Isabella Kniest

In Your Arms


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geschah derart schnell, für eine unbestimmte Zeit vermochte ich einzig stocksteif dazusitzen und meine Kollegin stumm anzustarren.

      Ihre verengten Augen musterten mich voller Abscheu, Ekel und Hass. »Ich melde das jetzt dem Chef!«

      Der zischende Klang … er drang in meine Seele, zerquetschte sie, zerschnitt sie, zerriss sie …

      »Dann kannst du deine bescheuerten Meldungen ihm vorjammern!« Das dicke Kassabuch in ihrer rechten Hand begann sich zu verbiegen – dergestalt fest hielt sie es. »Ich tue mir das nicht mehr an!« Diese Äußerung knurrend ausgespuckt drehte sie sich um und stöckelte aus dem Büro.

      Alsbald die Tür mit einem Knall in ihre Angeln fiel, zuckte ich zusammen.

      Adrenalin vermengte sich mit Panik und Scham, schlugen mir in den Magen, knetete meine Innereien einmal kräftig durch.

      Übelkeit und eine Eiseskälte brachen über mich herein.

      Zitternd fasste ich nach der Maus und wandte mich dem Bildschirm zu.

      …

      Nun war es so weit …

      Ich würde meine Arbeit verlieren, etwas später dann die Wohnung – und letztlich müsste ich zu meinen Eltern ziehen …

      Und das aus dem einzigen Grund, weil ich mich einmal zur Wehr gesetzt hatte!

      Für den Moment eines Wimpernschlags schaute ich zu meinen Kollegen.

      Ihre mich musternden Augen sprachen genug: Anna hatte recht. Ich war das schwächste Glied in dieser Kette … und eine Kette war bekanntermaßen nur so stark wie das schwächste Glied.

      …

      Ich war eine Bürde.

      Ich war unfähig.

      Wozu war ich überhaupt auf der Welt?

      Das Zittern in den Händen zu unterdrücken versuchend zwang ich mich, die Mails durchzuchecken. Gleichgültig meiner Bemühung gelang es mir nicht, eine einzige Nachricht sinngemäß zu erfassen geschweige denn sie abzuarbeiten.

      Diese meine Eingeweide zusammenziehende Furcht lähmte mich.

      Ich durfte meine Arbeit nicht verlieren!

      Was würden meine Eltern von mir denken? Was würde das Arbeitsmarktservice von mir halten? Immerhin hatte ich diese Stelle allein durch deren Hilfe bekommen!

      …

      Ein eiskalter Stich durchfuhr mich – ausgelöst durch eine neue Gewissheit.

      Wenn der Chef mich fristlos entließe, würde mein Arbeitslosengeld für den ersten Monat gesperrt sein!

      …

      O mein Gott!

      Damit wäre alles aus. Einfach alles.

      Um meiner hochzüngelnden Verzweiflung wenigstens teilweise Einhalt zu gebieten, trank ich einen Schluck Wasser.

      Ich musste mich zusammenreißen. Brach ich in Tränen aus, hätte ich mich bestenfalls erneut der Lächerlichkeit preisgegeben.

      Geholfen jedoch hätte es mir nicht.

      Lautlos atmete ich tief durch.

      Es dauerte einige Minuten, bis mein Körper sich etwas beruhigte und ich meine Arbeit langsam wieder aufnehmen konnte.

      Unvermittelt wurde die Tür aufgerissen – und meine ohnedies schreckliche Lage wurde durch eine weitaus schrecklichere ersetzt.

      Ein schadenfrohes Grinsen im Gesicht tragend trat Anna ins Büro. Mit einem jeden ihrer selbstsicheren auf mich zugehenden Schritte beschleunigten sich mein Puls wie meine Atmung. Dazu gesellte sich ein bitterer Geschmack in meinem Mund und ein stechender mir den Verstand blockierender Kopfschmerz.

      »Du sollst zum Chef.« Sie klang gefasst, ja regelrecht glücklich. »Er hat mit dir ein ernstes Wörtchen zu reden.«

      Nicht vorhanden Speichel schluckend erhob ich mich.

      Meine Knie bebten, mein Kopf fühlte sich seltsam kalt an.

