Margrit Lange

Mails von Marge


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ich bin ein sehr guter Läufer – stark, energisch, ha! Dabei ist sein Körpermaß ca. 160 cm. Die meisten Passagiere fliegen weiter nach Bilbao. Türkis grummelt immer noch. Zicke.

      Vom Flughafen Bilbao soll ein Bus in die Stadt zum Busbahnhof fahren. Er war natürlich schon weg. Vor der Haltestelle stehen alle meine “Freunde“. Obwohl das Käsebrot ist jetzt wohl alle. Stechschritt fragte ob wir heute noch die erste Etappe laufen wollen. Es ist bereits 13.30 Uhr. Klapskalli.

      Als der Bus kam (angegebene Fahrplanzeiten wollen wir mal schlicht vergessen) und wir einstiegen, konnte ich endlich mein vorzügliches Spanisch anbringen „Dos billete a Bilbao por favor“. Na ja, der Bus fuhr ja auch nur nach Bilbao.

      An der zweiten Station stiegen die beiden Frauen aus. Ich war unruhig, wollte auch raus. Wolfgang fragte lieber nach, auf Englisch, sicherheitshalber auf Englisch. Bei meinem Spanisch! Wir blieben bis zur Endstation sitzen und die Weibsen waren wir auch los.

      Es war gestern heiß – sehr heiß. Die Luft bestand nur aus durchsichtigen Marshmallows. Dann kam nach langer Trockenheit das Gewitter. Ein Instinkt schreit – los reiß dir die Klamotten vom Leib und tanze durch den prasselnden Regen. Eine Reinigung - nicht nur der Luft. Was hielt mich davon ab, mich zu entblättern? Das Gewitter oder die Nachbarn – beides. Schade eigentlich.

      Nun wollen wir aber wieder auf den richtigen Weg kommen.

      Busbahnhof Bilbao, mein zweiter Einsatz „Dos billete a Pamplona por favor“, hat geklappt. Hielt zwei Fahrkarten nach Pamplona, Abfahrt 15.15 Uhr, in der Hand. In der Wartezeit lernten wir zwei Pilger kennen. Einen Hamburger und einen Rheinländer. Der Rheinländer war sehr aufgeregt. Er möchte den Camino in Logroño beginnen, ist überhaupt nicht vorbereitet und möchte negative Dinge die sein Leben begleitet hatten weglaufen. Der Hamburger war ein Jahr zuvor ab Saint-Jean-Pied-de-Port gelaufen. Er wäre süchtig geworden und wird ab Burgos beginnen. Er hatte seinen Rucksack auch mit einem Plastiksack vor Verschmutzung gesichert. Er arbeitet bei der Lufthansa. Wir verabschiedeten uns mit einem ¡Buen camino! – sehr sympathisch.

      Die Busfahrt nach Pamplona verlief sehr geruhsam, wir waren beide eingenickt. Pamplona ist größer, als ich erwartet hatte. Auf unserem Miniplan von Outdoor brauchten wir nur über den Rio Arga einer Brücke folgen, schon sind wir am Hotel. Theoretisch, praktisch liefen wir in die falsche Richtung. Klar, weil wir den Rio Arga gar nicht sehen konnten. Also fragen. Nun konnte ich schon mal feststellen, dass ich überhaupt kein Spanisch kann. Ich verstand mal nix, zum Glück gibt es ja noch Handzeichen. An der Stadtmauer angekommen sehen wir ganz – ganz weit unten den Rio Arga. Beim Hinuntertapern der Treppen graute mir schon vor dem Morgen. Überall wo man hinunter geht, muss man ja auch wieder hinauf. Gedankenächs.

      Nach überqueren der Brücke beginnt ein neuerer Stadtteil. Oft hatten wir nach dem Hotel gefragt. Margie hatte wieder nichts verstanden – Dialekt? Lass ich jetzt mal so stehen. Nach gefühlt gelaufenen 5 km hatten wir endlich unser Hotel erreicht. Unsere erste Unterkunft war in Ordnung – vale. Sind noch wieder zurück in die Stadt gelaufen, wollten etwas essen. Gegenüber der Brücke standen viele Leute. Komisch, nachsehen, aha, mitten in der Stadtmauer fährt ein Seil-Lift in die Altstadt. Leckere Tapas gegessen und ab in Bett.

      Wir waren schon schön eingeduselt, saßen plötzlich wie auf Kommando aufrecht im Bett. Es kruschelte an der Tür und sie wurde aufgeschlossen, geöffnet und wieder geschlossen. (Ich klau dem Schei… vom Bauhof gleich die nervige Säge) Wolfgang sprang auf und steckte den Schlüssel ins Schloss. Was war das denn. Fühlte mich gerade sehr – sehr sicher.

      Pamplona – Puente la Reina

      Es war Sonntag der 15.05.2011, nach dem Frühstück ohne mantequilla (Butter), die hatten sie vergessen, ging es los. Deckten uns noch mit Brötchen und Wasser ein. Pilgerten durch Pamplona. Ich wollte unbedingt noch einen Pilgerstab haben. An der Universität of Navarra, Universität päpstlichen Rechts, Opus Dei, trafen wir einen Geistlichen, Wolfgang unterhielt sich mit ihm auf Englisch.

