Frank Pfeifer

Der Junge mit dem Feueramulett - Die Schule der Alchemisten


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der Halbkiemenatmer, hatte gerne Namen aus der Nachbarschaft den schwarz Uniformierten mit dem Axtemblem zugetragen. Wenig Arbeit, hohe Effizienz, viel zu tun für die Henker, so mochte Makral seine Amt.

      Der gestrige Tag war dagegen recht mühselig verlaufen. Inzwischen bemühte er sich mit seinen Männern, die Anordnung Flanakans in den umstehenden Dörfern umzusetzen. Aber man sah sie natürlich kommen. Sieben schwarz gekleidete Gestalten auf wilden Rappen, den Staub aufwirbelnd, während die Sonne die Klingen ihrer Schwerter glitzern ließ.

      Und dann liefen die Bauern und Dorfbewohner. Versteckten sich. In geheimen Kellern, auf dem Boden ihrer Scheunen und zwischen den wallenden Halmen der Winxfelder. Ichtos gab es auch kaum, da die Halbkiemenatmer zwar als Händler in die Hauptstadt kamen, sonst aber nur als Wassertaxifahrer zu finden waren. An der Küste gab es sie natürlich überall. Aber nicht in den Dörfern. Auf den Höfen der Winkbauern und in den Ställen der Tok-Rind-Züchter suchte man sie vergeblich, dort gab es nur Menschen und Toraks. Die angesichts der schwarzen Bedrohung seltsam geeint die Flucht ergriffen.

      Irgendwann hatten sie dann doch noch jemanden gefunden, nachdem sie zwei Gehöfte in Feuer gelegt hatten. Aus einer der Scheunen waren ein Torakmann und einen Menschenfrau geflohen. Hand in Hand. Makral hatte seinen Augen nicht trauen wollen. Mensch und Torak gemeinsam auf der Flucht. Wieso lieferte der eine den anderen nicht aus? Makral verstand diese ganze Welt der Gefühle nicht. Denn er war sich sicher, dass es um so solch seltsamen Irrglauben wie Freundschaft oder Loyalität oder gar Liebe ging. Verstanden die Wesen dieses Reiches denn nicht, dass es nur eine Art von Loyalität gegen konnte und das war die Loyalität gegenüber Flanakan?

      Aber der Herrscher wollte ja ein Exempel statuieren, indem er keinem Wesen den Vorrang in der Hinrichungsauswahl gab. Keiner wurde verschont. Wenn es in einem Dorf keine Ichtos gab, dann taten es auch Menschen und Toraks. Vor dem Henker waren sie alle gleich.

      Nur eine Amazone hatte er bisher nicht erwischt. Das ärgerte Makral, der gerne hatte, dass eine gewisse Ordnung in seinen Angelegenheit herrschte. Flanakan hatte schließlich auch auf die wehrfähigen Frauen hingewiesen. Wenigstens eine wollte Makral in seiner Liste der hundert Hinrichtungen verzeichnet wissen. In Conchar hatte man zwar eine gesichtet, aber dies konnte nur noch der Scherge berichten, der die Leiche der Wache meldete, die dem Schwert der Amazone zu nahe gekommen war. Und seit diesem Vorfall waren die tätowierten Frauen im Lederkostüm nicht mehr gesehen worden. Aber im Gerberviertel waren noch zwei weitere tote Wachen aufgetaucht. Dort verkauften diese Frauen das teure Fell der Faols und Makral war sich auch sicher, dass es niemand anderes gewagt hätte, seine Männer zu massakrieren.

      Aber in den Dörfern hatte es auch keine Amazonen gegeben. Als er an diesem Morgen in seinem Büro in der Schwarzen Burg sass und jeweils einen Strich in die Spalte Mensch und Torak zeichnete, fühlte Makral eine aufkommende Müdigkeit. Die Macht Flanakans in das gesamte Reich zu tragen war eine wirklich mühevolle Aufgabe. Conchar war inzwischen gesäubert, aber das genügte nicht.

      Er hatte das Fenster geöffnet, er hörte das Rauschen des kalten Herbstwindes, ansonsten war die Stadt ungewöhnlich still. Kein Rufen, keine schreiendes Kind, kein krakelnder Torak. Die Stadt wartete auf den anbrechenden Tag und den Kommandos der Schergen, die ihre Kunden abholten. Makral lächelte. Es spürte die Macht Goibas. Tod und Kälte. Wer konnte sich dieser Magie entziehen?

      *

      Das Stadttor von Truk war um diese frühe Uhrzeit noch geschlossen. Kard konnte oben auf dem Wachturm einen Uniformierten wahrnehmen, der sich angestrengt am Geländer festhielt und in die Weite der Winxgrasfelder starrte, dabei aber dermaßen bewegungslos wirkte, dass Kard davon ausging, dass der Mann im Stehen schlief. Unten am Fuß des Turms stand ein recht betagter Soldat, ein Mensch, der nur noch aus Knochen zu bestehen schien. Der Alte stierte sie ohne eine Miene zu verziehen an, als sie sich ihm näherten. Kard hatte schon die Vermutung, dass auch dieser Mann im Stehen schlief, als sich aus dem Knochenberg eine Stimme erhob, die ganz im Gegensatz zur brüchigen Erscheinung tief und fest klang.

