z. B. sein ehemaliger Lehrer Dühan, der jetzt eine Ratsstelle bekleidete, nach Memel verwiesen.
Duhan
Die Bestürzung über alle diese Ereignisse war allgemein und alles in banger Erwartung über das ferneren Schicksal des Kronprinzen.
Dieser war unterdessen in Mittenwalde eingetroffen. Hier wurde er am 2. September zuerst verhört. Man legte ihm die Aussagen Kattes vor, und er erkannte dieselben an; auf alle weiteren Fragen indes gab er wenig genügende Antworten. Dem General Grumbkow, der mit anwesend war und die stolze Zuversicht des Prinzen herabzustimmen suchte, sagte er, er glaube über alles, was ihm noch begegnen könne, hinaus zu sein, und er hoffe, sein Mut werde größer sein, als sein Unglück. Jener kündigte ihm hierauf an, er werde auf Befehl des Königs nach Küstrin gebracht werden, indem diese Festung für jetzt zu seinem Aufenthaltsorte bestimmt sei. „Es sei“, erwiderte der Kronprinz, „ich werde dahin gehen. Wenn ich aber nicht eher wieder von dort wegkommen soll, als bis ich mich aufs Bitten lege, so werde ich wohl ziemlich lange da bleiben.“
Am folgenden Tage wurde der Kronprinz nach Küstrin geführt. Er erhielt ein Gemach auf dem Schlosse, indem der dortige Kammer-Präsident von Münchow ihm von seiner Wohnung ein Zimmer abtreten musste. Hier wurde er, auf bestimmten Befehl des Königs, streng gehalten. Seine Kleidung bestand aus einem schlechten blauen Rocke ohne Stern. Im Zimmer standen nur hölzerne Schemel zum Sitzen. Die Speisen, die sehr einfach waren, wurden ihm geschnitten überbracht, weil den Gefangenen in der Zeit des engsten Arrestes keine Messer und Gabeln zukamen. Tinte und Papier waren ihm nicht gestattet; auch wurde ihm seine Flöte abgefordert. Das Zimmer durfte er unter keiner Bedingung verlassen; die Tür war mit Wachen besetzt und durfte nur dreimal des Tages in Gegenwart zweier Offiziere zur Besorgung der Bedürfnisse des Gefangenen auf kurze Zeit geöffnet werden. Alle Morgen hatten zwei Offiziere das Zimmer zu untersuchen, ob sich nicht etwa die Spur einer verdächtigen Unternehmung zeige. Jedem war streng verboten, mit dem Kronprinzen zu sprechen; jeder bloße Besuch war durchaus untersagt.
Indes fand sich doch Gelegenheit, einige dieser strengen Anordnungen zu umgehen. Der Kammer-Präsident von Münchow, den das Schicksal des unglücklichen Königssohnes zu inniger Teilnahme bewegte, ließ in der Decke des Gefängnisses ein Loch machen, so dass er Gelegenheit bekam, den Kronprinzen zu sprechen, ihm seine Dienste anzubieten und seine Wünsche zur Verbesserung seiner gegenwärtigen Lage zu vernehmen. Der Prinz klagte über das armselige Essen und Speisegerät und über den Mangel an geistiger Nahrung. Für Beides wusste der Präsident bald Rat. Sein jüngster Sohn, acht Jahre alt, wurde in die weiten Kinderkleider gesteckt, die schon seit Jahren abgelegt waren, und die tiefen Taschen derselben füllte man mit Obst, Delikatessen und Ähnlichem; dem Knaben verweigerte die Wache nicht den Eingang. Dann wurde ein neuer Leibstuhl mit verborgenen Fächern angeschafft, und so kamen dem Prinzen nach und nach Messer und Gabeln, Schreibgerät, Bücher, Briefe usw. zu. Die diensttuenden Offiziere untersuchten das Zimmer nur, soweit ihre Ordre reichte.
Indes behielt der Kronprinz gegen die Personen, die der König zu verschiedenen Malen zu ihm schickte, noch immer seine strenge Zurückhaltung bei. So namentlich gegen eine Deputation, die ihn in der Mitte Septembers aufs Neue zu verhören kam. Der General Grumbkow, der sich wieder bei derselben befand, scheute sich nicht, ihm zu sagen, dass, wenn er seinen Stolz nicht beiseitesetze, schon Mittel und Wege zu finden sein dürften, ihn zu demütigen. „Ich weiß nicht“, erwiderte ihm der Prinz mit vornehmen Tone, „was Sie gegen mich zu Unternehmen gedenken: So viel aber weiß ich, dass Sie mich nie dahin bringen werden, vor Ihnen zu kriechen!“ Die Deputierten legten ihm nun die in jener Kiste gefundenen Papiere vor, mit der Frage, ob er nichts unter denselben vermisse. Der Prinz untersuchte sie, und da er die wichtigsten nicht vorfand, so zweifelte er nicht daran, dass sie unterdrückt worden seien. Er versicherte also, es sei der gesamte Inhalt jener Kiste. Man verlangte von ihm einen Eid über diese Angabe; diesen wusste er jedoch unter dem Vorwande, dass ihn sein Gedächtnis möglicherweise betrügen könne, von sich abzulehnen. Die Kommissarien waren nicht imstande, anderweitige Bekenntnisse von ihm zu erlangen. Auch spätere Verhöre gaben keinen besseren Erfolg. Man ließ ihn unter dem Versprechen, dass er auf die Thronfolge Verzicht leiste, Gnade hoffen, aber auch jetzt ging er hierauf nicht ein. Ebenso wenig nützten die erneuten Verhöre Kattes, jener vermeintlichen Intrige auf die Spur zu kommen. Der König hatte sogar die Absicht, Katte auf die Folter zu spannen, doch schützte ihn hiervor die Verwendung seiner Verwandten, die im Staate hohe Stellen bekleideten.
