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Elisabeth Christine, Prinzessin von Braunschweig-Bevern
Der Kronprinz gab seine Zustimmung, aber mit Verzweiflung im Herzen. Man hatte ihm gesagt, die Prinzessin sei hässlich und sehr beschränkten Geistes; und er, in der ersten Blüte der Jugend, aller Lust des Lebens umso eifriger zugetan, je entschlossener die seltene Gelegenheit erhascht werden musste, sollte sich so früh durch ein Band fesseln lassen, das in zweifacher Beziehung seinen Neigungen widersprach! Er suchte einen anderen Ausweg. Die Prinzessin Katharine von Mecklenburg, Nichte der Kaiserin Anna von Russland und von dieser an Kindesstatt angenommen, schien seinen Wünschen ein ungleich angemessenerer Gegenstand. Als er jedoch hierüber Mitteilungen machte und eine solche Wahl wiederum dem österreichischen Hofe sehr bedenklich erschien, so wurden die Anstrengungen von dieser Seite, rücksichtlich der Prinzessin von Braunschweig, verdoppelt und der Wille des Königs von Preußen unwiderruflich bestimmt.
Schon im März 1732, als der Herzog Franz Stephan von Lothringen, der künftige Schwiegersohn des Kaisers, einen Besuch am Hofe von Berlin abstattete, und zu den ehrenvollen Festlichkeiten, mit denen derselbe empfangen wurde, auch die braunschweigischen Herrschaften eingeladen waren, wurde die Verlobung des Kronprinzen mit der Prinzessin Elisabeth Christine gefeiert. Friedrich fand sich, zu seiner großen Beruhigung, durch die früheren Berichte über seine Braut getäuscht; denn sie war keineswegs hässlich, vielmehr von eigentümlicher Anmut in der äußeren Erscheinung, und die übergroße Schüchternheit ihres Benehmens, die sie als beschränkt erscheinen ließ, hoffte er später zu beseitigen. Doch war er klug genug, sich von dieser Veränderung seiner Gesinnungen nichts merken zu lassen, damit der Vater das Opfer, welches er ihm darbrachte, umso höher anschlagen möge. Österreichischerseits tat man alles, um die Prinzessin, bis zur Vermählung, den Wünschen des Kronprinzen gemäß auszubilden; man sorgte für eine geschickte Hofmeisterin; man bemühte sich später sogar, einen ausgezeichneten Tanzmeister für sie zu werben, da der Kronprinz, der damals mit ebenso großer Leidenschaft wie Anmut tanzte, sich über ihren Tanz missfällig geäußert hatte. Die Heirat war auf das nächste Jahr bestimmt, vom kaiserlichen Hofe suchte man dieselbe nach Möglichkeit zu beschleunigen, damit das bisher Gewonnene nicht wieder verloren gehe, was der damals sehr schwankende Gesundheitszustand des Königs befürchten ließ.
Nach Beendigung der Festlichkeiten kehrte der Kronprinz nach Ruppin zurück. Die Ruhe, welche er hier genoss, tat seinem Geiste innig wohl. Zwar ließ er es sich aufs Eifrigste angelegen sein, das ihm anvertraute Regiment unablässig zu üben, für dessen Wohl und Tüchtigkeit zu sorgen, besonders aber, demselben durch die Anwerbung großer Rekruten in den Augen des Königs ein möglichst stattliches Ansehen zu verschaffen; auch versäumte er nicht die ökonomischen Angelegenheiten, die ihm der König gleichzeitig aufgetragen hatte; doch waren die Mußestunden hier ohne weiteren Zwang der Bildung seines Geistes, der Lektüre und Musik gewidmet. Ernstlicher als in früherer Zeit konnte er jetzt auf eine wissenschaftliche Durchbildung bedacht sein, und die großen Männer und die großen Taten der Vorzeit, traten im Spiegel der Geschichte, zu gleichem Tun begeisternd, vor sein inneres Auge. Nahe bei Ruppin selbst, bei Fehrbellin, war klassischer Boden: Hier hatte vor einem halben Jahrhundert des Kronprinzen Ahnherr, der große Kurfürst, die Scharen der Schweden wie ein Gewittersturm vernichtet und sein Land frei gemacht. Er besuchte die Wahlstatt, sich von allen Einzelheiten des denkwürdigen Vorganges zu unterrichten, wohl ahnend, dass seine eigene Zukunft ein solches Studium notwendig machen werde. Ein alter Bürger von Ruppin, der jener Schlacht in seiner Jugend beigewohnt, war sein Führer. Als man die Besichtigung vollendet hatte, fragte diesen der Prinz heiteren Mutes, ob er ihm nicht die Ursache jenes Krieges sagen könne. Treuherzig erwiderte der Alte, der Kurfürst und der Schwedenkönig hätten in ihrer Jugend zusammen in Utrecht studiert, hätten sich aber so wenig miteinander vertragen können, dass es endlich zu solchem Ausbruche habe kommen müssen. Er wusste nicht, dass ein ähnliches Verhältnis zwischen Friedrichs eigenem Vater und dem Könige von England fast zu gleichen Folgen gefühlt hatte und dass es nicht ohne wesentlichen Einfluss auf das Schicksal des Kronprinzen gewesen war.
