Isabella Kniest

In Your Arms


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mich leicht zusammenzucken. »… Aber wieso … Was habe ich dir getan?«

      Er dachte tatsächlich, ich hätte das Hotel seinetwegen fluchtartig verlassen?!

      Mein Gott!

      Was hatte ich da angerichtet …

      »Du hast mir nichts getan«, versuchte ich zu beruhigen. »Ich … ich konnte es einfach nicht ertragen, dich noch länger anzusehen, Zeit mit dir zu verbringen, wo ich wusste, dass ich dich nie mehr wiedersehen werde.«

      Erkenntnis besänftigte seinen starren Gesichtsausdruck. »Dann hast du …«

      Ich kratze irgendeinen nicht vorhandenen Rest Mut zusammen und begann zu erklären: »Ich … ich … nun ja … ich mag dich unwahrscheinlich gerne … Ich wollte dir furchtbar gerne sagen, wie viel du mir bedeutest … aber letztlich traute ich mich nicht mehr.« Unmöglich zu unterdrückende Tränen fingen an, sich in meinen Augen zu bilden. »Ich hatte solche Angst, du würdest mich wegstoßen … Gott, ich hatte solche Panik davor, es erneut zu erleben. Es ist derart oft passiert … erst vergangenen Herbst das letzte Mal … Immer … immer, wenn ich dachte, jemand hege Interesse, wurde ich eines Besseren belehrt … zweimal passierte es mir in der Schulzeit … daraufhin in einem Kurs … dann in der Arbeit.« Schluchzend suchte ich seine klaren strahlenden Augen. »Ich ertrage das nicht mehr … Noch eine Abfuhr … ich hätte es nicht mehr überstanden. Ich konnte einfach nicht mehr … deshalb bin ich ohne Verabschiedung verschwunden … Bitte glaub mir, ich wollte dich nicht verletzen. Wenn ich gewusst hätte –«

      Jan drückte mich an sich – und der sich in den letzten Monaten aufgestaute Druck brach über mich herein – wie eine stumme Welle tödliche meinen Brustkorb zerquetschende Gewalt …

      Träne um Träne suchte der Schmerz sich einen Weg aus meiner Seele. Träne um Träne lähmten und schüttelten mich Emotionen der Verzweiflung und Trauer.

      »Jetzt verstehe ich dich.« Sanft wie der Flügelschlag eines Schmetterlings drang Jans Erwiderung mir ins Ohr. »Jetzt verstehe ich alles. Endlich verstehe ich, wieso du dich einerseits distanziert, andererseits meine Nähe gesucht hast. Jetzt verstehe ich alles.«

      Mit einem jeden einzelnen seiner kostbaren Worte nahm meine schwere Last allmählich wieder ab.

      »Du musst mir noch mehr erzählen … Du musst mir alles erzählen.« Er beschenkte mich mit einem Kuss. »Und dann erzähle ich dir, was ich durchmachte … diese letzten Monate ohne dich. Diese Monate, in welchen ich dachte, ich wäre dir egal.«

      Egal.

      Es krampfte mir Herz und Seele zusammen.

      Was hatte ich getan?! Was hatte ich Jan zugemutet?!

      »Du warst mir nie egal«, beteuerte ich. »Nie.«

      »Ja … jetzt weiß ich es.« Mit einer nicht zu beschreibenden Umsichtigkeit zog er mich hoch. »Komm. Reden wir später weiter. Setzen wir uns erst zu Tisch und essen dein gutes Mahl, in Ordnung?«

      Nickend tat ich wie verlangt.

      Diese Situation erschien mir sekündlich verrückter … und schöner … und romantischer … und realer.

      …

      Ich sollte seine Traumfrau darstellen? Ich sollte wie Christina sein?

      …

      Während ich die Eierspeise hinunterwürgte, wurde ich von tausenden Fragen und Zweifeln bombardiert.

      Sie überfielen mich, vereinnahmten mich, verwirrten wie beruhigten mich.

      Konnte all dies tatsächlich die Wirklichkeit sein?

      Träumte ich wahrhaftig nicht? War ich wirklich munter? Saß Jan wahrlich mir gegenüber?

      Dieser wunderbare Mann, dessen Sanftheit und Mitgefühl mir in all der Zeit nicht aus dem Sinn gegangen waren, dessen liebreizende Zusprüche mir selbst Monate nach unserem ersten Zusammentreffen Trost gespendet hatten – dieser Mann saß nun vor mir, verspeiste mein Essen und lächelte mich dabei glücklich an.

      Ein über seine zarten Gesichtszüge huschender Schatten beendete meine Überlegungen abrupt.

