Frater LYSIR

CHAOSMAGIE - Praktische Arbeiten im Chaos und im Kosmos


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Gesetzen der Ordnung. Dennoch wird hier gern der Begriff des Chaos verwendet. Doch vielleicht ist das Wetter empfindlich! Ja, vielleicht! Doch, wogegen ist es denn empfindlich? Taten? Gedanken? Handlungen? Kann ich selbst das Wetter beeinflussen, in dem ich mich einfach auf „Sonnenschein“ oder auf „Regen“ konzentriere? Nun, die Praxis zeigt hier eigentlich, dass es so nicht funktioniert, denn wenn es regnet und ich „Sonnenschein“ denke, hört es (meist) nicht auf zu regnen, gerade dann nicht, wenn das Regenradar zeigt, dass ich im Zentrum einer riesigen Regenwolke bin. Doch vielleicht löst mein Gedanke ja eine Energie aus, die „energetische Dominosteine“ zum Fallen bringt, sodass eben doch der Regen aufhört, nur nicht sofort, sondern erst nach einiger Zeit, da viel Masse bewegt werden muss! Chaos! Ein Umstand, der Verwirrung, Unordnung und Konfusion IST und bedingt!

       Wie empfindlich ist die Welt, das Leben, der Kosmos, das Sein? Reichen hier Gedanken aus? Im magischen Kontext ist die Antwort: „JA!“ Im profanen Alltag wird es meist ein „NEIN!“ sein, da hier die Komplexität des Chaos nicht überblickt werden kann. Dies gilt auch für die Magie, die man mit seinem Tagesbewusstsein erkennt, definiert und erkundet. Doch der Mensch besteht aus viel mehr, als nur seinem „Tagesbewusstsein!“ Echt? Ja! Ein bisschen mehr ist da schon, was Hirnforscher und Psychologen gerne mit einem Vergleich beschreiben. Hierbei ist die Zusammenfassung von Tages- und Unterbewusstsein in etwa 44.444 km lang. Das ist ZU-fällig etwas mehr als der Umfang der Erde (40.004 bis 40.076 km; also ca. 40040 km im Durchschnitt). Wie lang wäre jetzt das Tagesbewusstsein? Etwa die Hälfte? So ca. 22.222 km – weil es ja alles magische Zahlen, Schnapszahlen sind? Nun, knapp daneben! Wenn das menschliche Vermögen aus Tagesbewusstsein und Unterbewusstsein fiktiv einfach 44.444 km lang wäre, dann wäre der Anteil des Tagesbewusstseins ca. 22,222 cm lang. Zentimeter! Nicht Kilometer! Nein, das ist kein Tippfehler! Es wären NUR Zentimeter, definitiv keine Kilometer! Prozentual gesehen wäre dann von dieser Strecke das Tagesbewusstsein ganze 0,0000005 %, während das Unterbewusstsein 99,9999995 % umfassen würde. Natürlich ist dies nur eine Analogie, doch es zeigt hier sehr deutlich, dass das Tagesbewusstsein nicht wirklich umfassend, groß oder auch ausgedehnt ist. Nein, das Unterbewusstsein ist deutlich größer. Man sieht also, dass hier eine gigantische Kluft existiert, eine Leere, eine „gähnende Leere“ und dies führt uns auch zu dem wortwörtlichen Begriff des „Chaos“. Die Vokabel „Chaos“ stammt aus dem griechischen Wort (χάος) und bezieht sich auf das Verb „Chainō“ (χαίνω), was man eben mit „gähnen“, „klaffen“, „spalten“, „offenstehen/aufstehen“ übersetzen kann. Es geht hier also um eine Kluft, um einen Abgrund, um die sprichwörtliche „gähnende Leere“, eine Unendlichkeit, die unbegreiflich ist. Wenn man noch etwas tiefer gehen will, findet man hier Wortwurzeln, die sich auf eine „Gähnschlucht“ beziehen, also eine immens tiefe Schlucht, die sich auf der griechischen Halbinsel Peloponnes befindet, in der Nähe der Stadt Mykene und hier als Sinnbild zu verstehen ist. Da viele Fachwörter der deutschen Sprache aus dem Lateinischen oder aus dem Griechischen entlehnt sind, will ich dennoch kurz erwähnen, dass es auch in der nordischen Mythologie eine „gähnende Leere“, eine „Gähnschlucht“ gibt!

