Kerstin Wandtke

Kind des Lichtes


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dunkle Gestalt trat auf ihn zu und er erkannte den Dragon, der um Jahre gealtert schien.

      „Raven, ich muss mit dir sprechen und das, was ich dir mitteilen muss, betrübt mich sehr. Doch du sollst es von mir erfahren. Wir wissen jetzt, wer ihr das angetan hat. Und du hattest recht, es war Karak.“ Der Alte schlucke hart und Raven sah ihn mitfühlend an.

      „Karak war schon lange vor eurer Ankunft etwas sonderbar geworden. Er lebte wohl dort schon in einer fremden Welt, und als wir euch seinerzeit trafen verschlimmerte sich sein Zustand noch. Er redet jetzt lauter wirres Zeug, von Befreiung, von Hexen, von Heilung und lauter solchen Dingen. Er ist nicht mehr bei sich.“ Der Dragon seufzte tief und fuhr fort. „Ich bedaure das alles sehr und überlasse euch, nach unseren Sitten, die Möglichkeiten seiner Bestrafung zu wählen.“ Raven sah den Schmerz in Dragons Gesicht und er konnte seinem Schmerz nachfühlen, durchlitt er ihn doch gerade selbst.

      „Weiß Sonja es schon?“ Fragte er nur.

      „Nein.“ Traurig schüttelte der Alte den Kopf und fuhr leise fort, „ich weiß nicht, wie ich es ihr sagen soll. Es wird meiner Sonja wohl das Herz brechen.“ Als hätte diese ihn gehört, trat Sonja gerade aus dem Zimmer, in das sie Alina gebracht hatten und Raven stürzte zu ihr.

      „Wie geht es ihr? Wird sie es schaffen? Kommt sie durch?“ Die Gefragte hob des Ansturms beschwichtigend ihre Hände und lächelte ihn müde aber zufrieden an.

      „Es geht ihr ganz gut, sie schläft jetzt. Wir haben alles getan was wir konnten, aber sie wird Narben behalten, und die nicht nur auf ihrem Körper.“ Raven sah sie beruhigt, aber immer noch eindringlich fragend an. Sonja sah seine offene Frage, und dass er auf Antwort wartete.

      „Nein,“ sie schüttelte nachsichtig seiner Vermutung wegen ihren Kopf, „sie ist rein und unberührt wie am Tage ihrer Geburt, dieser Dämon hat gelogen.“ Raven umarmte sie dankbar.

      „Darf ich zu ihr?“ Fragte er leise.

      „Nun geh schon, sei aber leise und lass sie schlafen, verstanden?“ Doch er war schon an ihr vorbei zum Zimmer gelaufen und leise zur Tür hineingeschlüpft.

      „Männer,“ sagte sie grinsend und sah dann zu ihrem Gemahl. Sein Blick war traurig und verschlossen. Er wich ihrem fragenden Blick aus und nahm ihre Hand in seine,

      „Komm, liebe Frau, ich muss mit dir Reden.“ Damit führte er sie fort.

      Raven betrat vorsichtig und leise den Raum, in dem Alina schlief.

      Ihr Gesicht war sehr blass und ihr Haar zum Teil noch von ihrem Blut verklebt. Er beugte sich vorsichtig über sie und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Danach ging er um die große Schlafstatt herum und schlüpfte auf der anderen Seite mit unter die Decke. Dicht rutschte er an sie heran und blieb liegen, sie still betrachtend. Der Gedanke, sie fast verloren zu haben machte ihm schreckliche Angst und er würde es sich niemals verzeihen können, nicht bei ihr gewesen zu sein.

      „Dich trifft keine Schuld,“ flüsterte Alina schwach und ohne die Augen zu öffnen. Raven konnte sie nur sprachlos anstarren, so überraschten ihn ihre Worte.

      „Es,“ sie hustete leicht, „es war nur meine Schuld, ich wollte nicht auf dich hören.“ Sie drehte ihm leicht den kleinen Kopf zu, blinzelte ihn einmal müde, aber sehr zärtlich an, und schloss danach langsam wieder die Augen.

      „Kleine Fee,“ Raven blickte ihr voller Liebe ins Gesicht, „es tut mir so leid.“

      Sie bewegte nur langsam ihren Kopf von einer zur anderen Seite und Raven kamen wieder die Tränen.

      „Fast hätte ich dich verloren und dabei kenne ich noch nicht einmal deinen Namen,“ flüsterte er leise und unter Tränen. Langsam glitt ihre Hand unter der Decke hervor und er umschloss sie vorsichtig mit seiner eigenen.