      »Haaaaalt! Stehen bleiben.«

      Kard, Benji und Madad schauten auf das verschlossene Tor, dann auf den alten Soldaten. Was bitte, außer stehen zu bleiben, hätten sie in diesem Moment sonst tun sollen?

      »Du…«

      Der Mann hatte die Rechte vom Schwertgriff genommen und deutete auf Kard.

      »Bist du vielleicht ein Torak?«

      Kard wusste nicht so recht, ob diese Frage ernst gemeint war und schüttelte nur stumm den Kopf.

      »Vielleicht bist du einer von diesen kleinen Toraks?«

      »Äh, nein, ich bin ein Mensch, wie ihr bestimmt sehen könnt.«

      »Ein Mensch, ja? Ob du ein Mensch oder ein Torak bist, das bestimme ich, kapiert!«

      Die Stimme der Wache vibrierte jetzt leicht und als Kard ihm in die Augen schaute, sah er, dass der Blick glasig und unfokusiert war. Die ganze Nacht in die Dunkelheit zu starren, konnte einfach seltsame Sachen mit einem machen.

      »Er ist wirklich ein Mensch, Herr Wache. So wie ich. Ich bin auch ein Mensch.«

      Benjis jugendliche Stimme, in der keine Arglist oder Besserwisserei mitschwang, schien die Wache etwas zu beruhigen.

      »Denn Toraks brauchen jetzt eine Ausgehgenehmigung, eine Stadtverlassenserlaubnis. Oder so was. Ist ganz neu. Der Herrscher traut ihnen nicht mehr, diesen dicken, dicken… dicken Hamstern, jawohl!«

      Doch nun schallte die Stimme des anderen Wächters vom Turm herab.

      »Mach doch mal die Augen auf, Dall. Das sind echte Menschen.«

      Offensichtlich schlief der Mann auf den Zinnen doch nicht.

      »Toooor öffnen.«

      »Wieso? Was hast du da oben zu melden? Ich überprüfe gerade diese Verdächtigen. Sie sind vielleicht Toraks, kleine Toraks!«

      »Die Goiba-Priesterin steht draußen.«

      »Ach du liebe Goiba!«

      Der Alte sprang zum Sperrbalken, der das Tor verriegelte und mit einer Kraft, die man den dünnen Armen gar nicht mehr zugetraut hätte, hob er das Kantholz aus der Halterung. Dann zog er mit Leibeskräften am Rahmen des Torblattes, dass sich langsam nach innen öffnete. Kaum hatte sich ein Spalt gebildet, konnte Kard die Gova im Morgennebel stehen sehen. Wie üblich für ihre Zunft war sie völlig in Schwarz gekleidet, die Kapuze hatte sie über den Kopf geschlagen. Im angewinkelten Arm schaukelte ein geflochtener Korb, in dem die Gova die Kräuter der Nacht, die sie für ihre Tinkturen und Rituale benötigte, gesammelt hatte. Kard überkam ein Frösteln bei ihrem Anblick. Ein Gefühl, als ob das Feuer, das in ihm jenseits der Wahrnehmungsgrenze loderte, plötzlich erstarren und in sich zusammenfallen würde. Einen ähnlichen Eindruck musste die Gova auf die anderen machen, denn sowohl Benji wie auch die Wache machten plötzlich den Eindruck, als ob sie einen Termin bei einem stümperhaften Bader hatten, der ihnen einen faulen und schmerzenden Zahn ziehen sollte. Das Quietschen der Scharniere des Tores gellte wie ein Verzweiflungsschrei durch den anbrechenden Tag.

      »Schneller, Wache, ich friere mir hier draußen die Füße ab.«

      Wie auf ein unsichtbares Kommando hin, sprangen Kard und Benji dem alten Soldaten zur Hilfe. Die dunkle, aufrechte Gestalt betrat geräuschlos ihr Reich.

      »Und sind das deine neuen Gehilfen, Wache?«

      »Nein, liebe Gova. Das sind Verdächtige!«

      »Verdächtige?«

      »Ich vermute, es könnten kleine Toraks sind, ihr wisst ja, diese neue Verordnung des Herrschers…«

      »Das sind Menschen, Wache. Das sieht man doch sofort. Mit einem Hund. Kleine Menschen. Jungen. Halbe Portionen. Aber doch keine Toraks.«

      Die Goiba-Priesterin lachte verächtlich und die alte Wache alterte in diesem Moment noch ein bißchen mehr.

      »Aber der da…« Die Gova trat einen Schritt auf Kard zu. Nun konnte er die Züge eines Gesichtes im Dunkel der Kapuze sehen.

      »Der