Tobias Fischer

Veyron Swift und der Schattenkönig


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gehen durch ihn durch«, kreischte Sue, das letzte noch lebende Mitglied des SCO-19-Teams. »Er ist wie ein Schatten!«

      Schwarzes Metall sirrte durch die Nacht, Sues Keuchen erklang, dann war es still. Lester spürte, wie ihm feucht und warm im Schritt wurde. Oh mein Gott, ich mach in die Hose, dachte er. Er blickte durch die gepanzerte Scheibe nach draußen. Da stand er, der Fremde. Wie der Tod persönlich sah er aus, doch in das gepanzerte ARV könnte er kaum eindringen. Lester spielte mit dem Gedanken, Gas zu geben und den Kerl einfach über den Haufen zu fahren. In diesem Moment hob der Fremde sein schwarzes Schwert; Flammen züngelten die Klinge entlang und ballten sich an der Spitze zu einer Kugel aus Feuer. Dann schoss der Flammenball auf das ARV zu, hüllte es ein. Lester schrie auf und hob die Arme vors Gesicht.

      Wenige Augenblicke später explodierte das ARV, wurde vom magischen Feuer des Angreifers in sämtliche Einzelteile auseinandergerissen – zusammen mit Inspector Lester und allem technischen Schnickschnack, den die Polizei gegen Kriminelle und Terroristen aufzubieten wusste.

      Tom kämpfte darum, am Bewusstsein zu bleiben, während die Vampire – er zählte drei – vom Fensterbrett in die Wohnung sprangen. Es waren große Männer mit breiten Schultern, von Kopf bis Fuß in schwarze Lederkombis gehüllt. Waffen trugen sie keine bei sich, aber die brauchte ein Vampir auch nicht. Ihre Kraft, die das Fünf-, vielleicht sogar Zehnfache eines Mannes betrug, reichte völlig.

      Als Erstes packten sie die beiden SCO-19-Polizisten, hoben sie mit Leichtigkeit vom Boden und schmetterten sie gegen die Wände. Dann rissen die Vampirattentäter ihre Münder auf und bleckten ihre langen, weißen Fangzähne. Tom ahnte bereits, was kommen würde, denn ihre Fingernägel waren messerscharfe Krallen. Ohne Schwierigkeiten zerfetzten sie die schusssicheren Westen der Polizisten, schlugen ihnen die Zähne in den Hals und brachen ihnen mit einer Handbewegung das Genick. Sergeant Hooper erging es nicht besser. Ein Vampir packte ihn an der Weste und schleuderte ihn durch den Raum, sodass das Wandregal unter seinem Aufprall auseinanderbrach. Dann sprang ihn der Unhold in hohem Bogen an. Das Letzte, was Tom von Hooper hörte, war ein armseliges Keuchen, danach das schaurige Knacken und Brechen von dessen Halswirbeln.

      Plötzlich knallten zwei Schüsse. Der Vampir brüllte auf, ein schauderhafter Schrei, eines wahren Monsters würdig. Er wirbelte herum und starrte sein nächstes Opfer an: Agent Hunter.

      Zitternd hatte sie sich erhoben und auf den Vampir gefeuert. Der fasste sich jetzt an den Rücken und sah fasziniert zu, wie ihm das Blut von den Fingern tropfte.

      »Du bist als Nächstes dran – und lecker siehst du auch noch aus!«, brüllte der Vampir. Mit einem einzigen Satz war er bei ihr, packte sie mit der Rechten und hob sie an. Mit der Linken verdrehte er ihr das Handgelenk, sodass sie die Waffe fallen lassen musste. Hilflos zappelte sie in der Pranke des Vampirs, der diesen Moment mit boshaftem Vergnügen auskostete.

      Tom konnte nicht hinsehen. Sie saßen in der Falle, alle am Boden, bewusstlos oder zumindest orientierungslos. Es gab nur eine einzige Hilfe, nur eine einzige Chance auf Rettung. Er konzentrierte sich und schrie: »Helfen Sie uns, Professor Daring! Bitte, helfen Sie uns! Bei der Macht der Simanui, bei den Kräften des Lichts, HELFEN SIE UNS!«

      Wie aus dem Nichts durchschnitt plötzlich ein Lichtstrahl den spärlich beleuchteten Raum. Ein Schwert, ein langes zweischneidiges Rapier, erschien in der Luft, die Klinge mit einem Muster aus hell leuchtenden Saphiren besetzt. Das Daring-Schwert, die magische Waffe aus Elderwelt, die Tom gehorchte. Sie war erfüllt vom Geist des mächtigen Zauberers und Simanui, Professor Lewis Daring. Vampire wie Menschen erstarrten angesichts der Erscheinung. Tom war geistesgegenwärtig genug, vorzuspringen und die Waffe zu packen. Sofort fühlte er sich stärker, durchströmt von Zuversicht und Mut. Ehe der Vampir begriff, wie ihm geschah, hieb Tom auch schon mit aller Kraft zu, trennte dem Monster die Hand ab, mit der er Hunters Gurgel umklammerte. Der Vampir zischte und wich zurück. Doch das half ihm wenig. Tom stieß ein wütendes Brüllen aus, zog das Schwert von unten nach oben, spaltete den Vampir mit einem einzigen Streich von Schritt bis Stirn. Rauchend stürzten die leblosen Hälften zu Boden, Fleisch und Muskeln vergingen augenblicklich zu Asche, schwarzer Qualm stieg auf. Tom war, als vernähme er ein armseliges Wimmern jenes dämonenhaften Geistes, von dem alle Vampire besessen waren und der ihnen das schier ewige Leben und ihre enorme Stärke verlieh. Jetzt schied er dahin und verflüchtigte sich ins Nichts.

