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Inga Kozuruba
Geschichten der Nebelwelt
Das Schicksal von Starogrâd
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Danksagung
Vielen Dank an alle, die mich beim Verfassen dieser und anderer meiner Geschichten unterstützt haben! Danke an meine Mutter fürs Babysitten, danke an meinen Mann Harald und meine Freunde, insbesondere Konstantin Hristov, fürs Lesen und für ihren Input!
Vorwort
Wer nach Ordnung strebt, wird am Chaos der Welt verzweifeln, doch in einer großen Gemeinschaft Halt und Einigkeit finden.
Wer die Wellen des Chaos zu reiten vermag, findet Glück und bringt Balance in die Welt, wird jedoch nur bei wenigen Nähe und Geborgenheit erfahren.
Wer die Verderbnis der Welt meistern kann, der ist wahrhaftig erleuchtet und verflucht gleichermaßen.
Altes Sprichwort der Elweni.
Kapitel 7
Richter Karl erwachte im Morgengrauen, ein seltsamer Traum hatte ihn aufgeweckt. Normalerweise passierte ihm das nur äußerst selten, und er konnte sich so gut wie nie an seine Träume erinnern. Doch bei einem Traum wie diesem war an Weiterschlafen nicht zu denken. Es war eigentlich nicht einmal ein richtiger Traum gewesen, mehr ein Fetzen.
Was auch immer er vorher im Schlaf vor sich hatte, plötzlich befand er sich mitten auf der Straße der Stadt, wurde vom Regen begossen und spürte ein über alle Maßen beunruhigendes Gefühl. Er war auf dem Weg zu seiner Arbeitsstätte, so viel war sicher. Es würde wieder einer dieser Tage werden, die nicht aufhören wollten, wenn er denn pünktlich ankam - denn auf einmal war ihm aufgefallen, dass der Tag sehr viel weiter fortgeschritten war, als er zuvor glaubte. Die Kirchenuhr schlug zur vierten Stunde des Nachmittags. Der Richter wurde nervös. Auch wenn er sich vor kaum jemandem in Bezug auf seine Arbeitszeiten zu verantworten hatte - so hatte er doch zu bestimmten Zeiten anwesend zu sein für all die Leute, die ihn mit ihren Anliegen aufsuchten. Doch selbst wenn dieser Tag ein ganz gewöhnlicher werden würde, sein Pflichtbewusstsein fühlte sich massiv verletzt und er spürte die Schuld, seinem Anspruch an sich selbst nicht zu genügen. Nur bei einer schweren Erkrankung erlaubte er sich, seine Pflichten zu vernachlässigen - und nun das, er hatte ohne einen ersichtlichen Grund fast einen ganzen Tag verpasst.
Zumindest in den letzten Stunden vor der Nachtruhe wollte er so viel der verpassten Arbeit nachholen, wie es ihm möglich war. Also eilte er zum Rathaus. Auf dem Weg waren etliche Menschen. Einige Gesichter kamen ihm bekannt vor. Sie sahen ihn fragend an, sagten aber nichts. Er glaubte, tadelnde Blicke zu erkennen, und gab ihnen durchaus Recht. Doch dann lief er einem Mann über den Weg, dessen Gesicht ihm zwar vage bekannt war, aber nicht von seinem üblichen Weg zur Arbeit oder zurück zu seinem Haus. Er wusste nicht, woher er das Gesicht des Mannes kannte, aber er musste es schon oft in der Stadt gesehen haben. Mit ihm stimmte etwas nicht. So wie der Richter schien auch er nicht auf seinem Posten zu sein. Doch im Gegensatz zum Richter war er bester Laune, auch wenn der Regen ihn durchnässte. Mit einem verschwörerischen Grinsen zwinkerte der Mann ihm zu, und begann, eine fröhliche Melodie zu pfeifen. Der Richter wunderte sich sehr über dieses Verhalten. Er wollte den Mann noch fragen, was denn der Grund für sein ausgelassenes Verhalten war. Doch dieser war schon an ihm vorbei und das Pfeifen zerfaserte in ein Sammelsurium dissonanter Töne, als der Traum plötzlich zusammenbrach. Der Mann trug anstelle seines Hinterkopfes ein zweites, identisches Gesicht. Allerdings war dieses voller Bosheit und trug ein verabscheuungswürdiges Grinsen zur Schau. Das letzte, das der Richter in seinem Traum sah, war das leuchtende Aufblitzen des heiligen Sterns auf der Spitze des Kirchturms, der plötzlich nach unten kippte und schwarz wurde wie verbrannte Haut.
Die letzten Bilder des Traums waren von einem derart verstörenden Gefühl begleitet, dass der Richter unvermittelt im Bett hochfuhr. Er erschrak noch mehr, weil ihm auffiel, dass er die Melodie aus seinem Traum selbst gesummt hatte, und dass sie ihm auf einmal überhaupt nicht mehr fröhlich vorkam, sondern unheilvoll und bedrohlich. Er fasste sich an die Stirn und spürte eine dünne Schicht von kaltem Schweiß.
Etwas stimmte nicht, wollte sein Gefühl ihm wohl sagen. Doch er konnte einfach nicht festmachen, was der Grund dafür war. Möglicherweise war die Besprechung mit dem Dämonenjäger über die Verderbnis im Kloster der Grund für diesen eigenartigen Alptraum. Doch warum hatte er dann nicht von Dämonen geträumt?
Der verbrannte, kopfüber stehende Stern war ein Hinweis, den er nicht ignorieren konnte. Er selbst war zwar nicht dafür zuständig, gefallene Dämonenjäger so zu brandmarken, bevor man sie verstieß und für vogelfrei erklärte - wenn man sie nicht gleich für den Verrat hinrichtete. So beliebten es zumindest manche übereifrigen Paladine, da in diesen Belangen das Recht des Klerus zuständig war. Aber er wusste ganz genau, was so ein böser Stern als Omen zu bedeuten hatte - dass nämlich der Dämonenjäger scheitern und sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bald gegen sie stellen würde.
Der Richter spielte mit dem Gedanken, einen eiligen Boten auszusenden im Versuch, den Dämonenjäger einzuholen und zur Rückkehr zu bewegen. Doch er verwarf den Gedanken wieder. Noch nie in seinem Leben hatte er eine Vorahnung gefühlt, die von einer übersinnlichen Natur war. Er hatte zwar ein Gespür für Menschen, insbesondere für die verbrecherischen unter ihnen, und konnte im Verlauf einer Verhandlung oft instinktiv unterscheiden, wer ihn belog und wer nicht - aber übernatürliche Dinge lagen definitiv ganz und gar außerhalb seiner Erfahrung.
Nein,