Tobias Fischer

Veyron Swift und der Schattenkönig


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Zugang zur Wohnung verschaffen. Einer gewissenhaften Prüfung wird die Unterschrift zwar nicht standhalten, aber sie sollte authentisch genug wirken, um auf den ersten Blick zu überzeugen.«

      Jane schnaubte wütend und wandte kurz den Kopf zur Seite. »Ich frag mich wirklich, wozu Sie mich eigentlich brauchen«, murrte sie.

      Veyron schaute sie überrascht an. »Genau genommen brauche ich Sie auch nicht, lediglich Ihre Dienstmarke«, erklärte er trocken.

      Tom duckte sich instinktiv. Hätten Janes Blicke töten können, Veyron wäre nur mehr ein Häuflein Asche. Ohne Zögern sprang sie auf. »Okay, das reicht! Ich gehe!«

      Veyron fasste Jane am Handgelenk, um sie wieder zu beruhigen. »Willkins«, begann er, »ich verstehe Ihre Skepsis und auch, dass es Ihnen als Polizistin zuwider ist, das Gesetz zu brechen. Aber ich will ehrlich mit Ihnen sein. Ganz Elderwelt schwebt in Gefahr. Und die unsere auch, falls es der Zaltianna Trading Company – oder der Regierung – gelingt, das Horn des Triton vor mir zu finden. Ich sage Ihnen, dass wir dann Naturkatastrophen erleben werden, gegen die jeder Tsunami wie ein übergelaufenes Waschbecken wirkt. Ich bin gerne bereit, ein paar Gesetze zu übertreten, um das zu verhindern.«

      Jane musterte ihn für einen Augenblick, rang sichtlich mit ihrem Gewissen und wägte ab, was mehr Gewicht hatte. Sie seufzte und setzte sich wieder. »In Ordnung, ich bin dabei. Aber es ist das allerletzte Mal, das schwör ich! Wann wollen Sie loslegen?«

      »Gleich nach Einbruch der Nacht. Tom, hast du Mr. Darrow erreicht?«

      »Ja. Er trifft sich zu angegebener Zeit mit uns in der False Lane.«

      Veyron rieb sich zufrieden die Hände. »Sehr gut. Wir haben noch etwas Zeit, trinken wir also unseren Kaffee aus. Walter macht den besten Cappuccino in der ganzen Stadt. Es wäre ein Jammer, ihn kalt werden zu lassen«, sagte er, schnappte sich seine Tasse und nippte daran. Ein zufriedenes Lächeln huschte über seine Lippen.

      Tom war nicht ganz sicher, ob es am Geschmack des Kaffees lag oder mehr an der Tatsache, dass alles nach Plan verlief.

      Den restlichen Nachmittag über unterhielt Veyron sie mit ein paar Geschichten von Fällen, die weder Tom noch Jane kannten. Als es schließlich dunkel wurde, gingen sie zu Janes Dienstwagen und machten sich auf den Weg in die False Lane.

      Eine typische Wohngegend war ihr Ziel. Große Wohnblöcke standen Reihenhäusern aus dem vorletzten Jahrhundert gegenüber. Die kalten, rechteckigen Betonklötze der Neuzeit konkurrierten mit den roten Backsteinfassaden und typischen Kaminen der viktorianischen Ära. An den Bürgersteigen dieser Straßenseite parkten teure, oftmals funkelnagelneue Limousinen und Sportwagen, auf der anderen standen die älteren, billigen Vehikel der Hochhausbewohner.

      42b False Lane war einer der großen Wohnblöcke, die wohl auf der ganzen Welt annähernd gleich aussahen. Sie parkten den Wagen direkt vor dem Eingang, gleich hinter dem teuren Porsche von Danny Darrow. Der lehnte am Wagen und rauchte. Als Veyron, Jane und Tom ausstiegen, schnippte er seine Zigarette weg.

      »Wurde aber auch Zeit. Ich hab schon gemeint, ich wart mir die Füße platt«, begrüßte Darrow sie. Als er Jane bemerkte, setzte er ein Lächeln auf und stellte sich vor. »Hallo, wen haben wir denn da? Ich bin Danny Darrow. Aber sagen Sie ruhig Danny zu mir.«

      »Hi, Detective-Constable Jane Willkins, CID. Aber sagen Sie ruhig Constable Willkins zu mir.«

      »Scheiße …«

      Jane gestattete sich ein triumphierendes Lächeln, während sich Danny verlegen am Hinterkopf kratzte.

      »Ich wusste ja nicht, dass die Situation dermaßen ernst ist. Die Polizei hat sich doch gar nicht für meinen Fall interessiert«, plapperte er, aber Veyron brachte ihn mit einem blitzartig erhobenen Zeigefinger zum Schweigen.

      »Nur die Ruhe, Danny. Willkins ist hier, um unser Vorgehen zu bezeugen. Nichts weiter. Wer ist der Hausmeister?«

      »Peter Driscoll, die Klingel ganz unten«, erklärte Danny. Zu viert schritten sie zur Haustür. Veyron inspizierte die Klingelanlage für einen Moment, tippte dann mit dem Fingernagel unter die einzige unbeschriftete Klingel.

