Susanne Trautzsch

Paviane teilen nicht


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Catherine nicht, aber sie sollte mich abholen, um mich zu meinem Ziel zu bringen.

      An der Rezeption erkundigte ich mich nach einer Möglichkeit der Verständigung. Man könne eine Fax-Nachricht über das Radiotelefon schicken, wurde mir erklärt. Die werde dann von der Radiostation in Walvis Bay empfangen und von dort weiter geschickt, um irgendwann mit etwas Glück im Laufe des Tages anzukommen. Oder auch nicht.

      Allerdings sei ein Fax nicht notwendig. Catherine fahre für die nächste Maschine ganz bestimmt zum Flughafen. Wenn jemand nicht ankomme wie verabredet, dann sei er eben in der nächsten Maschine. Das klang fast überzeugend.

      Während meiner beiden Aufenthalte in Namibia und Botswana, hatte ich ein Jahr zuvor den Entschluss gefasst, mir eine Auszeit im südlichen Afrika zu gönnen. Eine Lodge im ‚Caprivi-Streifen‘ hatte es mir besonders angetan. Zwei Tage hatte ich dort verbracht und Marie, die Teilinhaberin, nach einer Möglichkeit gefragt, für einige Zeit etwas zu arbeiten. Was, wusste ich auch nicht. Ich suchte erst mal nur eine Anlaufstelle.

      Die Frage, ob ich am Computer Papiere für den WWF ausarbeiten könne, hatte ich einfach bejaht, zumal ich gerade meinen ersten Laptop gekauft hatte. Ich schrieb meine Gutachten darauf, warum sollte ich also keine Papiere für den WWF herstellen können?

      Am Tag meines Weiterfluges stand ich noch in der Dunkelheit auf. Ich verabschiedete mich später mit dem Hinweis, ich sei wirklich gleich weg. Eine halbe Stunde später hielt mein Taxi vor dem Eros-Flughafen. Noch nie hatten Menschen mit Reisegepäck eine so beruhigende Wirkung auf mich gehabt. Wenn es die hier gab, würde es auch Flugzeuge geben.

      Bald saß ich in der vierten Reihe der kleinen zweimotorigen Propellermaschine auf einem Fensterplatz. Ich musste eingeschlafen sein, denn plötzlich kündigte eine Stimme die bevorstehende Landung an. Kurz danach sah ich durch mein Fenster, wie das Land immer näher kam. Es ruckelte, als die Maschine unweit des Flughafengebäudes aufsetzte und stoppte. Winkende Menschen traten hervor.

      Wir Passagiere mussten unser Gepäck selber die wenigen Meter zum Gebäude tragen. Mit dem aufgesetzten Rucksack und meiner Tasche in der Hand eilte ich auf die offene Tür zu. Catherine wartete auf mich.

Die Lodge

      Ankunft

      Die Lodge war in den zurück liegenden Jahren ein Jagd-Camp gewesen, bevor sie zu einer Busch-Lodge umgebaut wurde. Die wenigen Hütten für die Jäger waren aus Schilfrohren gebaut und mit Spitzdächern aus getrocknetem Gras bedeckt. Sie bestanden aus einem großen Raum sowie einem kleinen Badezimmer mit Dusche, Waschbecken, Toilette. Durch vier kleine Fenster drang spärliches Licht in das Hausinnere.

      Diese Hütten dienten nun ausschließlich als Unterkünfte für alle, die hier vorübergehend arbeiteten sowie für ReiseleiterInnen.

      Wenige Meter hinter diesen Häusern endete das Gelände der Lodge, das mit einem hoch gespannten Elektrodraht eingezäunt war, ein Schutz gegen die Elefanten. Andere Wildtiere hatten freien Zugang. Ob und wie viele Löwen oder Schakale, auch Leoparden uns nachts besuchten, wussten wir nie. Sicherheit über ihren nächtlichen Besuch gaben uns nur ihre Fußspuren im Sand.

      Statt für irgendwelche Papiere am Computer zu sitzen, wurde ich nun dringend für Arbeiten in der Lodge benötigt, wie mir gleich bei meiner Ankunft mitgeteilt wurde. Ich widersprach nicht, hatte ich doch eh keine andere Wahl. Ich war froh, hier leben zu können in der wilden Natur unter einem strahlend blauen Himmel.

      Da ich auf der Basis von Kost und Logis arbeitete, konnte ich mir viel freie Zeit gönnen, zum Swimmingpool gehen, weitab von den Gästen kleine Spaziergänge außerhalb des Geländes unternehmen oder am Flussufer sitzen.

      Nach meiner Ankunft sollte ich mich drei Tage eingewöhnen, das Gelände erkunden, die angestellten Frauen und Männer kennenlernen, die mir nacheinander vorgestellt wurden, sowie den Tagesablauf miterleben. Ich schlenderte viel herum und blieb immer wieder stehen, um den vervet monkeys, den kleinen hellgrauen Meerkatzen mit ihrem schwarzen Gesicht und beeindruckend langem Schwanz zuzusehen. Wendig wie eine Schlange umgriff dieser auch den schmalsten Ast oder brachte den Körper ins Gleichgewicht, wenn die Tiere von Ast zu Ast tobten.

