Isabella Kniest

In Your Arms


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und dies alleinig meinetwegen!

      Ich fasste nach dem schwarzen Kunststoffgriff und hielt den durchsichtigen Schirm über unsere Köpfe. »Eigentlich ist es längst egal, ob wir den Schirm benutzen oder nicht … Wir sind sowieso bis auf die Knochen nass.«

      Ein leises Kichern drang aus Jans Mund. Ungeachtet der Lautstärke brachte es mir beträchtliche Erleichterung.

      »Stimmt … aber irgendwie fühle ich mich damit dennoch sicherer.«

      Seine erkaltende Hand in meiner haltend eilten wir durch die regendurchfluteten Gassen.

      Leute erblickte ich nun keine mehr. Weder verliebte Pärchen noch Pensionisten oder Vertreter. Selbst der Verkehr hatte mindestens um die Hälfte abgenommen.

      Von diesen Dingen nahm ich allerdings bloß am Rande Notiz. Jans leuchtender Blick, seine allfälligen spontanen, von Donnergeräuschen hervorgerufenen Umarmungen und die daraus resultierenden prickelnden Gefühle in meinem Leib sowie meine regennasse Brille raubten mir die Sicht auf all diese unwesentlichen Dinge … Dinge, welchen ich zu viel Beachtung geschenkt hatte. Dinge, welche mich traurig gestimmt hatten …

      Ein neuer Knall veranlasste Jan, sich stürmisch an mich zu pressen – und mich zu küssen.

      Ich musste gestehen, gar so recht verstand ich seine Reaktion nicht mehr, die hochkletternde Geborgenheit wie verstandabdrehenden Gefühlsstürme waren dafür einfach viel zu schön, um lange genug darüber nachgrübeln zu können oder zu wollen.

      Langsam, widerwillig, ja sich regelrecht dazu zwingend ließ er von mir ab.

      Hätte der zärtliche Kuss mir nicht bereits den Atem geraubt, spätestens angesichts dieser sinnlichen Reaktion hätte ich nach Luft schnappen müssen.

      »Hat dir das ein wenig die Furcht genommen?«, fragte ich, alsbald meine Atmung sich teilweise beruhigt hatte.

      Offensichtlich nahm diese Küsserei mir sämtliche Hemmungen, an welchen ich üblicherweise litt …

      Ein liebevoll scheues wie verschmitztes Lächeln schlich sich auf seine Lippen. »Ja, absolut. Da können nicht einmal die Geschichten meiner Großmutter mithalten.«

      Ich konnte mich partout nicht davon abhalten, loszukichern.

      Jan stimmte mit ein.

      Erst ein weiterer Donner brachte uns dazu, innezuhalten. Und letztlich klammerte Jan sich wieder Schutz suchend an mich und verlangte meine Lippen, welche ich ihm gerne und mit rasendem Herzen darreichte.

      Und dieses Mal hatte mich tatsächlich ein Blitz getroffen … nicht bloß ins Herz – nein, mitten in die Seele. Vollkommene Sicherheit legte sich um mich. Jans meinen Nacken kraulende Hände lösten wohlig-warme Schauer aus. Seine mich neckisch wie zögerlich erforschende Zunge brachte mich zum Beben und meinen Unterleib zum Glühen.

      Es war unfasslich.

      All diese betörende Liebe, diese zärtliche Intimität tauschten wir umringt von Sturm und Chaos in nahezu seliger Ruhe aus …

      Konnte solch ein magischer Moment eigentlich noch schöner werden?

      Ja.

      Jans glühende Haut auf meiner, sein kaum vernehmbares Seufzen wie sein sachtes aufwallendes Zittern vermochten es.

      Einige wundervolle Minuten später ließen wir voneinander ab.

      Ich schaute tief in seine strahlenden Augen. »Machst du das jetzt, bis wir zu Hause angekommen sind?«

      »Selbstverständlich«, entgegnete er wie aus der Pistole geschossen, einzig um stockend und errötend fortzufahren: »… Dann … Dann … Dann habe ich wenigstens eine Ausrede … um dich immer wieder zu küssen.«

      Eine sich wie Lava anfühlende Hitze preschte mir übers Gesicht.