Zu gleicher Zeit aber sollte ihm auch die Gegenwart das großartigste Beispiel zur Nacheiferung darbieten, und es musste dasselbe umso tiefer auf sein Gemüt wirken, als es gerade der eigene Vater war, der sich hierdurch den Augen der Welt in hochwürdiger Weise darstellte. Es war das Jahr 1732, in welchem Friedrich Wilhelm den protestantischen Bewohnern von Salzburg, die in der Heimat um ihres Glaubens willen bedrückt und verfolgt wurden, seine königliche Hilfe darbot und ihnen in seinen Staaten eine neue Heimat und eine sichere Freistatt eröffnete. In unzähligen Scharen, mehr als zwanzigtausend, betraten die Auswanderer das gastliche Land, wo ihnen, in den Provinzen Preußen und Litauen, weite, fruchtbare Strecken, die durch Pest entvölkert waren, angewiesen wurden. Viele hatten ihr Hab' und Gut im Stiche lassen müssen; umso eifriger kam man ihnen in allen Orten des preußischen Staates, die sie durchzogen, mit wohltätiger Spende entgegen, indem überall das Beispiel im Kleinen nachgeahmt ward, welches der König im Großen ausübte. Von Friedrichs Gesinnungen zeugen seine Briefe aus jener Zeit. „Mein Herz treibt mich (so schreibt er aus Ruppin an Grumbkow), das traurige Los der Ausgewanderten kennenzulernen. Die Standhaftigkeit, welche diese braven Leute bezeugt, und die Unerschrockenheit, mit welcher sie alle Leiden der Welt ertragen haben, um nur nicht der einzigen Religion zu entsagen, die uns die wahre Lehre unsers Erlösers kennen lehrt, kann man, wie es mir scheint, nicht genug vergelten.
Salzburger kommen nach Preußen
Ich würde mich gern meines Hemdes berauben, um es mit diesen Unglücklichen zuteilen. Ich bitte Sie, verschaffen Sie mir Mittel, um ihnen beizustehen; von ganzem Herzen will ich von dem geringen Vermögen, das ich besitze, alles hergeben, was ich ersparen kann“ usw. „Ich versichere Sie (so fährt er in einem anderen Briefe fort), jemehr ich an die Angelegenheit der Ausgewanderten denke, jemehr zerreißt sie mir das Herz.“ – Wir haben keine Zeugnisse, wie viel der Kronprinz für jene Unglücklichen getan; aber es sind Züge seines Lebens genug, und auch aus jener Zeit, vorhanden, die es erkennen lassen, dass solche Äußerungen gewiss durch Taten begleitet waren.
In der einen, so eben, angeführten Briefstelle bittet Friedrich den General Grumbkow, der sich das Vertrauen des Kronprinzen zu erwerben gewusst, ihm Geldmittel zu verschaffen: er war solcher Unterstützung nur zu sehr bedürftig. Er war vom König immer noch auf eine, im Verhältnis zu seiner Stellung beschränkte Einnahme hingewiesen. Dabei hatte er es, trotz aller Fürsorge des Königs, noch immer nicht lernen können, sich eines sparsamen Haushaltes zu befleißigen; manche bedeutendere Ausgaben wurden ihm teils durch äußere, teils durch innere Notwendigkeit auferlegt, und bald war die Summe seiner Schulden aufs Neue zu einer namhaften Höhe angewachsen. Die großen Rekruten, die einmal zur Ausstaffierung seines Regimentes unumgänglich nötig waren, konnten nur durch die Aufopferung sehr bedeutender Mittel angeworben werden. Seine Schwester, die Gemahlin des Erbprinzen von Bayreuth, befand sich in einer ebenfalls sehr unbehaglichen Lage, indem sie weder in Bayreuth von ihrem Schwiegervater, noch in Berlin von ihrem Vater eine genügende Ausstattung erhalten hatte; seinem alten treuen Lehrer Dühan ging es in seiner Verbannung auch nur kümmerlich; beide liebte er zärtlich, und er betrachtete sich als Schuld der Ungnade, die der König auf sie geworfen hatte. Gern teilte er mit ihnen, was er aufzubringen imstande war. Solche Verhältnisse aber waren dem österreichischen Hofe im allerhöchsten Maße erwünscht; sie gaben Gelegenheit, den Kronprinzen, den ein jeder Tag zum Herrscher machen konnte, auf eine festere Weise als durch die bisherigen Versuche an die Interessen Österreichs zu knüpfen. Man leistete ihm bedeutende Vorschüsse, die bald den Charakter eines förmlichen Jahrgehalts annahmen; man gewährte dasselbe der Prinzessin von Bayreuth, indem man den Einfluss wohl kannte, den gerade sie auf den Kronprinzen ausübte; man verschaffte Dühan eine kleine Stellung in Wolfenbüttel und sicherte auch ihm eine besondere Pension zu. Mit der äußersten Vorsicht wusste man alles dies zu bewerkstelligen, so dass der König davon keine Kunde erhielt. Friedrich war wohl imstande, die Absicht des österreichischen Hofes zu durchschauen; aber er nahm das an, wozu ihn die Notwendigkeit zwang. Wie wenig ehrlich die österreichische Gesinnung bei solcher Teilnahme war, wie wenig sie wahrhaften