      »Viel Spaß.«

      Ich konnte ihre Stimmlage nicht mehr recht beurteilen – zu sehr musste ich mich darauf konzentrieren, das Gleichgewicht zu halten, um nicht zu Boden zu stürzen.

      Die anprangernden Blicke der Kollegen im Rücken spürend verließ ich das Zimmer.

      Was dachten sie von mir?

      Aber weitaus wichtiger: Was würde nun folgen?

      Verlor ich meinen Job? Verlor ich meine Zukunft? War ich denn für wirklich gar nichts zu gebrauchen?

      Während ich unbeholfen durch den langen Gang stakste, glitt mein Blick über die zahllosen undefinierbaren an beiden Seiten hängenden Kunstdrucke. Ein Urteil über sie fällen gelang mir allerdings nicht, befand mein Verstand sich nach wie vor in einer Art Schockzustand. Selbst mein Sehsinn mutete leicht durcheinander an, den dunklen flackernden Flecken nach zu urteilen, welche da vor meinem Blickfeld umher tanzten.

      Mein Leib stetig heftiger erbebend öffnete ich die Glastür, welche Vorraum und Chefbüro miteinander verband.

      Erst zweimal hatte ich Herrn Urbans Büro betreten: das erste Mal aufgrund des Vorstellungsgespräches und das zweite Mal aufgrund des Einstellungsgespräches.

      Der Raum hatte mir nie sonderlich gut gefallen. Die grauen Marmorfliesen, der kolossale asymmetrische Bürotisch aus Glas und die überwiegend in Schwarz und Chrom gehaltenen Einrichtungsgegenstände erweckten den Eindruck von Gefühllosigkeit und berechnender Kälte. Da halfen selbst die hohen Fenster nichts, durch welche die Örtlichkeit von früh bis spät von sanftem Licht durchflutet wurde.

      Mit derselben nackenhaaraufstellenden Ausstrahlung wie das Mobiliar saß Herr Urban auf seinem gewaltigen Lederchefsessel, dessen beißender Geruch mir in der Nase brannte.

      Ein nachtschwarzes Hemd, darüber ein anthrazitfarbenes Jackett und eine silberne Krawatte verliehen Herrn Urban eine autoritäre wie professionell-elegante Ausstrahlung. Selbstsicher hielt er einen silber-schwarzen Kugelschreiber in der linken Hand, während er aufmerksam einen Brief las.

      »Sie wollten mich sprechen«, sagte ich nach einigem Zögern und trat ein. Ich versuchte, gefestigt zu klingen. Zu meinem Leidwesen funktionierte dies nicht einmal annähernd, wie von mir gewollt.

      Er hob den Blick an.

      Das dunkelbraune zu einem lockeren Seitenscheitel gekämmte Haar glänzte im Licht der kleinen Deckenspots.

      »Frau Findinger hat sich bei mir beschwert.«

      Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Demgemäß sagte ich einmal gar nichts.

      Mit triefender Selbstgefälligkeit lehnte er sich zurück. Das Knarzen des Ledersessels bezeugte dabei gleichermaßen von Reichtum wie seine chromfarbene große Uhr, welche selbstgefällig unter seinem Hemdärmel hervor blitzte.

      »Hätten Sie die Güte, mir zu erklären, was zwischen Ihnen und Frau Findinger vorgefallen ist?« In seiner Äußerung schwang derselbe gereizte Ton, mit welchem ich stets von meinen Mitmenschen bestraft wurde, wenn ich nicht schnell genug reagierte.

      »Ich habe einen Fehler gemacht«, gab ich verunsichert zurück. »Den ich allerdings selbst ausgebessert habe.«

      Er wölbte eine Braue. »Und sonst?«

      Ich verstand nicht, worauf er hinauswollte.

      Ein theatralisches Seufzen drang aus seiner Kehle. »Entweder hat Frau Findinger heillos übertrieben.« Es folgte eine Kunstpause, in welcher er mich ungleich abschätziger musterte. »Oder aber Sie, Frau Hirter, bagatellisieren.«

      Seine Stimmlage deutete unverkennbar Letzteres an.

      »Ich verstehe nicht –«

      »Sie waren es doch, die meinte, Frau Kaufmann hätte Ihnen Ihren Posten weggenommen.