      Diese ist jedoch nicht mit einem realen Ort, einer realen Felsformation, einer realen Schlucht zu vergleichen. Nein, es geht hier um eine „nordische Fachvokabel“, die „Ginnungagap“ lautet. Es ist ein Abgrund, in dem das erste Leben erschaffen wurde. In den nordischen Legenden, Mythen und Sagen, heißt es, dass es schon immer das Eis und das Feuer gab, welche durch einen absoluten Abgrund, einen wahren Abyss, getrennt waren. Dies war Ginnungagap! Wenn man jetzt will, kann man hier erneut eine Verbindung zwischen Ginnungagap und dem eigentlichen, kabbalistischen Abgrund, dem Abyss knüpfen, genauso wie man erneut eine Verbindung mit dem kabbalistischen Begriff „Daath“ knüpfen kann! Zwar weichen die jeweiligen Übersetzungen voneinander ab, denn „Ginnungagap“ bedeutet in der Übersetzung so viel wie „Abgrund der Abgründe“, „Kluft der Klüfte“, „klaffender Abgrund“ oder auch „absolute/gähnende Leere“, wogegen „Daath (דעת)“ einfach mit „Erkenntnis“, „Empfangen“, „Wissen“ oder auch mit „All-Weisheit“ übersetzt werden kann, doch befindet man sich jetzt schon mitten in der Chaosmagie. Es geht um Zusammenschlüsse, es geht um praktische Denkweisen, es geht um Wissen, um Weisheit und um Denkvermögen. Doch dies alles ist auch Chaos! So sieht man jetzt schon, dass spezielle Sichtweisen sich durch verschiedene Paradigmen ziehen können, die man in diesem Kontext aber auch wieder allgemein betrachten kann, sodass sich die Chaosmagie auf eine Ordnung des Wissens, der Weisheit, der Erfahrung und der Praxis bezieht. Chaos und Ordnung, Chaos und Kosmos, es geht immer um Kreation, es geht immer um Entstehungsgeschichten. Und wenn man noch ein wenig im Norden verharren will, dann sieht man bei der Entstehungsgeschichte der nordischen Mythologie, bei der Entstehungsgeschichte des Weltenbaumes Yggdrasil, von dem man wahrlich alle Welten sehen kann, da es hier einen Zusammenschluss von extremen Zuständen, von extremen Kräften gab. In der Schöpfungsmythologie heißt es, dass das Feuer aus Muspellzheimr / Muspellsheim / Muspelsheim zusammen mit dem Eis aus Niflheimr / Niflheim den Riesen Ymir bildete, den Urriesen, also das aller erste Geschöpf der Materie, dessen Namen man mit „Lärmer“ oder auch „Zwitter“ übersetzen kann, und in diesem Kontext das aller erste Lebewesen, als erste manifeste Lebensform zu deuten ist. Durch die Verbindung des Gletschereises aus der Ebene Niflheimr / Niflheim und dem Funkenregen aus der Ebene Muspellzheimr / Muspellsheim / Muspelsheim, also aus dem Zusammenschluss von Feuer und Eis, ist die erste Existenz entstanden.

      Ein Zusammenschluss zweier Geschlechter, was in diesem Kontext spannend ist, da auch in der Genesis das Wesen (oder der Gottesname) Elohym/Elohim verwendet wird, den man wortwörtlich als „Göttin-er“ übersetzen muss, da hier beide Geschlechter betitelt sind. Gut, im nordischen Pantheon sagt man eben „der Riese Ymir“ und in der Genesis sagt man eben den Gottes Namen „Elohym/Elohim“ - im Grunde wird aber das Selbige gemeint. Man sieht, dass es sehr viele ähnliche Ideen gibt, sodass man in diesem Kontext immer wieder darauf hinweisen kann, dass es eine universelle Wahrheit gibt, eine universelle Wahrheit, die letztlich ein gigantischer Kreislauf ist, aus Zerstörung, Schöpfung und Zerstörung. Man könnte auch sagen, dass es das Chaos ist! Doch was entsteht, wenn Zerstörung, Schöpfung und erneute Zerstörung auftauchen? Letztlich doch ein Wirrwarr, eine Unordnung, eine Verwirrung des menschlichen Geistes, der deduktiven, linearen und kausalen Denkweise, oder? Chaos! Ja, die Wortbedeutung ist in der Alltagssprache wirklich die Unordnung, dass Wirrwarr, die Konfusion, die in den verschiedenen Mythologien existiert, und hier eben auch als Pendant, aber auch als Antipode zur Ordnung, zum Kosmos steht. Kosmos, auch wieder ein griechisches Wort (κόσμος), mit der Bedeutung der „Welt“, wobei hier dann auch sofort die „Ordnung“ gemeint ist, eine Ordnung, die sich auf alle erdenklichen, menschlichen Systeme bezieht, egal ob es jetzt eine staatliche Ordnung ist, eine gesetzliche Ordnung, eine Verfassung oder auch eine militärische Ordnung. Aber auch die Übersetzungen von „Pracht“, „Glanz“, „Schmuck“ oder „Kleinod“ sind hier denkbar. Da die griechischen Denkweisen auch immer bei den römischen Denkweisen auftauchen, dies sieht man natürlich extrem in den beiden Panthea, ist es nicht verwunderlich, dass es im römischen Paradigma auch ein Chaos gibt. Dies trägt die Bezeichnung „Caligo“, wobei hier eigentlich ein „dichter Dampf“ ein Ursprung aller Dinge thematisiert ist, aber auch wieder eine Personifizierung stattfand!

      Konfusion! Ordnung! Chaos! Kosmos! Doch ist der Kosmos für ein Chaos anfällig? Wenn der Kosmos ein dynamisches System ist, welches dann für das Chaos anfällig ist, dann bedeutet dies wieder, dass der Kosmos, zumindest in seinen Anfangsbedingungen, enger mit dem Chaos verwoben war, als es jetzt der Fall ist. Konfusion gegen eine Weltordnung, gegen die Ordnung des Lebens, gegen die Ordnung des Universums.

      In den griechischen Sichtweisen, speziell in der Theogonie, also in der „Entstehung der Götter“, des griechischen Dichters Hesiod/Hēsíodos, ist Chaos auf der einen Seite ein Urzustand der Welt, des Lebensraums, der Existenz, gleichzeitig aber auch eine göttliche Entität! Genau genommen ist es eine männliche Schwingung, sodass in der griechischen Mythologie Chaos der Vater von den ersten Göttern ist, speziell von Gaia (die Erde, die Manifestation) von Nyx (die Nacht, das Zwielicht), von Erebos/Erebus (der Finsternis), von Tartaros (die Unterwelt, der Schatten) und Eros (die Schöpfung, was in diesem Kontext aber meist mit Liebe