Fritz Rabensteiner

Die Hofnarren der Republik


Скачать книгу

Erscheinungen des öffentlichen Sprachgebrauchs sensibilisiert werden. Vor allem sollte zum Nachdenken über unakzeptables Sprachverhalten, das mit den Prinzipien einer demokratischen Gesellschaft und eines Rechtsstaates nicht vereinbar ist, angeregt werden. Der Wunsch, an der Schnittstelle von Sprache und Gesellschaft Österreichs die Entwicklung der Sprache im öffentlichen Raum zu dokumentieren und eine Art zeitgeschichtliches Spracharchiv zu entwickeln. Dabei sollen nicht nur streng wissenschaftliche Fragestellungen im Mittelpunkt stehen, sondern auch die Suche nach besonders gelungenen Neubildungen, kreativen sprachlichen Schöpfungsakten und überraschenden oder lustigen Formulierungen. Denn Sprachbeobachtung soll auch Spaß machen und Freude bereiten. Eine hochkarätige Jury hat für heuer folgende Wörter des Jahres ermittelt:

      Auf Platz 1 (Trommelwirbel) das Wort des Jahres 2020:

      Babyelefant. Das Wort wurde von den Wählerinnen und Wählern mit großem Abstand auf den ersten Platz gewählt. Es ist ein anschauliches Bild für den Mindestabstand von einem Meter, der gegenüber anderen zum Schutz vor Ansteckung mit dem Corona-Virus eingehalten werden soll und diesen impliziert. Die Vorstellung des putzigen Jungtiers sollte helfen, das ungewohnte und stressvolle Abstandhalten erträglicher zu machen. Der Begriff geht auf ein Video einer Kreativagentur der Bundesregierung zurück, die ein lustiges Symbol für die Abstandsregel finden wollte. Das Wort hat mittlerweile Eingang in die Alltagssprache gefunden, vielfach mit einem Augenzwinkern.

      Auf Platz zwei, deutlich abgeschlagen, landete:

      Corona. Corona war das bestimmende Thema des Jahrs 2020: Die Kurzbezeichnung für den global allgegenwärtigen COVID-19 Virus, der für die derzeitige Pandemie verantwortlich ist. Der Begriff steht für alle Bedrohungen, Einschränkungen und Änderungen, die seit dem Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 das öffentliche und private Leben aller in maßgeblicher Weise verändert haben und nach wie vor verändern. Und lediglich die Bronzemedaille, und das finde ich mehr als nur enttäuschend, gewann:

      Verblümeln. Ein ironisches Wortspiel mit dem Namen des Finanzministers Gernot Blümel in der Bedeutung „beschönigen“, „idealisieren“, „für dumm verkaufen“, aber auch „beim Budget verrechnen“. Im Ibiza-Untersuchungsausschuss hatte er 86 Mal angegeben, sich nicht erinnern zu können und behauptete, für seine Arbeit als Minister nie einen Laptop benutzt zu haben. Böse Zeitgenossen unterstellen ihm außerdem eine gewisse Zahlenschwäche und Schusseligkeit bei seiner Arbeit als Finanzminister. Ich halte das für ungerecht, zumal ich mit ihm in längerem Briefkontakt stand und mich von seiner Qualifikation überzeugen konnte.

      Sehr geehrter Herr Finanzminister! Ich möchte zunächst vorausschicken, dass ich kein Parteimitglied bin. Dennoch unterstütze ich die wichtigen Ziele ihrer Bewegung und möchte daher die Frage an sie richten, was sie gegen die Neuverschuldung auf Grund der Corona-Pandemie zu tun gedenken. Schließlich und endlich sind sie die einzige Ansprechstelle für die arbeitende Bevölkerung und den sogenannten kleinen Mann. Mit vorzüglicher Hochachtung.

      Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Sehr geehrter Herr! Herzlichen Dank für die Übersendung ihrer Beitrittserklärung. Ich freue mich, sie als neues Parteimitglied begrüßen zu dürfen und darf ihnen schon jetzt unseren vollen Einsatz im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zusichern. Mit besten Grüßen.

      Erneut setzte ich mich an den Computer. Sehr geehrter Herr Finanzminister! Ich habe heute ihr Antwortschreiben erhalten. Offensichtlich liegt ein Missverständnis vor. Ich will keine Mitgliedschaft, sondern eine konkrete Auskunft über die von ihnen geplanten Maßnahmen hinsichtlich der Neuverschuldung und der Absicherung des sozialen Standards der arbeitenden Bevölkerung. Welche Belastungen werden auf uns zukommen? Hochachtungsvoll.

      Drei Tage später kam die gewünschte Auskunft. Sehr geehrtes Parteimitglied! Hinsichtlich der von ihnen angefragten Lebensversicherung wenden sie sich am besten direkt an ihren Bezirkssekretär, der sie kompetent beraten kann und ihnen bestimmt ein tolles Angebot legen wird. Für ihren Mitgliedsbeitrag schlage ich übrigens einen Abbucher vor. Mit herzlichen Grüßen.

      Doch so leicht gebe ich nicht auf.

