Ewa A.

Liebesengel küssen nicht


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Meinst du nicht, Evodie?« Gehässig verzieht sich sein Mund.

      Zeitgleich, als Daphne Chris das Taschentuch mit einem charmanten Lächeln reicht, fängt Chris‘ Handy an, zu bimmeln. Ein Rufton erklingt, der jedem Anwesenden klarmacht, dass da seine Freundin anruft. Chris, der Trottel, hat den Klingelton noch nicht verändert.

      Ich schüttele den Kopf, denn abermals outet sich der Erist als waschechter Anfänger: Niemals erzählt man dem Gegner, was man zu tun gedenkt.

      Hektisch wischt sich Chris mit dem Tuch über den Mund und zerrt, mit kugelrunden Augen, das Smartphone aus seiner Gesäßtasche. Mit einem leisen »Oh, Moment, ich komm gleich wieder«, dreht er Daphne den Rücken zu. Er entfernt sich einige Schritte von ihr. Verdattert blinzelnd, bleibt Daphne stehen.

      Beim besten Willen kann ich mir das Lachen nicht verkneifen, als ich den männlichen Erist in hoher Frauenstimme in seinen Wirkungsstab reinplappern höre.

      »Hallo, Chris. Ich bin‘s Lena, du ich … Also ich dachte, wir sollten doch nochmal über alles reden. Hast du nicht Lust, mich zu treffen? Vielleicht heute?«

      Eins muss man dem Kerl lassen, er hat seinen Bericht aufmerksam gelesen, denn der Name der Ex stimmt.

      Während Chris stammelt, dass das schon möglich wäre, kappe ich kurzerhand die Unterhaltung, indem ich den Lautsprecher des Handys stumm schalte. Verwirrt schaut Chris auf sein Handy, und ich … lasse einen Platzregen runter, der sich gewaschen hat.

      Chris zeigt schreiend auf sein Auto, und die beiden Menschen flüchten vor dem Mini-Gewitter, um in seinem Wagen Schutz zu suchen. Mein Gegner scheint überfordert zu sein und muss sich einen Regenschirm heraufbeschwören. Mir allerdings können die prasselnden Tropfen nichts anhaben, weil ich, lapidar gesagt, trocken bleiben will.

      Panisch stochert der Erist mit seinem Wirkungsstab in der Luft herum, in Richtung Daphne. Daraufhin wird ihr die Autotür von einer Windböe aus der Hand gerissen und fällt wieder zu. In der Zwischenzeit sitzt Chris bereits im Trockenen, wohingegen Daphne erneut versucht, die Tür zu öffnen. Vergeblich reißt die durchnässte Frau am Griff.

      Mit einem herablassenden Schmunzeln fege ich das Bemühen des Zwietracht-Engels zur Seite. Daraufhin stolpert Daphne ein paar Schritte rückwärts, da die Wagentür plötzlich unverschlossen ist. Den Willen meines Gegners zu überwinden, war lächerlich einfach.

      Zufrieden lasse ich mich auf der Rückbank in Chris‘ Golf nieder. Ein altbekannter, leichter Druck auf meinen Körper macht mir bewusst, dass der Erist sich entschieden hat, mir Gesellschaft zu leisten. Ich fühle mich wie ein Magnet, der von einem gleichen Pol abgestoßen wird. Mein Gegenspieler grummelt verärgert vor sich hin, und wir gucken Chris dabei zu, wie diesem schier die Augen aus dem Kopf fallen. Denn Daphnes weißes Sommerkleid ist nun patschnass.

      Tja, was passiert, wenn weiße Baumwolle nass wird …?

      Ab da weiß sowohl der Erist als auch ich, dass Chris Daphne heimfahren wird und vorerst die Dinge ihren Lauf nehmen, ohne unser Zutun. Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich den beiden nochmal einen Besuch abstatten, denn dann sind die Chancen meines Gegners auf Erfolg leider höher.

      Der Stein auf dem Ring des Eristen leuchtet rot, wie auch mein Armband. Für uns beide ist dies der Aufruf, in die Zentrale zurückzukehren. Neuer Auftrag, neues Glück.

      KAPITEL 2

      DAS BÜRO IN DEN WOLKEN

      Kaum habe ich den Gedanken an meine Rückkehr in die Cupida-Zentrale zu Ende gedacht, bin ich auch schon in dem unaufhörlichen Wahnsinn gelandet, der mein Arbeitsplatz ist.

      Ein Großraumbüro, dessen Wände aus weißen Federwolken bestehen. Im Grunde ist hier alles weiß: der Boden, die Decke, die Stühle, die Schreibtische, sogar die Monitore. Selbst die Operatoren, welche die Cupidas von hier aus bei ihren Aufträgen unterstützen, sind in strahlend weiße Anzüge oder Kostüme gekleidet. Unzählige Pulte stehen akkurat in Reih und Glied, neben- und hintereinander. Mittig strebt zwischen ihnen ein breiter Gang auf eine Tür zu.

