Inga Kozuruba

Geschichten der Nebelwelt


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den er so liebte. Sie nutzte wohlduftende Kräuter bei jeder Haarwäsche, so dass es in ihrer Nähe immer nach der Zeit der Blüte roch. Er drückte sie an sich und wünschte sich, diesen Moment festhalten zu können, bevor alles nur schlimmer werden würde.

      „Er ist ein vernünftiger Mann, und so gesehen hat er recht. Ihr beide seid meinetwegen in Gefahr, und ich ohnehin, wenn ich hier bleibe.“ Doch sie drückte sich fester an ihn, als wollte sie ihre Worte Lügen strafen.

      Er atmete tief durch: „Dann solltest du morgen aufbrechen, besser noch ihr beide. Zieht nach Osten, weg von diesem Ort, und wartet irgendwo auf mich, wo es sicher ist.“

      Sie hob ihr Gesicht, um direkt in seine Augen zu blicken und schüttelte den Kopf: „Ich werde dich nicht verlassen. Du wirst mich brauchen, vielleicht werden viele Menschen hier mich brauchen. Die Schwestern sind nicht die einzigen, die Wunden und Wahnsinn heilen können. Aber unseren Sohn, ihn müssen wir in Sicherheit bringen.“

      „Das glaube ich nicht“; hörten sie die Stimme von Osterik aus dem dunklen Gang, schon aus dem Stimmbruch heraus, aber immer noch so jung. Er hatte sich angeschlichen, und anscheinend alles mitgehört.

      Bjarn und Selena drehten sich um, und lösten dabei etwas ihre Umarmung. Bjarn sah seinen Sohn prüfend an: „Du bist der Sohn eines Nordmannes und einer Hexe. Du bist eigenwillig und nimmst kein Blatt vor den Mund. Was glaubst du, was die Herrschaften des Rächers mit Burschen wie dir machen?“

      Osterik zuckte mit den Schultern: „Ich bin vielleicht eigenwillig, aber nicht blöde. Aber wenn Mutter nicht gehen wird, dann bleibe ich erst recht. Du bist ein Versehrter, und ich habe meine Gliedmaßen alle noch, also muss ich wohl auf euch beide aufpassen.“

      Bjarn knurrte als Reaktion auf die freche Rede seines Sprosses, doch die Wahrheit darin war nicht von der Hand zu weisen. Auch wenn er sich in einer Schlägerei immer noch mehr als gut behaupten konnte, gegen die gut gedrillten Truppen der Rächer zu bestehen würde sich als schwieriger erweisen, sollte es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung kommen. Sie würden ihn mit ihren Schwertern vermutlich gar nicht erst in die Nähe lassen, aus der er den Vorteil seiner Größe und Körperkraft ausspielen konnte. Doch seinen Sohn hatte er gut ausgebildet, und er hatte Vertrauen in dessen Fähigkeiten, seinen wachen Verstand, seine aufmerksamen Sinne und seine hervorragende körperliche Verfassung.

      Also klopfte er als Reaktion auf die Widerworte anerkennend auf Osteriks Schulter, um ihn dann ebenfalls kurz an sich zu drücken. Ihm gingen viele Worte durch den Kopf, die er vielleicht hätte sagen können, doch kein einziges davon schien auch nur ansatzweise geeignet zu sein, seine Gefühle auszudrücken. Wie so oft blieb er stumm. Doch seine Geste war alles, was zählte, und sein Sohn erwiderte sie.

      Dann löste Osterik sich aus der Umarmung, und deutete schief grinsend mit dem Kopf hinter seine Eltern: „Aber so was dort werden wir wohl gut verstecken müssen.“

      Selena seufzte: „Wir werden das ganze Haus auf den Kopf stellen müssen, aber ja. Nur Gewürze für Mahlzeiten und Tees sollen sie finden. Alles andere können wir vielleicht im Keller vergraben, tief, unter einem der Fässer.“

      Bjarn nickte ihr zu und sah zu seinem Sohn: „Wir machen uns besser gleich daran, mein Junge. Wer weiß, wie viel Zeit uns noch bleibt?“

      Osterik nickte stumm und folgte seinem Vater. Selena hielt den Atem an, bis sie die beiden nicht mehr hörte, dann begann sie zu schluchzen, während sie aus ihrer Kammer alles zu vertreiben begann, was ihr wichtig war. Die Monde hatten ihr von Schrecken geflüstert, die sie in der Stadt erwarteten, würde sie bleiben. Doch würde sie gehen, dann würde sie ihren Mann nicht lebend wiedersehen, und das konnte und wollte sie nicht ertragen. Sie gewann die Fassung rechtzeitig wieder, als sie die Rückkehr ihrer am meisten geliebten Menschen hörte. Alles, was ersetzbar war, wanderte wenig später ins Feuer des Kamins. Alles, was verzehrt werden konnte, würde am kommenden Morgen ins Essen wandern. Die wenigen unersetzlichen Habseligkeiten ihrer Zunft schaffte sie mit Hilfe ihres Mannes und ihres Sohnes in den Keller, um sie unter Schichten von Erde zu begraben, die von den schwitzenden Männern immer wieder eingestampft wurde, um genauso fest zu werden wie der Kellerboden um das Versteck herum.