      Vom Deck aus, das am Ufer des Flusses aus einheimischem Holz gebaut war, beobachtete ich die Flusspferde. Ihre unverkennbare Sprache, eine Mischung aus Brüllen und Bellen, gefolgt von meist fünf weniger kräftigen Rufen, begleitete mich täglich. Sie standen oder liefen im Wasser, in das sie immer wieder abtauchten. Wenn ihre schweren breiten Köpfe nach wenigen Minuten wieder an die Oberfläche kamen, wackelten die kleinen Ohren. Die großen Augen, die unter dicken Geschwülsten mehr auf dem Kopf saßen als an dessen Seiten, beobachteten alles, was sich ihnen näherte. Das Wasser war ihr Revier, in das sie sich während der vielen Sonnenstunden zurückzogen. Es wurde um jeden Preis verteidigt.

      Ich ließ meinen Blick schweifen. Gegenüber am Ufer jenseits des Flusses, der hier schmal verlief, lag schon Botswana. Später erlebte ich immer wieder die Bootspatrouillen botswanischer Grenzsoldaten – die kleinen Motorboote waren schon von weitem zu hören. Sowie die Männer stehend an der Lodge vorbeifuhren, winkten sie uns zu. Irgendwann winkte auch ich zurück, zusammen mit den Angestellten der Lodge.

      Bereits am Nachmittag wurden die Tische für den Abend eingedeckt. Marie war damit beschäftigt, sie mit den Frauen zu gruppieren. Je nach Anzahl der Gäste wurden die Tische als gerade Tafel, zu einer T- oder einer U-Form zusammengeschoben. Es wurde großer Wert darauf gelegt, dass alle miteinander kommunizieren konnten.

      Die Touristen bekamen abends ihre Plätz zugewiesen. Marie kannte alle beim Namen, hatte beobachtet, wer mit wem schon länger geredet hatte oder wer gut zusammen passen könnte. Sie plante die Sitzverteilung, während sie die Tische hin und her dirigierte. Die Gäste akzeptierten das, und nach den angeregten Unterhaltungen zu urteilen, hatte Marie meistens die richtigen Entscheidungen getroffen.

      Später diskutierte sie die Sitzordnung mit mir. Allerdings war ich keine wirkliche Hilfe. Ich konnte mir nur selten die Namen all der Menschen merken, die fast täglich wechselten. Entweder wollte ich ein Paar neben einem anderen platzieren, das am Morgen schon abgereist war. Oder ich brachte die Eheleute nicht mehr zusammen.

      Am ersten Abend entschied ich mich für einen frühen Schlaf. Mit meiner kleinen Maglite – Taschenlampe suchte ich behutsam meinen Rückweg durch das Gelände. So ganz wohl war mir nicht dabei. Die nächtliche Stille war irgendwie unheimlich. Zum Glück hingen Paraffinlampen in einigen Bäumen, die mir am Anfang meines Weges halfen, solange, wie er auch zu den Gasthütten führte. Danach tappte ich hinter dem Lichtkegel meiner Taschenlampe her. Bei jedem Knacken oder Knistern zuckte ich zusammen und phantasierte wilde Tiere, die nur auf mich warteten.

      Wie erleichtert war ich später jedes Mal, wenn ich das Licht, das ich vorher in meiner Hütte angezündet hatte, schwach durch die Nacht blinzeln sah. Die Furcht nahm allmählich ab, zumal ich die Geräusche des nächtlichen Busches langsam kennenlernte. Aber meine Wachsamkeit erhielt ich mir.

      Oft hörte ich nightjars, Nachtschwalben, die das Ausmaß einer Taube hatten, große Augen, kurze schwache Beine. Bei Nachtfahrten sah ich sie immer wieder mitten auf den Sandwegen hocken. Eine Weiterfahrt wurde vorübergehend verhindert. Manchmal drang der Ruf einer Eule, der african wood owl, zu mir, eine Art Hupen, das mit einem höheren ‚who-uuu‘ endete. Dann blieb ich stehen und hoffte auf eine Wiederholung. Hatte sie mich gewarnt oder andere Lebewesen vor mir?

      Nach drei Tagen begann der Ernst meines neuen Lebens. Ich hatte den Wecker auf sechs Uhr gestellt, um pünktlich noch vor sieben Uhr im Hauptgebäude zu sein. Es war kühl an diesem Morgen, sodass ich in langen Hosen, einer khakifarbenen Bluse unter dem neuen Sweatshirt mit dem Logo der Lodge und geschlossenen Schuhen über den feuchten Rasen ging. Der Himmel war bereits blau, der Pulli bald überflüssig. Ich begrüßte Marie in ihrem kleinen Büro, bevor ich in die Küche ging. Einmal tief durchatmen und drin war ich. Drei Köpfe wandten sich mir zu, während die Vorbereitungen für das Frühstück kurz unterbrochen wurden.

      „Lumela.“

      Ich blieb stehen, hörte ein Kichern –