      Herr Blümel! Entweder können sie nicht oder wollen sie nicht. Ich möchte endlich eine konkrete Antwort auf meine Fragen hinsichtlich ihrer Maßnahmen gegen die Neuverschuldung. Ihre Hinhaltetaktik geht mir langsam auf die Nerven. Oder fällt ihnen außer neuen Autobahnvignetten und Sozialabbau nichts mehr ein? Grüß Gott.

      Diesmal dauerte die Antwort schon etwas länger. Lieber Parteifreund! Mit großer Freude entnehme ich deinem letzten Schreiben, dass du den Mitarbeitern unseres Sozialfonds gratis Autobahnvignetten zur Verfügung stellen willst. Dafür ein herzliches „Vergelt’s Gott“. Der Ordnung halber möchte ich hinzufügen, dass wir für Mitarbeiter der Partei bereits eine Kulanzlösung gefunden haben, sodass wir deine großzügige Spende einer anderen Verwendung zuführen werden. Der Dank unserer Bewegung ist dir sicher. Erlagschein beiliegend. Ich grüße dich herzlich.

      Irgendwann ist auch bei mir Schluss. Blümel! Etwas derartig Inkompetentes wie sie ist mir noch nie untergekommen. Was machen sie eigentlich im Finanzministerium? Sie sind nicht mal imstande, mir eine einfache Auskunft zu erteilen. Ich werde mich beim Bundeskanzler über sie beschweren. Lecken sie mich am Arsch.

      Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Anbei übersende ich ihnen in Kopie meinen Briefwechsel mit ihrem Finanzminister. Dieser Mann ist eine Schande für ihre Partei und sie sollten ihn schnellstens von seinem Posten entfernen, da ihnen ansonsten die Parteibasis bei der nächsten Wahl einen Denkzettel verpassen wird, der sich gewaschen hat. Mit vorzüglicher Hochachtung.

      Der Bundeskanzler reagierte umgehend. Sehr geehrter Herr! Ich freue mich immer wieder über Zustimmung aus der Basis. Der Wunsch des Wählers ist uns Befehl und verpflichtet uns gleichzeitig zu noch stärkerem Engagement für das Wohl der Allgemeinheit. Noch dazu, wenn sich jemand wie sie die Mühe macht, eine Unterschriftenaktion für unsere Anliegen zu starten. Machen sie weiter so. Die von ihnen beigelegten Unterstützungserklärungen habe ich an den für sie zuständigen Abgeordneten weitergeleitet, der sich in den nächsten Tagen bei ihnen bedanken wird. Eine Einladung zur nächsten Almwanderung ergeht gesondert. Ihr Sebastian Kurz.

      Nebenwirkung

      Wir schrieben den 31. Dezember 2020 und ein kleines Licht war am Ende des Tunnels zu sehen. Endlich, der Impfstoff gegen Corona war da. Und nicht nur einer. In einem gemeinsamen Kraftakt war es der internationalen Forschergemeinschaft gelungen, gleich mehrere Impfstoffe zu entwickeln. BioNTech/Pfizer, zwei Unternehmen aus Deutschland und den USA, hatten die Nase vorn. Deren Impfstoff war bereits zugelassen und unter medialem Getöse in die ersten Oberarme gespritzt worden. So was sieht man schließlich auch nicht alle Tage. Knapp gefolgt von Moderna (USA), dessen Zaubertinktur kurz vor der Zulassung stand, sowie, schon etwas abgeschlagen, die Firma AstraZeneca aus Großbritannien. Die Zulassung von deren Serum innerhalb der EU würde allerdings nicht vor Februar erfolgen. Österreich hielt sich bei der Bekämpfung der Pandemie streng an Murphys Gesetz, das da lautet „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen“, und hatte sich deshalb großzügig mit diesem Impfstoff eingedeckt. Auf ein paar Wochen käme es nicht an, so Gesundheitsminister Anschober, und wer wollte ihm da widersprechen. Unnötige Hektik war seine Sache nicht. Er hatte eher das Temperament einer Schildkröte. Und noch einen Impfstoff gab es. Den russischen Sputnik V. Das schwarze Schaf oder, um ein anderes Bild zu kreieren, der stets besoffene Onkel, den man ungern zu einer Familienfeier einlädt. Dieser Sputnik war in Russland schon vor mehreren Wochen und vor Beginn der entscheidenden Studienphase III von Dr. med. Putin persönlich genehmigt worden. Aber warum denn auch nicht? Hinter dem Ural ist man grundsätzlich nicht so zimperlich wie im Westen, wo eine gewisse Impfskepsis festzustellen war, nur weil es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch wenige Erkenntnisse hinsichtlich Nebenwirkungen und Langzeitfolgen gab. Als auch noch ruchbar wurde, dass die Erzeuger von Sputnik V und AstraZeneca eine Kooperation vereinbart hatten, hatte man große Mühe, die, natürlich unberechtigten, Zweifel zu zerstreuen.

      Anschober: „Sog amoi Werner, san des deine eigenen Federn oder is des a Pepi?“

      Kogler: „Die eigenen natürlich.“

      Anschober: „G’färbt? Oder a Laune der Natur?“