      Als der Boden dann wieder ebenerdig war, und unter den prüfenden Blicken ihrer aller Augen sich kein verräterisches Zeichen im Übergang zum restlichen Kellerboden zeigte, schoben die Männer ein volles Weinfass an die Stelle, und stellten weitere Fässer dazu, rundum, dicht an dicht, damit es ordentlich aussah. Manche der Fässer, auch das besondere, bedeckten sie mit Brettern und weiteren Fässern in zweiter Schicht, und umringten manche der Fässer am Boden mit einem Haufen von ansonsten nutzlosem Gerümpel, damit es möglichst so aussah, als würde die Ansammlung von Fässern schon sehr lange in dieser Aufstellung verharren. Nichts sollte darauf hinweisen, welcher gefährliche Schatz unter ihrem Haus lagerte. Erst weit nach Mitternacht konnten sie sich endlich dem Schlaf überlassen, beruhigt von einem Hauch vager, verzweifelter Hoffnung. Selena schmiegte sich an ihren Mann, und schlief in seinen Armen ein.

      ***

      Auch Lans fand in dieser Nacht nicht allzu bald Schlaf. Das hatte jedoch ganz andere Ursachen. Seit er den verrückt gewordenen Söldner in der unglückseligen Nacht vom Tor der Stadt zu den Schwestern gebracht hatte, war ihm bewusst geworden, wie wenig Zeit sie alle doch hatten, und wie schnell sich alle schönen Dinge im Leben ins Gegenteil verkehren konnten. Er wollte nicht eine einzige Stunde mehr vergeuden. So wollte er nach der Erfüllung seiner Pflicht als Wachmann und als Kumpane im Gasthaus die verbleibende Zeit seines Tages seiner Frau widmen, und nur ihr allein.

      Darauf freute er sich am meisten, und in letzter Zeit schien es ihr genauso zu gehen. Es war, als hätte sie ihre Schwermut überwunden, die Trauer darüber, noch nicht Mutter geworden zu sein, und hatte nun wieder Hoffnung in den Augen. Hoffnung, und das gewisse Funkeln, das er schon länger nicht mehr in ihnen erblickt hatte. Das Funkeln, das er vor ihrem ersten, verstohlenen Kuss gesehen hatte, und damals, als sie das erste mal allein waren und eine Kostprobe von dem bekamen, was sie in der Hochzeitsnacht und danach erwartete. Als hätten die unwichtigen Dinge des Daseins ihren Einfluss auf sie beide verloren und ihre Leidenschaft sie erneut zueinander geführt.

      Sie riss die Tür auf, kaum dass er klopfte, und zog ihn in ihre Umarmung. Er schloss hastig hinter sich, um die Neugier der Nachbarn nicht anzustacheln, und schob den Riegel vor. Danach ergab er sich ihren Händen, die an den Schnallen seiner leichten Rüstung zerrten, die er als Wachmann zu tragen hatte. Er konnte ihre Leidenschaft förmlich glühen sehen, die rötliche Glut ihrer Seele, und er war den Göttern unendlich dankbar für diese Gabe. Seine Lippen legten sich auf ihre, die Zungenspitzen fanden zueinander, und er überließ sich ganz und gar seinen Instinkten.

      ***

      Max, einer der Kameraden aus der Wachmannschaft, der Lans angehörte, war nicht allzu traurig darüber, dass ihre abendlichen Runden im Wirtshaus in letzter Zeit kürzer ausfielen, weil Lans seit neuestem so eine Sehnsucht nach seiner Frau verspürte wie man es sonst nur von Frischvermählten kannte. Das ließ ihm wiederum mehr Zeit, um sich seinen eigenen Spaß zu besorgen. Er war jung, noch ungebunden, fand sich recht stattlich und hatte oft genug die eine oder andere Münze locker, um sie für die Zeit mit einem der Freudenmädchen der Stadt einzutauschen. Er musste jedes Mal grinsen, wenn er sich in das verruchte Stadtviertel begab, in dem diese Frauen ihrem Gewerbe nachgingen. Eigentlich wäre es seine Arbeit gewesen, Etablissements wie diese aufzudecken und aufzulösen, da solch ein Treiben nicht im Sinne der Heiligen Familie war. Doch war er kein Kirchenmann, und fand auch, dass die leichten Mädchen und Frauen nichts verwerfliches taten. Er gehörte zu den Wachleuten, die sich taub und blind stellten, wenn es um solcherlei Dinge ging, und die auf diese Weise deutlich günstiger und damit öfter in den Genuss der Dienste der Schönen der Nacht kamen als gewöhnliche Kunden.

      Gewiss wollte auch Max eine Frau ehelichen, eine Familie gründen und Kinder großziehen, die sich dann um ihn kümmern würden, wenn er ein schwacher Greis werden würde. Aber noch war er jung, das Alter fern, und er noch nicht bereit dazu, seine Nächte immer nur mit ein und derselben Frau zu verbringen. Nicht jeder hatte so ein Glück wie Lans, und fand die Richtige im ersten Augenblick. Manche mussten lange auf die Begegnung warten, und da war es besser, sich nicht an die falsche Frau zu binden. Und während