kann ich helfen?«

      Absichtlich schaue ich nur Chris an und erwidere sogar dessen Begrüßung mit einem Lächeln. Obwohl mich auch dieser im Moment nicht sehen und hören kann – wie jeder Mensch.

      »Hey. Das wäre super«, säusle ich.

      Durch diesen Kniff glaubt der Erist vor mir, ich sei ein Mensch. Zu seiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich nicht gerade der typischen Erwartung entspreche, die man im Allgemeinen von einer Cupida hat. Ich bin weder eine engelhafte Blondine in einem Hängerkleidchen noch habe ich himmelblaue Augen, unter denen ein Knutschmund schmollt. Vergesst es! Ich bin brünett und trage eine gewöhnliche Jeans. Meine Augen sind froschgrün, und mein Mund ist völlig unsexy. Ach, und Flügel habe ich auch keine, geschweige denn Pfeil und Bogen.

      In einer verlegenen Geste streicht sich Daphne eine Haarsträhne hinter das Ohr und sagt errötend: »Oh, ich hoffe es, weil ich habe nämlich keinen Plan, was auf einmal los ist. Der Motor rauchte sogar schon.«

      Der Erist wendet den Kopf, um Daphne besser zu verstehen, und ich habe das Gefühl, ihm kommt allmählich ein Verdacht.

      Chris kratzt sich an der Stirn. »Mach dir nichts draus. Bei mir muss die Elektronik auch einen Schuss haben. Der Tempomat schaltete sich aus heiterem Himmel ein, und ich bekam ihn nicht mehr aus. Deswegen musste ich mit achtzig über die Autobahn kriechen.«

      Haha, der kleine Erist dachte wohl, wenn er rumtrödeln würde, wäre Daphne schon längst bei ihrer Cousine. Falsch gedacht, Dummerchen! Selbst wenn er Chris‘ Golf total lahmgelegt hätte, würde ich jetzt mit Daphne bei ihnen stehen, denn den Erstkontakt gewinne ich immer.

      Indessen beugt sich Chris tatkräftig über den Motorblock. »Wollen mal schauen, wo das Problem liegt. Ansonsten rufen wir die Pannenhilfe.«

      Der Erist schwenkt seinen Stab, und aus den Tiefen des Motorraums spritzt eine schwarze Fontäne empor, die Chris von Kopf bis zur Hüfte einsaut.

      »Wow, wo kommt denn das her?«, schreit der junge Mann und macht einen Satz zur Seite.

      Daphne schlägt sich die Hände vor den Mund. »Oh mein Gott, das ist ja … Nein, das tut mir echt leid. Dein T-Shirt ist total voll.«

      Christ stöhnt sichtlich genervt auf, als er an sich herunterschaut und das Desaster begutachtet. »Scheiße, das ist Öl! Das geht nie wieder raus. Oh Mann, ey!«

      Aha, für einen Anfänger hat er ganz gut reagiert, der junge Erist. Er wollte Chris sauer machen, aber der Schuss könnte auch nach hinten losgehen.

      Zerknirscht fängt Daphne an, zu stammeln: »Ich komm natürlich für deine ruinierte Kleidung auf. Warte, ich hol Taschentücher, damit du dein Gesicht abwischen kannst.«

      Sie tippelt in ihren hohen Schuhen um den Wagen, mitten durch den Erist hindurch, und Chris folgt ihr. Ich stehe nicht im Weg, was mich zu meinem Vergnügen bei meinem Gegner noch nicht auffliegen lässt.

      Als Daphne sich ins Auto zu ihrer Tasche beugt, nutze ich Chris‘ gute Aussichtsposition und lasse nochmal ein laues Lüftchen wehen, das erneut ihren Rock hebt.

      Oh, holla ein String! Prompt verbessert sich Chris‘ Laune, was an seinem Schmunzeln abzulesen ist. Sogar der Erist bewundert Daphnes Kehrseite verträumt.

      »Schrecklich windig heute, nicht wahr?«, murmle ich, und nun inspiziert mich der Erist genauer. Ich ignoriere ihn natürlich immer noch, allerdings entgeht ihm mein Armband kein zweites Mal.

      »Du bist eine Cupida! Ich dachte …«, schnauft er empört.

      Ich lache ihm direkt ins Gesicht. »Was, dass ich ein Mensch bin? Tja, nein, mein Lieber. Ich bin Evodie, hinten mit ‚ie‹. Nur, damit du im Bericht für deine Chefin meinen Namen richtig schreibst. Die will bestimmt wissen, wer dir die Tour vermasselt hat.«

      Der Kopf des Eristen läuft langsam rot an, und mit zornigem Blick schwingt er seinen