      „Alina,“ sagte sie so leise, dass er sie kaum verstand, „ich heiße Alina.“

      Eine düstere Ruhe lag die nächsten Tage über dem Schloss, und der Dragon wie auch Sonja machten sich große Sorgen um Alina. Doch am meisten beschämte es sie, das es Karak war, der ihre guten Sitten der Gastfreundschaft so hinterhältig Hintergangen hatte. Was trieb ihren Erstgeborenen zu solchen Taten, fragten sie sich immer wieder, und mehr als einmal gingen beide zum Verlies hinab, um nach ihm zu sehen, und ihn genau dies zu fragen. Doch sie erhielten niemals eine Antwort. Angekettet wie ein Hund lag ihr Sohn dort auf dem Stroh, und immer, wenn er sie sah, fauchte und spuckte er nur in ihre Richtung. Auch die Wachen konnten nichts Anderes erzählen, außer das Karak mehr als nur verwirrt war. Der Dragon blickte seine Frau häufig hilflos an, und beide schämten sich sehr vor ihren Gästen. Und auch wenn Raven ihnen keine Vorwürfe machte, fühlten sich beide doch verantwortlich. So schworen sie sich, Karaks Taten an Alina wieder gut zu machen, und auch wenn Raven sie hier auf Grund Karaks Taten zurücklassen würde, so würden beide doch dafür sorgen, dass deren Abreise ohne Probleme von statten gehen könnte. Doch Raven dachte nicht daran, irgend jemanden des Drachenclans zurück zu lassen, oder Karaks tun jemand anderen anzukreiden, und so schüttelte er nur stumm den Kopf, als der Dragon ihn darauf ansprach. Diese Möglichkeit würde ihn nicht besser als diesen kranken Mann machen, und so winkte er energisch ab, was den Dragon und Sonja einerseits freute, sie aber andererseits auch noch mehr beschämte. So kehrte nach und nach der Alltag auf Avalla wieder ein, und alle nahmen dankbar ihre Tätigkeiten wieder auf, glücklich um jede Form der Abwechslung, und auch den Oberhäuptern der Drachen ging es mit jedem Tag wieder etwas besser. Als Alina endlich wiedererwachte, und auch sie ihnen keine Vorwürfe machte, distanzierten sich der Dragon und seine Frau dennoch öffentlich von allem Tun ihres Erstgeborenen, und schlossen diesen entgültig, aber auch schweren Herzens, aus ihrer Familie aus. Und auch wenn niemand, vor allem Raven und Alina nicht, darauf bestanden hatte, so sahen der Dragon und Sonja es dennoch als ihre Pflicht an, so mit Karak zu verfahren und ihrem Namen wieder Ehre zu verschaffen.

      Dieser Morgen war mild und ruhig und Avalla lag im Schein der aufgehenden Sonne, erhaben und stolz über der Weite des Meeres. Noch lag das Schloss in tiefem Schlaf und außer dem branden der Wellen, die sich stetig an den schroffen Klippen brachen, lag Stille über dem Ort.

      Alina stand in der leichten Meeresbriese auf dem Alkoven, der von ihrem Zimmer durch eine große Flügeltür zu erreichen war, und genoss die Ruhe und Stille. Sie hatte sich gut erholt, war aber noch von dicken Verbänden umwickelt. Und langsam störte diese sie, und auch dieses ganze Gewimmel das um sie gemacht wurde, gefiel ihr nicht besser. Auch sie dachte mit Schrecken an jene Nacht zurück, aber das lag jetzt, wie so vieles andere, hinter ihr. Raven wich seid diesem Vorfall nicht mehr von ihrer Seite, und seine Sorge um sie nahm fast krankhafte Züge an. Er wachte täglich an ihrem Bett, als sie so lange Schlief. Als sie endlich erwachte, kümmerte er sich so rührend um sie, dass sogar Sonja ihre Brauen hochzog und ihn bat, doch etwas kürzer zu treten und den Frauen nicht ihre Arbeit zu nehmen.

      Ihre Liebe zu ihm wuchs beständig, und sie blickte sich kurz um und sah ihn noch im großen Bett schlummern. Ihren großen Riesen, der immer noch so voller Vorsicht steckte und sie immer noch nicht in Liebe berührt hatte, auch wenn sie es sich jetzt irgendwie herbeisehnte.

      Doch heute früh war für solche Gedanken keine Zeit. Sie blickte wieder über das Schloss und die Landzunge zum Festland hinüber und wartete auf das, was sie dort, hinter dem Horizont, nahen fühlte. Sie kamen endlich.

      Der erste Drache tauchte weit entfernt am strahlend blauen Himmel auf und glitt langsam näher. Gewaltig hob er sich vom Horizont ab, und mächtig ertönte sein Ruf über dem träumenden Schloss. Alina blieb, wo sie war und erkannte mit Freude den alten Drachen aus der Höhle, der jetzt, immer noch laut rufend, langsam näher flog. Mit mächtigen Flügelschlägen, die ihr langes Haar wehen ließen, setzte der große graue Drache zu Landung auf einem nahegelegenen Dach an. Zur Ruhe kommend und die Flügel langsam einschlagend beugte er seinen gewaltigen Kopf zu Alina herunter die ihn sanft anblickte.

      „Ich habe dich erwartet“, sagte Alina mit zärtlicher Stimme zu ihm und streckte vorsichtig eine Hand zu ihm hinauf. Der alte Drache senkte seinen großen, schuppigen Kopf noch weiter zu ihr, bis sie sich zart berührten und sein brauner Blick sprach von Liebe und Güte.

      „Und