sonst im Lande. Und, da ihr gefragt habt, ja, eine Schmiede gibt es natürlich. Sie ist leicht zu finden. Ihr riecht das Feuer bis hierher, sie ist im übernächsten Haus. Und der Schuster hat seine Werkstatt am Ende des Dorfes, keine achtzig Schritt von hier.«
Nach dem Essen stand Mike auf. Julia ließ er mit einem bezahlten Krug Apfelwein zurück und machte sich mit dem Schlitten auf den kurzen Weg zur Schmiede.
12.
Der Schmied war ein wahrer Hüne, ein fröhlicher und freundlicher Kerl. Singend bediente er abwechselnd Blasebalg und Schmiedehammer. Was er zu seinem Amboss trug, bearbeitete er dort mit schnellen, kräftigen Schlägen.
»Ich wünsche euch einen guten Tag, Meister Schmied. Wenn ihr wollt, habe ich etwas anzubieten, das euch von Nutzen sein dürfte.«
Der Riese unterbrach seine Arbeit.
»Es kommt selten jemand mit vernünftiger Ware hier vorbei. Und jetzt in Kriegszeiten noch weniger. Was wollt ihr denn bei mir loswerden? Und Geld wollt ihr womöglich auch noch dafür, oder?«
Mike schlug das Tuch auf dem Schlitten zurück.
»Mmh, Waffen und Rüstungen. Wohl von Orks, oder? Das ist gutes Eisen, wirklich. Habt ihr das selbst gesammelt? Naja, geht mich eigentlich auch gar nichts an. Aber schleppt ihr das vom Nordwall bis hierher?«
»Von so weit kommt es nicht. Ich habe es vor dem Langewald erbeutet. Was bietet ihr mir dafür?« Mike machte eine Pause, wollte den Preis ein wenig nach oben treiben. »Bevor mir jemand anderes ein besseres Angebot macht.«
»Erbeutet? Mmh, wenn ich euch so betrachte in eurem Waldläuferanzug und mit den seltsamen Schwertern, traue ich euch das zu. Ein Angebot? Mmh …«
Mit drei Fingern massierte er sein bärtiges Kinn. Dann bot er Mike einen annehmbaren Preis.
Nachdem der Handel mit Handschlag besiegelt war, sah Mike dem Schmied direkt in die Augen.
»Nun benötige ich noch etwas von euch. Für eure Arbeit will ich euch gut bezahlen. Ich brauche ein ganz dünnes Blech von möglichst wenig Gewicht. Ungefähr so groß.« Er führte die Hände des Schmiedes flach nebeneinander und fuhr mit dem Zeigefinger um dessen riesige Handflächen.
Der Schmied grinste über die seltsame Beschreibung, hatte aber verstanden.
»Mmh!« Brummend wandte er sich in eine finstere Ecke seiner Schmiede. Es schepperte einige Male, bevor er zurückkehrte. Seinem Kunden hielt er ein Blech hin, das in Form und Maßen dessen Wunsch entsprach.
Mike schüttelte den Kopf.
»Höchstens halb so dick! Es muss dünner sein als der Zierharnisch der Paradeuniform eines königlichen Gardisten.«
»Mmh. Ihr habt ziemlich hohe Ansprüche.«
»Heißt das, es wäre nicht zu machen?«
Der Riese quittierte den Kommentar mit einem Stirnrunzeln. Anstatt anderes Material zu holen, hielt er das Blech mit seiner Zange in die Glut und bearbeitete das heiße Stück auf seinem Amboss. Nach ungezählten Wiederholungen tauchte er es zuletzt längere Zeit in den Bottich voll Wasser und hielt es dann, immer noch in die Zange gepresst, Mike zur Begutachtung hin.
»Ihr versteht euer Handwerk, Meister Schmied. Eine sehr gute Arbeit, ein glattes, dünnes Stück Blech von der Größe zweier Männerhände. Aus der Mitte heraus getrieben zum schmalen Rand. Der ist dicker, das stört aber nicht, ich werde ihn sowieso abtrennen. Die dünne Fläche ist mir ausreichend.«
Offenbar bekam der Schmied selten ein Kompliment zu hören. Wenn auch sein dichter Bart das Lächeln verbarg, hatten sich seine Mundwinkel darunter doch breit auseinander gezogen.
Mike befeuchtete seinen linken Daumen im Mund und drückte ihn einen Augenblick lang an den Rand des Blechs, um die Temperatur zu prüfen. Dann nahm er dem Schmied das Werkstück ab und trug es mit einem »Ich darf doch wohl, oder?« zu einer Werkbank, die er im Halbdunkel an der Rückseite der Schmiede ausgemacht hatte. Aus seinem Tornister zog er das Bündel, das von den Räubern stammte, und legte es neben das Blech.
