Susanne Trautzsch

Paviane teilen nicht


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hatte euch Susanne ja schon vorgestellt. Heute fängt sie nun an zu arbeiten.“

      Die darauf folgenden Kommentare in „Lozi“ verstand ich nicht.

      Ich sah den Frauen zu, die routiniert ihre Arbeit machten: Obst schneiden, Teig zu Brötchen formen, Milchkännchen füllen usw. Dabei redeten sie ununterbrochen, und ich hatte den Eindruck, dass sie mich mindestens ebenso beobachteten wie ich sie.

      Ich ging in die Offensive.

      „Sorry, what´s your name?“

      „Faustina“, flüsterte die Angesprochene und warf der am nächsten stehenden Kollegin einen Blick zu.

      Deren Antwort kam, ohne mich anzusehen.

      „Emeldah.“

      Die Antwort der nächsten Frau verstand ich nicht.

      „Say it again?“

      „Lydiah“, kam etwas deutlicher von einem gesenkten Kopf.

      Die Tür flog auf. Marie rief die erste Bestellung früher Gäste in den Raum, „Two times two fried eggs, sunny side up, bacon and tomatoes!“

      Ich folgte ihr. Nur raus aus der Küche. Doch da gab es nichts für mich zu tun, also ging ich zurück.

      Wie hieß noch die, die die Eier briet? Und die andere, die in den Ofen nach den kleinen Mohnbrötchen sah? Nur Faustina erinnerte ich und sah ihr zu, wie sie einen großen Korb mit Obst auf das weiße Tuch, das ihre Haare umwickelte, setzte. Außerdem hielt sie in der rechten Hand einen Krug mit Milch und balancierte auf der linken Hand eine Bastschale mit Brötchen.

      „May I help you?“

      Ich stieß die Schwingtür auf, der sie sich näherte. Erhobenen Hauptes schritt sie hindurch zum Deck.

      Ich konnte nicht erinnern, mich schon mal so fehl am Platz gefühlt zu haben. Ich vergaß Alter, Beruf und Studienabschlüsse, während ich mit hängenden Armen an einen Küchentisch lehnte.

      Ich schau mir erst mal alles an. Und wenn mir das zu blöd wird, verlasse ich diesen Ort wieder, tröstete ich mich.

      Ein kühner Gedanke – ohne Auto 150 km vom nächsten Ort entfernt, von dem es auch kein Entrinnen geben würde – es sei denn vom Flughafen. Aber wohin? Ich straffte meine Körperhaltung und ging mutig durch die Küche. Einfach mit den Frauen reden, dann wird es schon klappen, und so stellte ich Emeldah, oder war es Lydiah, die schlichte Frage, ob sie jeden Tag die Brötchen frisch zubereiten würden. Ihren Blick konnte ich nicht interpretieren.

      „They smell nice“, fügte ich noch hinzu.

      Als eindeutige Fehlbesetzung verließ ich wieder diesen Ort.

      Draußen sah ich den klaren Himmel, roch und fühlte die wärmer gewordene Luft, sah die Vögel sich in einer Futterschale streiten und atmete tief durch. Ich dachte an die vielen Elefanten, die ich bei meinem ersten Aufenthalt hier beobachtet hatte, während sie langsam den Fluss überquerten. Bei meiner Ankunft hatte ich erfahren, dass eine Herde von ungefähr vierzig Tieren sich im näheren Umkreis aufhielt.

      Meine Fluchtgedanken verblassten.

      Allmählich kamen alle Gäste zum Frühstück, bei Nummer zwanzig hörte ich auf zu zählen. Der Lärmpegel stieg, und durch ihn hindurch schnappte ich die Bestellungen auf: Two fried eggs, sunny side up, one poached egg medium, two scrambled eggs, mushrooms, three scrambled eggs, tomatoes.

      Die Schwingtür flog vor und zurück. Meine Augen entdeckten vor einem Gast einen leeren Milchkrug. Ich griff nach ihm, ging zur Küche und stieß die Tür auf. Stolz, den Kühlschrank gefunden zu haben, wollte ich nach einer Milchtüte sehen. Aber da plätscherte schon Milch in meinen Krug. Ich sah auf und in Faustinas Gesicht, bedankte mich. Sie hatte keine Ahnung, was das für mich bedeutete.

      Mit jedem Tag bekam ich etwas mehr Routine. Ich lernte nicht nur die Frauen näher kennen, sondern auch zu mögen. Sie hatten alle einen ausgeprägten Humor. Bald lachten wir immer wieder zusammen, wenn ich so manche Geschichte erzählte, die ich mit den Gästen erlebt hatte. Wie oft floh ich später zu ihnen, wenn mir die vielen fremden Menschen nicht behagten.

