Wenn ich jedoch in meinen Schriften über „afrikanisches Voodoo“ spreche, dann beziehe ich mich primär auf Westafrika, auf die Länder Ghana, Togo, Benin und Nigeria.
Doch auch in anderen afrikanischen Ländern sind deutliche Tendenzen zu erkennen, wie auch in anderen karibischen Ländern, und auch der südamerikanische Kontinent besitzt hier viele Religionen, die Voodoo als Fundament, als Ursprung besitzen. Zu nennen sind hier die Religionen Santería (Palo Monte), Candomblé, Umbanda, Macumba, Batuque, Catimbó, Mayombe, María Lionza und Rastafari. So geht es hier also um verschiedene Einflüsse, die sich weltweit verbreitet haben, wobei hier natürlich dann der Sklavenhandel zu nennen ist. Ganz bewusst will und werde ich aber nicht auf diesen Sklavenhandel eingehen, da die Betrachtung des Voodoos hier magisch sein soll, und sich nicht auf die Religion, auf die Kultur, auf das menschliche Schicksal beziehen soll. Doch wenn man hier einen tieferen Einblick haben will, dann sollte man sich definitiv mit der Geschichte der Sklaverei befassen, denn diese wird neue Blickwinkel aufzeigen. Wenn man dann versteht, wie die verschiedenen Kolonien, egal ob es jetzt spanische, französische oder englische Kolonien waren, auf die Sklaverei gesetzt haben, und wie hier menschenverachtend gehandelt wurde, versteht man, dass es eine religiöse Trennung geben musste, eine religiöse Trennung zwischen dem haitianischen Voodoo und den Ursprüngen, des afrikanischen Voodoos. Das hierbei das Christentum sich definitiv nicht mit Ruhm bekleckert hat, sollte klar sein, denn selbstverständlich wurden die Sklaven auch alle zwangsgetauft, sodass sie in diesem Kontext ihre Religion im Verborgenen ausführen mussten. Hierdurch ging unheimlich viel verloren, hierdurch wurde unendlich viel neu ersonnen, kreiert, erdacht und ausprobiert. Genau deswegen gibt es einen Unterschied zwischen dem haitianischen Voodoo, und dem Voodoo in den Ländern Ghana, Togo, Nigeria und letztlich auch Benin, wobei man Benin wirklich als Wiege des Voodoos deklarieren kann, da hier der Volksstamm der Yoruba große Einflüsse hatte. Doch Volksstämme beziehen sich meistens nicht auf irgendwelche Ländergrenzen, die aktuell gelten. Doch der Synkretismus entstand auch als Möglichkeit, die aufgezwungene, katholische Religion, mit den eigenen magischen Möglichkeiten zu verbinden. So wurden hier Vergleiche geschaffen, die auch immer noch gelten. Ob nun Papa Legba oder Petrus, beide besitzen die Schlüssel zu den oberen Ebenen, auch wenn es direkt heißt, dass Petrus den Schlüssel zum Himmelreich besitzt, ist Papa Legba ein Prinzip, welches über alle Pfade, Wege, Straßen und Kreuzungen herrscht. Im Endeffekt dasselbe. Natürlich kann man hier immer weitere Aufschlüsselungen finden, natürlich kann man hier auch immer weitere Wurzeln und Quellen finden. Wenn man sich die verschiedenen Volksstämme in Afrika anschaut, wird man überrascht sein, wie gigantisch viele es gibt. Und genau hier gibt es auch große Trennungen, Trennungen die jedoch nicht von diesen Volksstämmen forciert werden, sondern Trennungen, die in der Voodooliteratur existieren. So wird manchmal davon berichtet, dass die Yoruba die Wurzeln des Voodoos besitzen, dann geht es aber auch wieder um die Fon, um die Mahi, um die Nago oder um irgendeine andere Ethnie, wobei es aktuell eine Zählung gibt, die allein für Ghana die Auskunft gibt, dass hier 118 verschiedene Ethnie leben.
Nun, man wird hieran erkennen, dass die westafrikanischen Länder sehr viele verschiedene Ethnien beinhalten, dass alle irgendwie mit dem Voodoo zu tun haben, gleichzeitig aber auch alle individuell sind, sodass auch hier Voodoo eine gigantische Individualität lebt und liebt.