      »Gut gemacht, Tom. Aber da sind noch zwei von denen unterwegs. Wo sind sie hin?«, hörte er Veyron hinter sich rufen. Sein Patenonkel rappelte sich eben auf die Füße und half dann Jane beim Aufstehen.

      »Raus ins Treppenhaus, ich konnte es gerade noch sehen«, keuchte Jane und wischte sich Staub und Splitter von ihrem Blazer. Sie hatte einige blutige Kratzer im Gesicht, genau wie Veyron. Tom vermutete, dass er ähnlich lädiert war. Während sie den Überfall relativ gut weggesteckt hatten, zitterte Agentin Hunter am ganzen Körper. Sie schien drauf und dran, einfach wegzurennen.

      Veyron berührte sie an der Schulter. »Es ist wohl besser, Sie bleiben vorerst in unserer Nähe, Miss Hunter«, meinte er zu der jungen Agentin. »Willkins, helfen Sie Darrow. Ich glaube, er ist noch bewusstlos.«

      »Nein, ist er nicht«, erklang gleich darauf die Stimme des jungen Playboys. Im Gegensatz zu allen anderen hatte er nicht einen Kratzer abbekommen. Erstaunt sah er sich in der verwüsteten Wohnung um. »Wow! Ist ja wie in einem richtigen Actionfilm«, sagte er und begann zu kichern.

      Willkins packte ihn am Arm und schüttelte ihn. »Das ist die Wirklichkeit, Danny! Reißen Sie sich zusammen. Und jetzt raus hier!«, schimpfte sie und stieß ihn vor sich her. Darrow verzichtete auf eine Erwiderung, sondern tat, wie ihm befohlen. Tom, wild entschlossen, allen Kreaturen der dunklen Seite den Garaus zu machen, schritt voran. Den drei Männern von SCO-19 konnten sie nicht mehr helfen. Hausmeister Driscoll war es nicht besser ergangen. Die Vampire hatten sich zu zweit auf ihn gestürzt, ihm das Genick gebrochen und anschließend sein Blut gekostet.

      »Hoffentlich schließen die sich ihren Mördern nicht später noch an«, bemerkte Jane beim Vorbeilaufen.

      Veyron schüttelte den Kopf. »Unwahrscheinlich. Vampirismus überträgt sich nicht durch den Biss; das ist ein weitverbreiteter Irrtum. Dafür müssten Menschen schon das Blut eines Vampirs trinken oder ein konzentriertes Serum, das die Meister der dunklen Künste herzustellen verstanden. Das geht bei Leichen jedoch schlecht. Los, weiter – und haltet euch von den Aufzügen fern. Wir gehen über die Treppe.«

      Tom eilte voran, das Daring-Schwert erhoben. Die leuchtenden Juwelen warfen einen hellen Schimmer an die Wände. Wachsam blickte er sich nach allen Seiten um. Es waren immer noch zwei Vampir-Attentäter unterwegs; sie konnten ihnen überall auflauern.

      »Ich hab meine Waffe vergessen, ich hab meine Waffe vergessen«, hörte er Agent Hunter immer wieder rufen.

      Jane erwiderte darauf, dass Hunter froh sein könne, nicht ihr Leben verloren zu haben.

      Stufe für Stufe eilten sie voran, und obwohl es nur vom vierten Stock nach unten ging, hatte Tom das Gefühl, sie folgten einer nicht enden wollenden Treppe. Allmählich setzten auch bei ihm Schock und Angst ein. Er musste jedoch einen kühlen Kopf bewahren und durfte sich nicht zur Panik verleiten lassen.

      Endlich kamen sie unten an. Tom vergewisserte sich, dass draußen kein Gegner lauerte. Dann schlüpften sie vorsichtig zur Haustür hinaus. Draußen sah es nicht besser aus als oben in Hunters Wohnung. Leichen lagen überall herum, die brennenden Trümmer eines Einsatzfahrzeugs der Polizei rauchten auf der Straße, wie von einer Panzerfaust gesprengt.

      »Heiliger Strohsack«, keuchte Tom, »waren das auch die Vampire?«

      »Nein«, sagte Veyron. Er war auf den Stufen zum Hauseingang stehen geblieben, die Augen wie in Trance auf das brennende Fahrzeug gerichtet. »Er ist es gewesen. Er ist wieder da«, flüsterte er.

      Tom folgte dem Blick seines Paten. Vor dem brennenden Fahrzeug entdeckte er einen Schatten, eine unwirkliche schwarze Gestalt, fast wie ein Geist. Seelenruhig stand sie dort, ein schwarzes Schwert in den schwarzen Panzerhandschuhen haltend. Flammen züngelten an der Klinge entlang.

      »Ich glaub, ich spinne«, keuchte Tom. »Ein Flammenschwert! Veyron,