Isabella Kniest

Love's Direction


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Leseprobe sein endgültiges Urteil zu fällen.

      Es ist der von uns bestreitende Weg, welcher uns verändert.

      Er formt uns, bereichert uns, füllt uns, fordert uns – und wenn wir dessen Ende erreicht haben, müssen wir uns unweigerlich die Frage stellen:

      Können wir stolz auf das sein, was aus uns geworden ist?

      Man soll akzeptieren oder weiterziehen – nicht erdulden

      Man soll Verständnis zeigen – nicht ignorieren

      Man soll respektieren – nicht verstoßen

      Man soll dankbar sein – nicht Unmögliches verlangen

      Für denjenigen, der mein Licht sehen wird

      1. Seine Traumfrau

      Steffi redete wieder einmal wie ein Wasserfall.

      Den glorreichen Anfang ihres Vortrags durfte ihr Lieblingsthema machen: Lippenherpes und die daraus resultierenden Einschnitte ihres Sexuallebens. Ohne Umschweife oder Übergänge folgten Erlebnisse von und mit ihrem Dauerfreund Andreas – welcher, nebenbei erwähnt, ein komplettes Weichei war – sowie Fremdschämpotenzial aufweisende Geschichten ihrer nervigen Facebook-Freundinnen. Zu guter Letzt folterte sie ihn mit sämtlichem astrologischen Unsinn, allen voran die Sternenkonstellationen für dieses Jahr, welche besonders günstig standen für Veränderungen, neue Beziehungen und generelles Glück im privaten Bereich.

      Tracey seufzte.

      Vielleicht bei anderen. Doch bei ihm?

      Fehlanzeige.

      Privates Glück kannte er nicht. Die einzigen Weiber, die er abbekam, stellten im besten Fall durchgeknallte Schnepfen dar.

      »Und, wie gefällt dir der neue Superheldenfilm?«

      Er nahm einen Schluck seines zur Hälfte ausgetrunkenen dunklen Biers, dessen Geschmack ihm nicht sonderlich zusagte. »Interessiert mich nicht.«

      Wie üblich war das Lokal gerammelt voll, und eine dementsprechend laute Geräuschkulisse herrschte vor.

      Steffi und Tracey hatten die letzten freien Plätze an der Theke ergattert. Links von ihnen lachte eine Männergruppe – laut, ungezwungen, vergnügt. Rechts ums Eck saßen fünf Single-Frauen im Männerjagd-Modus. Dies war ausgesprochen gut daran zu erkennen, wie die zu stark geschminkten und eindeutig zu freizügig gekleideten Püppchen der lärmenden Proletenrunde unentwegt penetrante Ich-will-von-dir-genagelt-werden-Blicke zuwarfen.

      »Er ist gut. Du solltest ihn dir ansehen.«

      Eine blonde Männerfang-Tusse hatte eben einen weiteren charakteristischen Flirtversuch gestartet: Oberarme gegen die Bar gelehnt, Dekolleté herausgedrückt und einen – bedauerlicherweise ganz und gar nicht sexy anmutenden – Augenaufschlag aufgesetzt.

      Gott, war das billig!

      Für einen Moment ließ Tracey von der verstörenden Szenerie ab und schenkte Steffi etwas Aufmerksamkeit. »Ich stehe mehr auf Actionfilme.«

      Sie musterte ihn kritisch. »Da kommt viel Action vor.«

      »Ja, kann schon sein.« Er nahm einen weiteren Schluck. »Dennoch interessiert mich dieser Scheiß nicht.«

      In letzter Zeit interessierte ihn nicht sonderlich viel.

      Aber wunderte es wen? Wenn es im Leben mit rein gar nichts funktionieren wollte, woher sollte man da den Antrieb nehmen, um irgendetwas Neues anzufangen oder Begeisterung für irgendwelchen unbedeutenden Scheißdreck zu empfinden?

      Gelangweilt schaute er zur Männerrunde zurück.

      Offensichtlich hatten die abgeschleckten Gockel angebissen.

      »Was ist los? Sonst bist du nicht so schlecht drauf.«

      Tracey atmete tief durch, sammelte nicht mehr vorhandene Nervenstärke zusammen und wandte sich wieder seiner besten Freundin zu.

