Isabella Kniest

In Your Arms


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Kino … Stets mit demselben Ergebnis: Ich lernte niemanden kennen.

      Kein Wunder!

      Jetzt wusste ich, weshalb: Ich war ein Idiot. Ich war ein unfähiger Teil der Gesellschaft – eine Bürde. Man benötigte mich nicht.

      Ich war ein Freak. Jemand, der nichts zuwege brachte. Ein Außenseiter.

      Ungeküsst.

      Unverstanden.

      Ungeliebt.

      Bestimmt erkannten fremde Männer dies bereits, wenn sie mir ins Gesicht blickten. Darum hielten sie stetigen Abstand. Darum sprachen sie nicht mit mir! Da konnte ich noch so hübsche Kleider tragen, mir noch so teure Unterwäsche kaufen … nichts davon würde jemals genügen.

      Jetzt wusste ich es.

      Endlich.

      Es fühlte sich geradezu erleichternd an.

      Du musst dich nur hübsch herrichten, dann wirst du schon jemanden kennenlernen.

      Ein bisschen mehr Schminke und ein kurzes Kleid – nur das zieht bei Männern!

      Du musst freundlich sein! Lächle und tue das, was andere sagen, sonst mögen sie dich nicht.

      Du musst schon ausstrahlen, dass du eine Beziehung eingehen willst! Wenn du so verklemmt wirkst, wird das nie was!

      Mit Kopfschütteln versuchte ich die Erinnerungen zu verscheuchen.

      Es war zu Ende.

      Ich brauchte nicht mehr darüber nachzugrübeln, was ich falsch gemacht hatte.

      …

      Ich war ein Idiot.

      Darum hatte es mir nichts gebracht, meinen Kleiderschrank auszumisten. Darum hatte es nichts gebracht, freundlich zu sein. Deshalb hatte – unerheblich wie sehr ich es wollte – niemals irgendetwas im Entferntesten funktioniert.

      Ich atmete die von Feuchtigkeit und den Asphaltgeruch erfüllte warme Luft ein.

      Dieses Wochenende würde ich auf dieselbe Weise verbringen, wie ich ein jedes verbrachte: Ich würde Fern sehen … und das Buch weiterlesen.

      …

      Jans Liebesroman.

      Mein Herz zog sich zusammen.

      Jan …

      …

      Für einen ganz besonderen Menschen.

      …

      Unzählige Male hatte ich darüber nachgedacht, ihn anzurufen. Unzählige Male wollte ich ihm schreiben – am liebsten sofort zu ihm fahren …

      Letztlich getraute ich mich nicht. Zu groß waren meine Bedenken, einem stirnrunzelnden Jan begegnen zu müssen, der nicht verstand, weshalb ich ihm einen Besuch abstattete … erfahren zu müssen, dass er rein gar nichts mit dem Buch zu schaffen hatte …

      Denn seien wir uns ehrlich: Lediglich, weil Jan denselben Vornamen trug wie der Autor des Buchs, bedeutete dies lange nicht, dass er es auch tatsächlich war!

      Zu oft hatte ich mich getäuscht. Zu oft hatte ich angenommen, von jemandem gemocht zu werden … mir zu oft eingebildet, akzeptiert zu werden …

      Viel zu oft.

      Ab heute war endgültig Schluss damit!

      Keine Träume mehr, keine Einbildungen mehr, keine Wünsche mehr!

      Ich hatte es verstanden. Ja, ich hatte verstanden. Man musste mich nicht weiterquälen.

      Es war gut.

      …

      Für einen ganz besonderen Menschen …

      …

      Und selbst wenn Jan den Roman geschrieben hatte, stellte seine Nachricht noch lange keinen Liebes- oder Freundschaftsbeweis dar …

      Der Hauptgrund jedoch, welcher mich bislang von einer Kontaktaufnahme abgehalten hatte, war die Tatsache das Buch noch nicht fertig gelesen zu haben.

      Wie hätte es ausgesehen, wenn ich zu ihm getreten wäre und gesagt hätte: »Ich bin hier. Das Buch habe ich aber noch nicht durch.«

      Nein.

      Erst das Buch … dann konnte ich weiterschauen, ob oder wie ich mich mit ihm in Verbindung setzte.

      Die schillernden Pflastersteine unter meinen Füßen brachten meine Gedanken zurück ins Hier und Jetzt.

      Normalerweise mochte ich das Geräusch der klackenden Schuhabsätze, wenn ich über die Jahrhunderte alten Marmorblöcke meines Lieblingsplatzes marschierte: eine rechteckig angelegte von dutzenden Geschäften umsäumte Lokalität inmitten der Klagenfurter Innenstadt.

      Heute fühlte ich nichts.

      Vielleicht beim nächsten Mal …

      Ich nahm den Ort etwas genauer in Augenschein.

      Obgleich es nach wie vor wie wahnsinnig schüttete, waren mittlerweile bedeutend mehr Menschen unterwegs, welche mit Schirmen oder Regenjacken gegen den Wind ankämpften und ihre Einkäufe erledigten.

      Arm in Arm und glücklich strahlende durch die allmählich zu Seen angewachsenen Pfützen watende Pensionisten, sich küssende und aneinanderschmiegende junge Pärchen …

      Eine auftretende Einsamkeit trieb mir Tränen in die Augen.

      Weshalb … Weshalb konnte in meiner Wohnung kein mich liebender Partner auf mich warten? Und weshalb zog meine Seele sich plötzlich erneut zusammen? Eben erst hatte ich mich viel leichter gefühlt …

      Ein jacher, schmerzhafter meine Beine zum Stehenbleiben nötigender Adrenalinausstoß verdrängte sämtliches Grübeln.

      …

      Völlig verloren stand er da.

      Keine zehn Meter von mir entfernt.

      Ein junger Mann – gnadenlos peitschte der Regen gegen seine zierliche Gestalt, Wind riss an seinen durchnässten Kleidern, goldene Haare hingen ihm schwer in das verzweifelt aussehende Gesicht.

      Schluckend verstärkte ich den Griff, mit welchem ich den Schirm festhielt.

      Konnte das …

      War das etwa Jan?

      …

      Er setzte sich in Bewegung – geradewegs ging er auf mich zu.

      Mit einem jeden näherkommenden Schritt schlug mein Herz ein wenig schneller …

      Und plötzlich stand er vor mir.

      Hellgrüne Augen … schmale Lippen … eine feminine Nase … zierliche Gesichtszüge

      Himmel!

      Er war es.

      Jan.

      Wunderschöner Jan.

      Er stand wahrlich hier vor mir – als hätte meine Sehnsucht ihn hervorgebracht.

      …

      Aber weshalb? Weshalb war er hier? Was –

      Mein Blick huschte über seinen Körper.

      Mein Gott!

      Sein weißes Hemd …

      Es war nicht mehr weiß … die kalte Nässe hatte es durchsichtig gemacht, gewährte mir eine scheue Sicht auf seinen schlanken festen Oberkörper.

      Dieser sinnliche Anblick schickte mir nicht bloß eine glühende Hitze in die Wangen, sondern er entfesselte ebenso einen weiteren heftigen Schlag Adrenalin, welcher in meiner Magengegend ein abruptes Ende fand.

      Ohne jegliche Vorwarnung umfasste Jan mein Gesicht.

      Seine kalten Hände prickelten auf meiner Haut. Mein Leib verkrampfte sich. Mein Herz begann beträchtlich wilder zu hämmern. Flirrende Gefühle