Wenn man kurz auf die Religion des Voodoos eingehen will, dann findet man hier definitiv keine heiligen Schriften, da die Religion im Moment lebt. Nun, Religion ist etwas Individuelles, Religion ist etwas, was jeder Mensch für sich im Einzelnen praktizieren kann, ohne eine große Rücksicht auf andere Strukturen, Muster oder Vorstellungen nehmen zu müssen. Doch meistens werden Religionen stets nach Strukturen, Mustern und Vorstellungen gelebt. Dies gilt auch für Voodoo nur bedingt! Gut, Voodoo hat auch „seine“ Strukturen, doch Voodoo hat auch „seine“ Flexibilität. So wie es im Voodoo unendlich viele Abstufungen, Individualitäten, Möglichkeiten und Blickwinkel gibt, so gilt dies natürlich auch für die verschiedenen Ethnien in Westafrika, was man an verschiedenen Sprachgruppen, sozialen Strukturen und auch religiösen Mustern sehen kann. Man wird hier Ähnlichkeiten, Gleichheiten, aber auch gigantische Unterschiede finden, die sich dann natürlich auch wieder auf die kulturellen Geschichten der einzelnen Ethnien beziehen. Wichtig ist in diesem Kontext zu wissen, dass die kulturelle Geschichte sehr eng mit unterschiedlichen Ritualen verzahnt ist, sodass es hier um religiöse, kulturelle, soziale aber auch politische Rituale geht, welche durch Tanz, durch ekstatisches Trommeln, durch dramaturgische Masken und auch durch Beschwörungen bzw. Invokationen und Evokationen begleitet werden. Dies alles ist letztendlich Voodoo! Voodoo ist Religion, Voodoo ist Leben, Voodoo ist Magie! Im Mittelpunkt steht aber immer das Leben, im Mittelpunkt steht immer die Familie, im Mittelpunkt steht das Bestreiten des eigenen Lebens und die Sicherheit der Familie. Daher ist es nicht überraschend, dass in den verschiedenen afrikanischen Ländern Patriarchate existieren, sodass es hier um Großfamilien, wie auch um patriarchalische Stammeskulturen geht, die eben auch hier wieder ihre Muster, Schablonen und Vorgaben haben. Diese findet man auch immer wieder im Voodoo, denn man muss hier reflektieren, dass jede Familie, jede Sippe, jeder Stamm, jedes Land und somit auch jeder Mensch Voodoo individuell lebt. Es gibt daher nicht DIE Voodoo-Religion. Es gibt Voodoo! Wenn der Nachbar XY Voodoo nach dem Schema ABC macht, muss der Nachbar VW definitiv nicht das Schema ABC wählen, sondern wendet hier vielleicht das Schema DEF an! Dennoch ist alles Voodoo. Dies alles kann man auch darin sehen, dass der Begriff „Voodoo“ sehr viele verschiedene Schreibweisen hat! Voodoo, Voudou, Vodoun, Vodún, Vôdoun, Vodun, VooDoon, Vudun, Wodu, Woodou, Wudu oder auch Wuoduo! Man erkennt hier sehr deutlich, dass es hier mehr als nur eine Schreibweise gibt, wobei man hier wieder berücksichtigen muss, dass es um Begrifflichkeiten geht, die mündlich übertragen wurden, sodass hier auch stets ein Dialekt, eine Aussprache und auch die klassischen Schreibweisen der jeweiligen Länder berücksichtigt werden müssen.
Meistens wird jedoch literarisch – oder auch eingedeutscht – von Voodoo gesprochen. Individualität ist das Wichtigste im Voodoo, und auch wenn es hier einen Synkretismus gibt, gibt es in diesem Kontext weder Himmel noch Hölle. Gut, es gibt Orte, an denen sich die Ahnen, die Geister aufhalten, doch dieser energetische Ort, dieses „jenseitige Reich“ ist weder paradiesisch, super, toll und schön, noch höllisch, schrecklich und grausam. Es ist einfach eine jenseitige Ebene, die die verstorbenen Ahnen, die verstorbenen Verwandten, die Geister, die sogenannten Eggun beherbergt. Bei der ganzen Thematik der Ahnen, der verstorbenen Verwandten, der Toten, der Egguns (es existieren auch die Schreibweisen „égún“ oder auch „Egungun“), will ich erwähnen, dass der gesamte Ahnenkult, der sich jedoch primär auf die afrikanische Yorùbá/Yoruba-Religion bezieht, und die Fachvokabeln „Egungún“ trägt, wobei man hier natürlich schon den Begriff der Toten, der Egguns, klar und deutlich sehen kann, sehr traditionell ist. Doch beim Egungún geht es auch darum, dass Menschen mit besonderen Masken die verschiedenen Egguns darstellen können, dürfen, müssen, sodass diese als Personifizierungen zu verstehen sind und einen besonderen Einfluss haben.
Voodoo ist eine sehr lebendige Religion, und auch wenn der Synkretismus existiert, wird die Hölle komplett außen vor gelassen. Der Himmel letztendlich auch, denn die Verstorbenen kommen nach einem Jahr und einem Tag wieder. Weiter wird davon ausgegangen, dass man insgesamt 17 Inkarnationen machen muss, um dann letztlich nicht mehr auf der Erde zu inkarnieren, sondern selbst ein Vodun / Loa / Iwa zu werden. Voodoo geht davon aus, dass die Religion des Voodoos dazu genutzt werden soll, dass man sich das Leben so perfekt wie möglich gestalten soll. Wenn ein Voodoosi/Voodonsi stirbt, dann wird er insgesamt siebzehnmal von der Welt der Lebenden in die Welt der Toten gehen, und aus der Welt der Toten auch wieder in die Welt der Lebenden, wo er dann erneut inkarniert. Wobei auch hier die Voodoosi/Voodonsi nicht von einer klassischen, buddhistischen Inkarnation ausgehen. Es ist einfach so, dass der Mensch seine verschiedenen Erfahrungen machen soll, unabhängig von Geschlecht, sich aber dennoch in seiner Wahlfamilie, in seiner Voodoofamilie, immer wieder „inkarnieren kann.“ Gut, so ein bisschen Karma, so ein bisschen Vorsehung und ein bisschen Zweifel existieren auch im Voodoo. Denn es wird davon ausgegangen, dass Menschen, die über 50 Jahre alt sind, und die die ganze Zeit ein „vorbildliches Leben“ geführt haben, definitiv nicht wiedergeboren werden, und sofort zu den Ahnen gehen, zu einem Egungun „werden“, sodass sie ihren Familien mit entsprechenden Ratschlägen, Energien und auch Taten zur Seite stehen. Das