      Heute Morgen sah ich auf den Wecker, es war 10.30 Uhr, mensch, hab ich aber gut und lange geschlafen. Stimmt nicht, es war erst 6.50 Uhr. Während unserer Abwesenheit gab es einen Stromausfall und ich hatte den elektrischen Wecker noch nicht wieder richtig eingestellt. Fühle mich gleich unausgeschlafen. Reibe mir die Augen und weiter geht es.

      Wir umkreisten, ich lief im würdigen Abstand von zwei Metern hinter den Männern, das gesamte Gelände der Universität. Der Geistliche sieht sehr gut aus, wieder ein Fall von Verschwendung, nix zu holen für Mädels. Seinen Gang kenn ich von meinem jungen Chef. Ja genau, dieses leichte Nachhüpfen mit der Ferse. Wolfgang teilte mir mit, dass sie zwar keine Pilgerstäbe hätten, aber wir könnten Stempel in unseren Pilgerpass bekommen. Ich wollte keinen Stempel, ich wollte einen Stab. Wir warteten vor einem vergitterten Fenster, nix tat sich. Wollten schon von dannen ziehen. Plötzlich ging das Fenster im Hochparterre auf. Ein Mann mit grimmigem Gesicht wedelte mit seinem behaarten Arm herum. Hätte Wolfgang nicht ganz schnell seinen Pilgerpass hingereicht, wäre das Fenster zugeknallt worden. Opus Dei eben.

      Nun waren wir einen km extra gelaufen, Wolfgang hatte einen schönen Stempel von der Uni und ich immer noch keine Wanderhilfe. Es war ja Sonntag, alle Geschäfte, außer Panderien (Bäckereien) und Bars, waren natürlich geschlossen. Später, wenn wir in unsere Pässe geschaut hatten, ärgerte ich mich schon ein büsschen, dass ich ausgerechnet diesen besonders schönen Stempel nicht habe. Hatte mir aber vorgenommen nur in den Orten, wo ich meine Tagesetappen beende, meinen Pass abstempeln zu lassen.

      Vorher liefen wir durch die Straßen von Pamplona, immer die Augen konzentriert auf die Muschel in den Fußwegplatten oder den gelben Pfeilen an den Hauswänden geheftet. Bloß nicht verlieren - den Weg. Auf der anderen Straßenseite lief ein anderes Pilgerpaar. Er schreitet gleichmäßig gehend, natürlich mit einem Pilgerstab ausgerüstet. Seine Frau wirkte lebendiger, quirliger, sie benutzte einen Stick. Also wir sind nicht alleine auf dem Camino. Wechselseitig schaute man hinüber.

      Wir liefen locker durch die Stadt, dann durch die Vororte. Echt locker. Es ist Sonntag und was machen die Spanier? Es werden keine Stiere getrieben, sondern die Menschen folgen ihrem Bewegungstrieb. Es wird voller auf dem Camino. Fahrradfahrer, Jogger (Mädels immer mit Handtäschchen – immer!!!) Und ganz viele Sonntagspilger.

      Es wurde voll. Vor uns läuft eine Gruppe Franzosen. Ohne schweres Gepäck, Luxuspilger, mit gebuchten Hotels, Transportservice. Alle mit Sticks. Grummel!! Eine Frau, in pinkem Shirt, von der Gruppe sabbelte die ganze Zeit. Immer wenn uns Fahrradfahrer, Jogger oder Pilger überholten, oder entgegenkamen, wurde uns ein freundliches ¡Hola! - ¡Buenos días! - ¡Buen camino! Zugerufen. Entsprechend wurde von uns geantwortet. Es sind viele an uns vorbeigezogen. In Cizur Menor gibt es zum Glück eine Bar und wir machten unsere erste Pause. Es ist wirklich Zeit für einen Cafe und na? Klar es ist Smokytime.

      Auch ein anderes Paar steuerte die Bar an. In hightech Ausrüstung. Sie rotbackig, immer grinsend mit einer Bauchtasche, in der Größe eines zweiten Rucksackes. Klimatisierte Getränkeflaschen baumeln daneben, auf dem Kopf eine Kappe. Er hat ein Melonengesicht, ein GPS-Gerät hängt an seinem Hals. Seine Getränkeflaschen hängen auch vor seinem nicht unüppigem Bauch. Wahrscheinlich zieht er sie wie Pistolen aus dem Halfter. Hey – ich habe Durst – peng – peng. Und – und jeder hat zwei Sticks – zwei!!! Jeder!!! Ich hatte immer noch keinen Stab oder Stick. Hightech Holländer eben. Wir redeten ein büsschen und zogen dann weiter.

      Im Outdoor Reiseführer stand für Radfahrer: Die Fahrt auf die Passhöhe des Puerto del Perdón ist sehr anstrengend, die daran anschließende Abfahrt dann wahrhaft halsbrecherisch. Ach ja, und was ist mit Pilgern, die zu Fuß gehen? Haben wir Flügel? Segeln wir eben mal auf den Pass und mit zwei Flügelschlägen sind wir auch schon wieder unten?

      Nö, wir liefen nur bergauf, die sabbelnden Franzosen vor uns. Immer bergauf. Ich krallte meine Hände in die Trageriemen meines Rucksackes (wo sollte ich auch sonst mit ihnen hin – jammer – wo ist mein Stöckchen) zählte immer 10 Schritte – schnaufen – 20 Schritte – schnaufen. An der Wegstrecke standen alle Marlboro´s meines Lebens. Sie bogen sich vor Lachen, ätzend. Ich sah vor mir immer Wolfgangs Po-Bäckchen, sind gar nicht so