      Ich hatte wahrlich mit vielem gerechnet, jedoch niemals mit einer derart schlagfertigen wie betörenden Antwort.

      Vor allem nicht aus Jans Mund.

      Er war mindestens ebenso schüchtern wie ich … Woher kam diese Wesensänderung?

      Ging es ihm etwa wie mir? Nahmen seine Zweifel ebenfalls ab?

      Peinlich berührt senkte ich den Blick. »Das ist wohl die schönste Ausrede, die ich jemals gehört habe.«

      Ein Donner hallte an den Wänden der Wohnhäuser wider, veranlasste Jan, sich fester an mich zu pressen. »Solchermaßen schön die Vorstellung auch scheint, dich immer und immer wieder zu küssen … Beträchtlich lieber wäre mir dennoch, wir würden uns wieder auf den Weg machen.«

      »Ja, sicher doch.« Wir ließen voneinander ab. »Mir ist sowieso eiskalt. Dir auch?«

      Mit einem scheuen »Mhm« mir antwortend nahm er meine Hand lieblich in seine.

      »Dann beeilen wir uns«, erwiderte ich. »Du sollst dich nicht noch mehr fürchten müssen.«

      Keine zehn Minuten später erreichten wir meine trockene, vom vormittäglichen Sonnenschein erwärmte und nach Vanille duftende Wohnung.

      »Willst du dich heiß runterduschen?«

      In Jans Wangen kletterte dieses unaussprechlich niedliche Pink. »Ja … sehr gern.«

      Vor Kälte bibbernd hauchte er mir einen schnellen Kuss auf die Lippen.

      Obgleich seiner Kürze fühlte ich mich wie berauscht.

      »Aber willst du nicht zuerst gehen? Du bist ebenfalls durch und durch nass.«

      »Nein … geh nur. So kalt ist mir nicht.« Ich blickte auf das auf meinem Körper klebende Kleid herab. »Es tropft nicht mehr … Bis du fertig geduscht hast, kann ich mich leicht gedulden.«

      Ein neuer schwindelerregender Kuss folgte.

      Wenn dies so weiterginge, würde es mir nicht mehr lange gelingen, mich auf den Beinen zu halten.

      Nun … dafür war mir jetzt umso wärmer geworden …

      Keuchend zeigte ich zur rechts gelegenen Tür. »Das Bad befindet sich gleich da.«

      »Vielen Dank.«

      Er schenkte mir einen dritten Kuss, darauf ein zärtliches Lächeln, ehe er sichtlich widerwillig davonhuschte.

      Leicht schwindelig sah ich ihm hinterher.

      Ich fühlte mich wie in einem zuckersüßen Tagtraum. Alleine eine Tatsache bestätigte mir, nicht zu schlafen: Niemals hätte ich etwas derart Wunderschönes zu träumen vermocht. Weder in der Vergangenheit noch in Zukunft.

      Dennoch ertappte ich mich dabei, wie ich abermals zu zweifeln begann.

      Passierte dies wahrhaftig?

      Konnte ich mich tatsächlich darauf verlassen, mir dieses Geschehnis nicht bloß einzubilden?

      Ich brauchte kein psychologisches Studium, um zu wissen, wie leicht die vielen schrecklichen Erlebnisse des heutigen Tages es vollbracht hätten, mir eine Psychose auszulösen.

      Bilder entstanden in meinem vernebelten Verstand.

      Womöglich lag ich längst auf der geschlossenen Anstalt – mit Psychopharmaka vollgepumpt, die mir diese wundervollen Träume schenkten …

      Je intensiver ich darüber nachdachte, desto logischer erschien die Vorstellung.

      In den vergangenen Monaten hatte ich mich nahezu jeden Tag gewundert, wie ich die nötige Kraft aufbrachte, um aus dem Bett zu klettern und arbeiten zu gehen. Wie oft hatte ich mir gewünscht, einfach tot umzufallen – oder eines Abends einzuschlafen und nicht mehr zu erwachen … endlich dem Schmerz zu entfliehen?

      Zu groß war die Bürde der Einsamkeit geworden. Zu kalt fühlte sich die Welt an. Zu laut wurden ihre Vorwürfe.

      Und