      »Die gesamten Monate vermutete ich, du hättest kein Interesse.« Er wählte seine Worte mit äußerster Sorgfalt. Dies bemerkte ich einerseits an seiner verlangsamten Sprachgeschwindigkeit, andererseits an der kleinen zwischen seinen Augenbrauen in Erscheinung tretenden Falte. »Dann vermutete ich, du könntest mich womöglich doch mögen … alsbald ich jedoch an deine hastige Abreise zurückdachte, verwarf ich diese Vermutung.« Kurzzeitig hielt er inne. »Dessen ungeachtet schmerzte es mir solchermaßen in der Seele … Ich kann es nicht in Worte fassen, wie weh es mir tat.«

      »Es tut mir aufrichtig leid.« Beißende Schuldgefühle ließen mich regelrecht erstarren. »Das war niemals meine Absicht gewesen.« Ich fuhr mir über die Nase. »Aber wenn es dich vielleicht tröstet: Mir ging es komplett gleich.«

      »Du –« Sein Mund klappte auf. »Du hegtest die gleichen Zweifel?«

      »Ja.« Ich trank einen Schluck des süßlichen an einen heißen Sommertag erinnernden Himbeersaftes. »Zuallererst dachte ich, du magst mich … Dann begann ich zu hadern, verwarf alle Hoffnung … und darüber hinaus hatte ich eben die Sorge, mir dies neuerlich einzubilden … wie ich es mir in der Vergangenheit stets eingebildet hatte.«

      »Grundgütiger, waren wir töricht!« Ein Kopfschütteln seinerseits folgte. Und darauf ein leises für mich nicht nachvollziehbares Kichern.

      »Jetzt denk mal genau darüber nach«, sprach er sich an die Stirn fassend weiter – als vermochte er meine Verwirrung sofort zu bemerken. »Ich meine, wie blöd sind wir beide eigentlich?«

      …

      Wie?!

      »Wir leiden hier monatelang wie geschlagene streunende Hunde … dabei wollten wir lediglich beim jeweils anderen sein … Wir wussten, wir mögen uns, dennoch haben wir durchwegs gezweifelt … Diese Zweifel stürzten uns in eine buchstäbliche Depression.« Für einen Moment schloss er die Lider. »Stell dir das vor!« Neuerlich schüttelte sein wunderhübsches Haupt. »Wenn es nicht derart schrecklich wehgetan hätte, würde ich jetzt darüber lachen.«

      Und damit verstand ich.

      Und wie ich verstand.

      »Hätte ich dich angerufen«, murmelte ich zustimmend. »Anstatt mir das Hirn zu zermartern … wäre ich einfach zu dir gefahren, hätte ich mir Monate des Schmerzes erspart.« Ich nippte an meinem Glas. »Ich hatte solche Panik, wodurch ich mir letzten Endes alles verdorben habe. Ich habe mein eigenes Leben in tiefste Finsternis getaucht, und deins mit dazu.«

      Es war typisch!

      Mit meiner Abreise, meinen Ängsten und Befürchtungen hatte ich Jan verletzt – wie ich es stets irgendwie fertig brachte, geliebte Menschen zu verletzen.

      Jans Verneinung zog mich aus meinem Selbstmitleid. »So ist das nicht. Du hattest Angst, du hattest Enttäuschungen erlebt.« Er senkte das Haupt. »Ich kenne dieses Gefühl. Zu gut. Mir ist es haargenau gleich ergangen. Bloß traute ich mich meistens erst gar nicht, eine Frau anzusprechen.« Sein Tonfall verlor mehr und mehr seiner anfänglichen Stärke. »Darum muss ich nicht auf derlei viele Enttäuschungen zurückblicken, wie es bei dir der Fall zu sein scheint.«

      Wie bitte?!

      Gut, Jan war nicht eben der Mutigste – dass es ihm allerdings vergleichsweise ähnlich wie mir ergangen sein sollte, war schlichtweg unglaublich! Immerhin war er Autor … und Kellner. Er besaß diesen gewaltigen Wortschatz, dieses besondere Feingefühl. Welche Frau sprachen solche Charaktereigenschaften nicht an? Welche Frau fand einen solchen sympathischen, wunderschönen und feinfühligen Mann nicht attraktiv?

      Langsam richtete er sich auf. »Deshalb traute ich mich anfangs nicht, dich gerade heraus anzusprechen.« Er vollführte eine drehende Geste mit der linken Hand. »Die Sache mit dem Spaziergang im Schnee zum Beispiel war mir rein zufällig herausgerutscht. Denn, um ehrlich