So hatte man keine weiteren Zeugnisse gegen den Kronprinzen und gegen Katte in Händen, als was sich durch ihre beabsichtigte Flucht selbst und durch die bisherigen Aussagen des Letzteren ergab. Doch war auch dies dem König bereits genügend, um gegen die Verschuldeten mit allem Nachdruck eines strengen Gesetzes zu verfahren. Es wurde ein Kriegsgericht zusammenberufen, welches über sie nur in militärischer Rücksicht zu erkennen hatte: Der Kronprinz namentlich sollte dabei nur als desertierter Militär betrachtet werden. Am 25. Oktober trat dieses Gericht in Köpenick zusammen und kehrte am 1. November nach Berlin zurück. Trotz jener ausdrücklichen Bestimmung des Königs erfolgte indes kein richterlicher Spruch über den Kronprinzen; das Kriegsgericht hatte sich in diesem Punkte für inkompetent erklärt. Katte war in Betracht, dass er sich nicht vom Regiment entfernt habe und seine bösen Pläne nicht in Ausführung gekommen seien, zu Kassierung und mehrjähriger Festungsbaustrafe verurteilt worden. Der König aber nahm die ganze Erklärung des Kriegsgerichtes sehr ungnädig auf; er sah darin nur eine Bemühung, sich dem künftigen Herrn des Landes, den er einmal als seinen entschiedenen Feind betrachtete, gefällig zu erweisen. Sein Zorn konnte nicht ohne ein blutiges Opfer gestillt werden; und so erklärte er zunächst, aus eigener Machtvollkommenheit, das Vergehen Kattes als ein Verbrechen der beleidigten Majestät, da dieser als Offizier der Garde-Gendarmerie, der Person des Königs unmittelbar verpflichtet gewesen sei und solche Verpflichtung durch einen Eid erhärtet, nichtsdestoweniger jedoch zur Desertion des Kronprinzen unerlaubte Verbindungen mit fremden Ministern und Gesandten, zum Nachteil des Königs, angeknüpft habe. Für ein solches Verbrechen habe er verdient, mit glühenden Zangen gerissen und aufgehenkt zu werden; doch solle er, in Rücksicht auf seine Familie, nur durch das Schwert gerichtet werden. Man solle dem Katte, wenn ihm dieser Ausspruch eröffnet werde, sagen, dass es dem Könige leid täte: Es sei aber besser, dass er sterbe, als dass die Gerechtigkeit aus der Welt gehe. Alle Bitten und Fürsprachen gegen dies strenge Urteil waren umsonst; vergebens flehte Kattes Großvater, der alte verdiente General-Feldmarschall Graf von Wartensleben, mit rührenden Worten um Gnade, nur damit ihm Gelegenheit bleibe, das Herz seines Enkels zur Buße und zur Demut zurückzuführen. Der Sinn des Königs blieb unerweicht, und wiederholt berief er sich darauf, es sei besser, dass ein Schuldiger nach der Gerechtigkeit sterbe, als dass die Welt oder das Reich zu Grunde gehe.
Katte selbst vernahm sein Urteil mit großer Standhaftigkeit. So leichtsinnig er sich früher betragen hatte, so würdig erschien der zweiundzwanzigjährige Jüngling in den wenigen Tagen, die ihm jetzt noch zur Vorbereitung auf den Tod vergönnt waren. Der Gram, den er seinen Eltern und seinem Großvater durch das leichtsinnig heraufbeschworene Schicksal verursachen musste, ergriff seine Seele mit Macht; die Briefe, mit denen er von ihnen Abschied nahm, waren von innigster Reue erfüllt. Demutvoll bekannte er es, dass er in dieses Unglück gestürzt sei, weil er des Höchsten vergessen und nur nach irdischen Ehren gestrebt habe; dass er aber hierin nur die Liebe des ewigen Vaters erkenne, die ihn durch den dunkeln Pfad zum Lichte geführt. Am vierten November wurde er nach Küstrin abgeführt. Es geschah auf Befehl des Königs, denn dieser wollte auch das härteste Mittel nicht unversucht lassen, das Herz des Kronprinzen zu erweichen. Unter den Augen des Letzteren, so hatte es der König ausdrücklich angeordnet, sollte die Hinrichtung des Freundes stattfinden. Der Morgen des sechsten Novembers war zur Hinrichtung bestimmt.
Der Kronprinz wurde genötigt, an das Fenster zu treten, und rief, als er den Freund inmitten des militärischen Zuges zwischen zwei Predigern erblickte, hinab: „Verzeihe mir, mein teurer Katte!“ – „Der Tod für einen so liebenswürdigen