      »Aha, vierter Stock, Westseite zur Straße. Das Namensschild wurde erst vor Kurzem entfernt, und zwar recht hektisch. Sehen Sie nur, die kleinen Kratzspuren rund um das Schild. Der Kunststoff ist an einer Ecke angebrochen. Es musste schnell gehen, offensichtlich in der Absicht, Sie, Mr. Darrow, zu täuschen«, erklärte Veyron. Er drückte die Klingel der Hausmeisterwohnung.

      Eine verschlafene Männerstimme meldete sich per Sprechanlage und Veyron stellte sich kurz vor.

      »Guten Abend, Mr. Driscoll. Ich bin Detective-Inspector Veyron Swift. Können wir Sie für einen Moment sprechen?«

      Auf der anderen Seite der Sprechanlage wurde gemurrt und aufgelegt. Der Türöffner summte, und sie traten ein.

      Im Treppenhaus war es stockdunkel; erst nach und nach sprangen die Lichter an. Peter Driscoll, ein Mann mittleren Alters mit schlaffen Muskeln und hagerem Gesicht, dem man den übermäßigen Genuss von Zigaretten ebenso ansah wie den unzureichenden Sport, erwartete sie vor seiner Wohnungstür.

      »Was liegt an, Inspector«, fragte er. Tom glaubte, deutliche Skepsis in seiner Stimme zu hören.

      Ohne Vorwarnung packte Veyron Tom am Kragen und schleppte ihn vor Driscoll. »Dieser junge Mann da behauptet, dass er heute Morgen von einer jungen Dame angegriffen und verprügelt worden ist. Einer gewissen Miss Fiona Smith«, erklärte Veyron streng.

      Tom musste die Zähne zusammenbeißen. Es war schier unglaublich, mit welcher Unverschämtheit Veyron die Kampfspuren in Toms Gesicht für seine eigenen Zwecke missbrauchte. Aber es ging immerhin um die Rettung der Welt, drum spielte Tom ohne Protest mit.

      Veyron drehte sich zu Jane um. »Willkins, zeigen Sie dem Herrn Ihre Marke, damit er Bescheid weiß.«

      Jane tat, wie ihr geheißen, verdrehte dabei jedoch verärgert die Augen. Sie zeigte Driscoll ihre Dienstmarke, der sie zu Toms Überraschung ausgiebig studierte. So sehr Driscoll seinen Körper auch vernachlässigen mochte, sein Verstand schien messerscharf.

      »Hier gibt’s keine Fiona Smith, hat es noch nie gegeben. Das habe ich diesem Mann da«, er deutete mit ausgestrecktem Finger auf Danny, »schon mehrfach versichert.«

      Veyron nickte. »Unsere Ermittlungen bestätigen das. Wir wissen jedoch, dass die junge Dame zuweilen unter falschem Namen zu wohnen pflegt. Deswegen möchten wir uns gern die Westwohnung im vierten Stock ansehen, um weitere Hinweise zu erhalten.«

      »Die Wohnung steht leer. Schon lange«, konterte Driscoll scharf.

      »Das bezweifle ich. Constable Willkins, zeigen Sie dem Herrn den Hausdurchsuchungsbefehl.«

      Veyron schnippte mit den Fingern, und Jane fischte das gefälschte Formular unter ihrem Blazer hervor. Driscoll nahm es mit sichtlichem Widerwillen entgegen, studierte das Papier allerdings ebenfalls eingehend. Tom biss sich auf die Lippen, was ihm wegen der Wunde nicht gut bekam.

      Zum Glück war der Hausmeister nicht imstande, die Fälschung zu erkennen – auch wenn ihm das ganz und gar nicht zu schmecken schien. »Tja, dann habe ich wohl keine andere Wahl«, seufzte er entnervt und kehrte in seine Wohnung zurück. Als er wieder auftauchte, händigte er Veyron ohne weiteren Kommentar zwei Schlüssel aus. »Der Große ist für die Tür, der Kleine für den Briefkasten«, knurrte er.

      Veyron bedankte sich höflich und bat Driscoll, sich für weitere Befragungen zur Verfügung zu halten. Der Hausmeister grummelte etwas Unverständliches, dann verschwand er in seiner Wohnung und ließ die Tür zufliegen.

      Veyron atmete tief durch. »Gut, wir haben zehn Minuten, ehe hier ein Sondereinsatzkommando erscheint und wir richtig Ärger bekommen«, sagte er und machte auf den Absätzen kehrt. Alle starrten ihn schockiert an. Auf dem Weg zum Aufzug erklärte er mehr. »Driscoll wird jetzt seinen Verbindungsmann beim MI-6 kontaktieren und ihn darüber informieren, dass wir uns Zutritt zu Miss Smiths Wohnung verschafft haben. Dieser Verbindungsmann wird dann alles Weitere in die Wege leiten. Es werden