Jenny Karpe

Zwei Ozeane auf Abwegen


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Wurf katapultierte sie ihn zurück auf die ruanische Seite. Marv bedankte sich zögernd, während Aaron die Beine in die Hand nahm.

      Als Kira nach Hause zurückkehrte, stellte sie fest, dass im Wohnzimmer ein neuer Teppich lag und im Hinterhof eine Leiter lehnte, die zuvor nicht dort gewesen war.

      Kira lächelte in die Dunkelheit hinein und versuchte, sich dieses Lächeln zu bewahren. Es dauerte nur Sekunden, bis sich ihre Mundwinkel an die Kälte in ihren Gliedern erinnerten, an den Sarg. Sie lauschte mit angehaltenem Atem dem Rauschen, welches das Nichts verursachte. Dann ertönten gedämpfte Schritte. Sie waren ungewohnt rasch, Kiras Herzschlag passte sich daran an. Sie zuckte zusammen, als eine schwere Tür ins Schloss fiel.

      »Also, Kiiira«, sang eine Stimme, die Kira den Magen umdrehte. In der Tat, es gab schlimmere Personen als Franca. Niemand sonst sprach ihren Namen so aus, und doch war es unmöglich, dass sie hier war. Celia – die Krähe, wie Kira sie nannte – war nach der Umprogrammierung vollkommen harmlos geworden, und sie lebte auf Insel 317. Nicht hier. Nicht hier. Das musste eine Halluzination sein, oder ein Streich von Franca.

      »Bist du wach, Kiiira?«, säuselte die Stimme weiter. »Ich hoffe doch. Sonst hole ich ein wenig kaltes Wasser und wecke dich.«

      »Nghhh«, machte Kira mit zusammengepressten Zähnen. Es war eine Mischung aus »Bin wach« und »Bin verrückt geworden«.

      »Schön.« Der Tonfall wurde tiefer. »Weißt du, wie man dich am besten quälen kann, Kira?« Das war Aarons Stimme. Sanft, mit dem leichten ruanischen Akzent. Die Art, wie er ihren Namen aussprach, ließ sie beinahe weinen.

      »Man erinnert dich an all die Leben, die du zerstört hast«, erklärte die Stimme von Augustin.

      »W-was soll das?«, rief Kira. »Lass mich hier raus! Ich bitte dich, wir können doch über alles reden!«

      »Reden!«, wiederholte Aarons Stimme spöttisch. »Gutes Stichwort.«

      Plötzlich war es hell. Mit einem metallenen Knarzen hob sich der Deckel ihres Gefängnisses. Es klang, als würde ein rostiges Auto endgültig in sich zusammenbrechen.

      »Reden wir doch einmal über dich und Aaron«, sagte Augustins Stimme. »Meinst du wirklich, dass das etwas wird? Wirst du ihm immer zur Seite stehen?«

      Vor ihren Augen tanzten grelle Punkte, sie konnte nichts erkennen. »Würde ich ja gern«, knurrte Kira. »Wenn man mich nicht aus meiner Heimat gepflückt hätte, verdammt!«

      »Ausreden«, zischte Aarons Stimme. »Ich bin doch hier, Kira. Genau hier. Wo warst du, als ich meinen Vater verloren habe? Wo warst du, als ich auf deine Briefe gewartet habe? Du kamst nur über die Grenze, als es gar nicht mehr anders ging.«

      »D-das war nicht so einfach!«, schrie Kira und rieb sich erfolglos die Augen.

      »Nicht einfach?«, wiederholte Aaron. »Ich nenne das feige. Aber weißt du, das war gar nicht anders von dir zu erwarten. Von einem feigen Huhn.«

      »Du hast nicht das Recht, mich so zu nennen, Franca!«

      »Und wie ich das habe!«, rief die Stimme des Mädchens so schrill, dass Kira sich zusammenkrümmte, um all dem zu entkommen. Dem Licht, den Menschen. Sie waren nicht hier, aber … wie machte sie das? Wieso konnte Franca ihre Stimme derart verstellen?