      Seit nunmehr fünfzehn Jahren kannten sie sich – und in all der Zeit hatten sie nie etwas miteinander angefangen. Zugegeben, Steffi war hübsch anzuschauen mit diesen rehbraunen Kulleraugen, dem drallen Dekolleté und den vollen Lippen. Das wasserstoffblonde schulterlange Haar, der übermäßige Einsatz von Make-up sowie ihre etwas forschen Charakterzüge im Speziellen wogen dann doch zu schwer auf. Zudem sprach sie für seinen Geschmack schlichtweg zu viel. Der wichtigste Punkt allerdings blieb nach wie vor sein Bauchgefühl: Der Gedanke daran, mit ihr in die Kiste zu hüpfen hatte weder in der Vergangenheit noch jetzt richtig angemutet.

      »Es ist einfach alles zum Kotzen, okay?«

      Sein gesamtes beschissenes Leben!

      Unschuldig nippte sie an ihrem Laphroaig. »Ist es wegen deiner Ex?«

      Brechreiz entstand in seinem Gedärm, kletterte weiter in Magen und Hals, um in seinem Mund ein bitter-saures Ende zu finden.

      »Nein, natürlich nicht!«, erwiderte er sarkastisch und verzog das Gesicht. »Wie kommst du nur darauf?«

      …

      Was denn sonst?!

      Diese elendige Drecksfotze hatte ihn von vorn bis hinten verarscht!

      Er hätte sich niemals von ihrem Äußeren blenden lassen dürfen! Titten und eine schlanke Figur schlossen noch lange nicht auf einen beziehungsfähigen, vernünftigen Charakter!

      Allmählich der Verzweiflung nahe, stützte er den linken Ellbogen gegen den Tresen und lehnte den Kopf an seine zur Faust geballte Hand. »Ich verstehe nicht, weshalb ich andauernd auf dieselben Scheißweiber hereinfalle!«

      Reichte es nicht, dass seine verfluchte Jugendzeit ein einziger Höllentrip gewesen war? Reichte es nicht, jegliche Menschen verloren zu haben, die ihm jemals wirklich nahe gestanden waren?

      Steffis Züge wurden mitfühlend. »Ich bin mir sicher, du wirst noch die Richtige finden. Deine Traumfrau. Ganz bestimmt.«

      Traumfrau.

      Verächtlich stieß er die Luft aus. »Wer’s glaubt! So etwas wie eine Traumfrau gibt es nicht.«

      Zumal er bislang ausnahmslos Vorzimmerdrachen an Land gezogen hatte.

      Ein weiterer unumstößlicher Beweis für die Nichtexistenz des ominösen Traumpartners gab sein zwar kleiner, dafür illustrer Bekanntenkreis ab: Weder seine eigenwilligen Nachbarn noch bescheuerten Arbeitskollegen hatten ein solches Geschöpf je angetroffen oder gar geehelicht.

      Er trank einen Schluck. »Was dir über den Weg läuft, ist das exakte Gegenteil deiner Traumvorstellungen. Im Leben bekommst du nämlich ausschließlich das, was du nicht willst!«

      Steffi wölbte ihre stark nachgezeichneten Augenbrauen – eine Erwiderung kam ihr Gott sei Dank nicht über die Lippen.

      »Willst du beispielsweise eine ästhetisch ansprechende Frau«, fuhr er mit seiner ihn selbst kränkenden Erklärung fort. »Ehelichst du letztendlich eine, die hässlicher ist, als die Nacht finster. Möchtest du eine intelligente, schlagfertige Frau an deiner Seite, gerätst du mit Garantie an die Dümmste der Stadt. Und wünschst du dir eine Jungfrau, kannst du dir sicher sein, die schlimmste Flitsche des Bundeslandes aufzugabeln.«

      Jahrelang hatte er diese Faktizität zu ignorieren versucht, letztendlich hatte er sich den Naturgesetzen beugen müssen: Traumfrauen blieben Traumfrauen – sie hatten mit der Realität nicht das Geringste zu schaffen.

      Steffi begann zu lachen – unbekümmert, herzlich und laut. Tracey war sich sicher: Ihr beleidigendes Gelächter vernahm man aller Wahrscheinlichkeit bis hinaus zum Parkplatz.

      »Du bist, gelinde gesagt, frustriert.« Unvermittelt beugte sie sich etwas zu ihm und verengte die mit schwarzem Kajal und millimeterdicker Mascara zugekleisterten Augen.

      Er versteifte.

      O nein!

      Diese