      Mein Arbeitsfeld erweiterte sich, es kamen die Abrechnung und Auszahlung der Gehälter dazu sowie die Fahrten nach Katima, um einzukaufen.

      Ich nahm mir ausreichend Pausen. Ich fühlte mich zunehmend wohl.

      Spaziergang

      „Hast du Lust auf einen Spaziergang gleich nach dem Frühstück?“

      Grant kam auf mich zu.

      „Zwei Gäste haben gefragt, und Andrew ist frei. Also, wenn du willst.“

      Natürlich wollte ich.

      Meinen ersten Ausflug zu Fuß in den Busch hatte ich mit Grant und zwei der Männer kurz nach meiner Ankunft in der Lodge gemacht. Wir waren vor Sonnenuntergang eineinhalb Stunden unterwegs gewesen, lange in der Nähe des Flusses gelaufen und dabei von wachsamen Flusspferden beobachtet worden. Aber wir hielten uns weit genug vom Ufer entfernt und gaben dem riesigen Männchen, dessen Augen uns fixierten, keinen Anlass, sich auf uns zu stürzen.

      Während die beiden Gäste noch frühstückten, eilte ich in meine Hütte, um meine kurze Hose gegen eine lange auszutauschen sowie Socken und Stiefel anzuziehen. Die Strümpfe zog ich so hoch es ging aus den Stiefeln hervor und stopfte das Ende der Hosenbeine in sie hinein. Ich mochte nicht, wenn das trockene Wintergras meine nackte Haut streifte oder Halme, spitz wie eine Nadel, mich stachen.

      Als wir vollzählig vor dem Büro versammelt waren, stellten wir uns mit Namen vor. Während wir unsere Hüte aufsetzten, schauten wir erwartungsvoll auf Andrew, der sich auf einen großen Stock stützte. Seine Ansage klang, als würden wir zu einem Abenteuer aufbrechen.

      „Wir bleiben die ganze Zeit dicht zusammen und reden nur das Nötigste, aber das auch nur im Flüsterton. Wir gehen im Gänsemarsch, ich voraus und Susanne am Ende“.

      Brav formierten wir uns zum Gänsemarsch. Der fehlende Schutz eines Autos machte uns zu folgsamen Teilnehmern dieser kleinen Expedition. Andrew setzte sich langsam und mit erhobenem Kopf in Bewegung. Er richtete seinen Blick zu allen Seiten, dann wieder auf den Boden und stoppte, sowie er Fußspuren entdeckt hatte. Meistens waren es Abdrücke von Impalas, den Antilopen.

      Während Andrew uns noch erzählte, dass nur die männlichen Tiere Hörner haben, ertönte ihr unverkennbarer Alarmruf. Wir wurden also bereits wahrgenommen. Nach wenigen Schritten sahen wir mehrere Weibchen, die zu einer Großfamilie eines einzelnen Männchens gehörten. Die meisten der schlanken Tiere unterbrachen das Grasen und drehten ihre Köpfe in unsere Richtung. Mehrere Augenpaare fixierten die Eindringlinge. Die großen, von dichten weißen Härchen umrandeten Ohren richteten sich auf uns. Manches Maul kaute weiter.

      Auch wir stoppten und setzten unseren Weg erst fort, nachdem die Tiere wieder ihre Köpfe gesenkt hatten.

      Wiederholt zeichneten sich die Fußabdrücke von Elefanten im trockenen Sand ab, unverwechselbar in ihrer Form und Größe. Wir hielten vor ihrem bereits getrockneten Dung, der kleinen Heuhaufen ähnelte. Andrew stocherte mit seinem Stock in ihnen herum, bis die unverdauten Reste, Pflanzenteile und Samen, ausgebreitet vor uns lagen.

      Der Weg führte uns weiter durch hohes trockenes Gras, in dem sich meine Schutzkleidung bewährte. Unser langsames Tempo war so wohltuend wie das Schweigen, meine Wahrnehmung geschärft. Ein Insekt brummte laut an meinem Kopf vorbei und war sofort wieder aus meinem Gesichtsfeld verschwunden. Der warme, nur schwach spürbare Wind ließ die trockenen Blätter an den Ästen kaum hörbar rascheln. Irgendwo knackte ein Ast, sodass ich auf- und um mich sah, der Sand knarrte unter meinen Stiefeln. Der unverwechselbare Schrei eines african fisheagle, des afrikanischen Schreiseeadlers, durchschnitt die flimmernde Luft.

      Andrew hielt wieder an und versuchte, den Vogel mit bloßem Auge zu orten. Mein Blick folgte seinem ausgestreckten Finger, bis ich die weiße Brust dieses mächtigen Vogels aufleuchten sah. Mein Fernglas