Neugierig stellte sich der Schmied an seine Seite. Natürlich wollte er wissen, was ein Kunde in seiner Werkstatt so trieb. Die riesige Gestalt versperrte die Sicht zum Eingang. So nahm Mike Julia erst wahr, als er das eingewickelte Spiegelstück zum Vermessen auf das Blech gelegt und den Umriss grob mit einem Hufnagel nachgezeichnet hatte. Den hatte er nach einem kurzen Umschauen in einer Bodenritze gefunden.
Der Schmied wollte sich nicht aufdrängen, Julia hingegen platzte vor Neugier. Beide waren begierig zuzuschauen, und es wäre Mike schwer gefallen, sie davon abzuhalten. Also fügte er sich und ließ sie zusehen, gab aber keinerlei Erklärung. Er zog eine Axt von ihrem Nagel an einem Holzbalken und prüfte ihre Schärfe. Anschließend trug er das Blech zu einem Hackklotz, hielt die Schneide der Axt auf seine Markierungen und trieb sie daran entlang durch Hammerschläge auf den Axtkopf durch das dünne Eisen. Ein Blech von etwas mehr als der doppelten Fläche des Spiegels blieb übrig. Zur Probe legte er ihn nochmals auf, kippte ihn auf die andere Seite und nickte zufrieden. Das Blech hielt er nun mit einer Hälfte über die harte Kante des Tisches und bog es mit Hammerschlägen so weit um, dass die beiden Hälften fast deckungsgleich aufeinanderlagen, bei der oberen stand ein schmaler Rand über.
Er schob Julia und den Schmied so eng zusammen, dass das Tageslicht nahezu ausgesperrt war. Im Halbdunkel rollte er die Spiegelscherbe aus der Stoffhülle und schob sie bis zum Anschlag zwischen die beiden Hälften des gefalteten Bleches. Die spiegelnde Seite zeigte nach unten zum Tisch hin. Ein rötlicher Schimmer glomm auf und wollte sich entfalten. Mike gab ihm keine Gelegenheit. Sofort begann er, mit dem Hammer an der Tischkante den Rand des oberen Bleches rundum so weit umzubiegen, dass kein Licht mehr auf den Spiegel fallen konnte, egal, wie man ihn hielt. Letztendlich hämmerte er auf dem Amboss die umgelegten Blechränder fast bündig in die Fläche. Das Werkstück war handtellergroß, fast rund und flach.
Mike atmete tief durch. Er war mit seiner Arbeit fertig und begutachtete sein Werk. Ein flaches Stück Eisen, so schien es bei oberflächlicher Betrachtung. Der Rand war beinahe umlaufend umgebördelt, die letzte Seite war einfach umgeklappt. Was sich darin verbarg, war nicht zu erkennen. Er nickte zufrieden und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Dann wickelte er sein Meisterwerk in den Lappen und versenkte das Päckchen in seinem Tornister.
Sogar der Schmied machte ihm ein Kompliment.
»Mmh, das habt ihr gut hinbekommen, so, als hättet ihr das nicht zum ersten Mal gemacht.«
»Ach, Meister Schmied, wenn ihr wüsstet! Auch Waffen habe ich …« Unvermittelt brach Mike ab, als habe er schon zu viel gesagt. »Sagt mir nun, was ihr für das Blech und eure Arbeit verlangt!«
Nachdem er vom Schmied sein Eisen bezahlt bekommen und ihm seinerseits den Preis entrichtet hatte, verließen Mike und Julia den freundlichen Riesen mit einem herzlichen Gruß und kehrten auf einem Umweg zum Schuster in den Truthahn zurück.
13.
»So, ich habe alles mit angesehen. Was ist das mit dem Spiegel? Erzähl schon«, forderte Julia und strahlte Mike über den Rand ihres Bechers an.
Langsam gewöhnte sie sich an die seltsamen Abenteuer in dieser Welt, besonders, wenn der Apfelwein gute Laune machte. Auf einmal waren ihr Herkunft und Schicksal des Spiegels wichtiger als die Galgenvögel, von denen sie ihn erbeutet hatten.
»Eine alte Überlieferung, eine Sage. Aber nochmal …« Vom ersten Wort an wusste er, dass er nicht aufhören durfte zu erzählen, bevor sie die Geschichte zu Ende gehört hatte. »Du solltest besser nichts darüber wissen. Dann kannst du nichts verraten, gerätst deswegen nicht in Gefahr und kannst mich nicht behindern. Der Spiegel ist der Grund, warum ich nach Süden will. Und noch weiter.«
»Doch, erzähl! Ich will´s wissen.«
»Na gut.«
Julia stemmte die Ellbogen auf den Tisch und stützte