      Der übliche Lärm von Stimmen, Druckern und Telefonklingeln drückt auf meine Ohren, als ich mich zu Bellamy, meinem Operator, umdrehe, der hinter seinem Schreibtisch auf mich wartet.

      Auf Bellamys rundem Gesicht erscheint ein stolzes Strahlen. »Auftrag erfolgreich ausgeführt? Komm, sag schon, Evodie!«

      Ich pflanze mich seufzend auf die Ecke seines Pults. »Ja, alles problemlos gelaufen. Der erste Kontakt ist immer der einfachste.«

      »Hat sich ein Erist blicken lassen?« Bellamy schaut mich über seine Brille hinweg kritisch an, die ihm bis zu seiner Nasenspitze gerutscht ist.

      Meine Stirn kräuselt sich, denn seine Frage erscheint mir seltsam – da es nichts Ungewöhnliches ist, dass ein Erist einer Cupida in die Arbeit pfuscht.

      »Ja, aber sie schickten einen Neuling, weil sie genau wussten, dass sie den Kürzeren ziehen würden. Die Beziehung der Klienten aufrechtzuerhalten, wird wesentlich schwieriger werden. Du weißt ja, um Paare zu entzweien, senden sie meist ihre Besten aus, die mit allen Wassern gewaschen sind.«

      »Das kannst du laut sagen. Frag mal Artreus, was ihm passiert ist?«

      Im Getümmel suche ich nach meinem besten Kumpel. Doch nirgends ist Artreus zu entdecken, der mit seiner Erscheinung so auffällig ist wie ein bunter Hund.

      »Wieso? Was ist ihm denn passiert? Ist er hier?«

      Bellamy deutet mit dem Kopf auf die Tür, auf die alles im Büro ausgerichtet ist. »Er ist beim Chef. Seit geschlagenen zehn Minuten.«

      »Oh je, und wie ist Phileas drauf? Hat seine Tür schon geleuchtet?«, frage ich amüsiert.

      Mit einem Grunzen schiebt sich Bellamy seine Brille zurecht. »Und wie, sein Brüllen war bis in die hinterste Ecke zu hören.«

      Ich schmunzle bei der Vorstellung. Denn wenn Phileas wütend wird, beginnt seine Gestalt, die eh von einer hellen Aura umgeben scheint, regelrecht zu brennen, sodass man das grelle Licht durch die Ritzen der geschlossenen Tür erkennen kann.

      »Och, der arme kleine Artreus«, grinse ich verschmitzt.

      Niemand, der Artreus je gesehen hat, würde ihn als arm, geschweige denn als klein bezeichnen.

      In dem Augenblick öffnete sich Phileas‘ Tür, und mein Freund kommt herausmarschiert. Er sieht aus wie der übereifrige Besitzer eines Fitnessstudios. Vor lauter Muskeln sprengte er fast sein Shirt, und sein kahl rasierter Schädel glänzt wie frisch poliert. Wütend kommt Artreus auf uns zu, und sein Gesicht verrät mir, dass beschissene zehn Minuten hinter ihm liegen. Seine Nase wirkt noch knubbliger, wenn er mürrisch ist.

      »Mann, als würde es mich nicht schon genug nerven, dass sich eins meiner langjährigen Klienten-Paare trennt, muss Phileas mir deswegen noch einen akustischen Einlauf verpassen. Verdammte Scheiße!«, brummt er und läuft zu seinem Schreibtisch, der schräg hinter Bellamys steht.

      Ich folge ihm und habe vollstes Verständnis dafür, dass mein Kollege so sauer ist. Ein Paar zu verlieren, das man mitunter Jahrzehnte durch Höhen und Tiefen begleitet hat, ist harter Tobak. Schließlich sind wir keine gefühlskalten Zombies, sondern Profis, die sich zwar distanzieren, aber dennoch eine Verbindung zu unseren Klienten aufbauen.

      »Was? Wie lange waren die zwei zusammen?«, frage ich.

      Aufgebracht lässt sich Artreus in seinen Stuhl fallen und lehnt sich, mit hinter dem Kopf verschränkten Händen, zurück. »Über fünfundzwanzig Jahre. Vor zwei Jahren feierten sie ihre silberne Hochzeit.«

      »Was ist geschehen, dass sie sich auf einmal getrennt haben?« Ich bin fassungslos. Verflucht, nicht mal fünfundzwanzig Ehejahre sind eine Garantie, dass ein Paar zusammenbleibt.

      In Artreus‘ sonst treuherzigen Augen blitzt nach wie vor die Wut. »Ein bescheuerter Erist ist geschehen, und so wie es aussieht, der gleiche, der auch Hectors Paar entzweit hat.« Er dreht sich auf seinem Stuhl nach hinten