      Da fiel ihr etwas auf. Woher wusste Franca, was ihr liebster Spitzname für Aaron war? Ihre Leben hatten sich nur einmal gekreuzt, und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem für solche Sprüche keine Zeit gewesen war.

      »Wieso nennst du mich so?«

      »Weil du feige bist, Kira«, antwortete Franca.

      »Aber warum ein Huhn? Woher hast du diesen Begriff!?«

      Sie blinzelte verärgert, sah immer noch nichts. Allmählich packte sie die stechende Angst, zu erblinden.

      »Du hast Aaron so genannt«, stellte Franca fest.

      »Aber du warst nicht dabei! Wer zum Teufel bist du!?«

      »Ach, Carla«, murmelte der Administrator. »Manchmal bist du ein wenig zu clever.«

      Das grelle Weiß verschwand so schlagartig, dass Kira vor Schmerz zusammenzuckte. Sie kannte dieses Gefühl sonst nur von Licht, das eingeschaltet wurde, doch das hier war schlimmer. Angst, Verwirrung und Zorn vermischten sich zu einem Wirbel zwischen ihren Ohren, der ihr den Atem raubte. Der Administrator! Schon wieder wollte er Details über ihre Beziehung wissen, über Aaron und sie. Warum zum Teufel machte er das? Verzweifelt schluchzend tastete sie um sich, doch die schwarzen Wände waren wieder dort. Kira hatte nicht den Hauch einer Ahnung, was die Nummer mit dem Licht zu bedeuten hatte, aber es war ihr auch egal. Alles, woran sie denken konnte, war Chaos.

      Sie hörte nicht, dass die Tür ein zweites Mal aufschwang.

      »Warum zur Hölle schreist du so?«, rief Franca. Ihre Stimme klang, als stünde sie weit entfernt. Wie eine Mutter, die ihre spielenden Kinder anbrüllte, sie sollten gefälligst leiser sein.

      Kira antwortete nicht, wand sich nur weiter in ihrem Gefängnis. Im nächsten Moment fiel sie, riss die Augen auf und fand sich einen halben Herzschlag später auf dem Boden wieder. Was war passiert? Das war nicht die undurchdringliche Schwärze, die sie so lange erdulden musste. Stattdessen war das ein normales, langweiliges Zimmer in irgendeinem Haus. Kein nasses Kellergewölbe, kein futuristischer Friedhof. Also war sie in ein anderes Experiment geschickt worden, oder … der Administrator hatte an der Welt selbst herumgearbeitet.

      »W-was war das?«, flüsterte sie zitternd.

      »Ich habe ein wenig geforscht«, erklärte Franca gereizt. »Das tust du doch auch gerne, hm? Bist eine richtige kleine Forscherin.«

      Kira richtete sich auf. Ihr liebster Gegenstand war nach wie vor das schwarze Teleskop mit den weißen Punkten, das Aaron ihr geschenkt hatte, aber sie konnte sich plötzlich nicht mehr daran erinnern, es in den letzten drei Jahren benutzt zu haben.

      »Ich bin keine Forscherin«, murmelte sie verwirrt. »Ich schaue nur gerne in den Himmel.«

      »Pff, in den Himmel.« Franca pustete sich eine Strähne aus der Stirn. Dabei musterte sie Kira so genau, als zählte sie ihre Sommersprossen. Dann überkam sie ein Lächeln, aus den Untiefen ihrer pechschwarzen Seele. Franca atmete hörbar durch die Nase aus. Was nun folgte, ließ Kira so tief in ihrem Inneren erschaudern, dass sie glaubte, einen Eisberg zu gebären. Franca trat einen großen Schritt vor und öffnete den Mund. In diesem Moment erschien der Teufel höchstpersönlich. Mit hellblau glühenden Armen rang er Franca nieder und überwältigte sie zwischen zwei Wimpernschlägen. Er sah auf, musterte Kira von oben nach unten, tippte sich an die Stirn und sagte: »Cheers.«

      Dann tauchte Kiras Kopf in Schnee.

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