Isabella Kniest

Love's Direction


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      »Exakt darauf habe ich den lieben langen Abend gewartet: Damit du mich über private Nichtigkeiten ausquetschst!«

      Sie schlug ihm gegen die Schulter. »Komm schon! Jetzt kennen wir uns unser halbes Leben, aber darüber hast du noch nie ein Sterbenswörtchen verloren.«

      Aus dem einfachen Grund: Seine verschissenen Wunschvorstellungen gingen außer ihn niemanden etwas an!

      »Weil ich eine Privatsphäre besitze.«

      »Aber mir kannst du es erzählen! Du weißt, ich schweige wie ein Grab.«

      Ja, das wusste er. Steffi war vielleicht lästig und aufdringlich, ein Geheimnis für sich bewahren, das konnte sie hingegen wie keine Zweite. Ungeachtet dieses einen positiven Charakterzugs ihrerseits empfand er nicht die geringste Lust, in einer überlauten, verqualmten Spelunke über ein heikles Thema wie dieses zu sinnieren.

      »Ich bin nicht in Stimmung, über Wunschträume zu sprechen, die letzten Endes ohnehin nicht in Erfüllung gehen.«

      »Bist du dir sicher?« Sie spitzte die schreiend rot angemalten Lippen. »Manchmal können solche Gespräche sehr aufbauend wirken. Jeder darf träumen! Du weißt doch: Die Gedanken sind frei.«

      Ja, bislang.

      »Tja, mag schon möglich sein.« Er zog seine linke Augenbraue nach oben. »Allerdings baut es dich sicherlich nicht mehr auf, wenn deine Gedanken ausschließlich um dieses Thema kreisen.«

      Vorzugsweise in seinem Fall.

      Ihm war nichts mehr anderes geblieben, als infantilen Tagträumen nachzuhängen, bildeten diese doch sein letztes Safehouse, wenn seine gesamte Welt zum wiederholten Male einzustürzen drohte – oder längst dem Erdboden gleichgemacht worden war.

      »Oh.« Echtes Bedauern huschte über Steffis herzförmiges Gesicht. »Ist es so schlimm?«

      Den Atem gepresst ausstoßend, fasste er nach seinem Krug. »Jedenfalls schlimm genug.«

      »Dann erzähle mir davon.«

      Himmel, Arsch!

      Allmählich ging sie ihm ernsthaft auf die Nerven – das zeigte er ihr, indem er ihr einen schiefen finstren Blick zuschleuderte.

      »Hey!«, rief sie beleidigt aus, lediglich um mit einem breiten Grinsen fortzufahren. »Sieh mich nicht an, als wäre ich die lästigste Person, die du kennst.«

      »Tja … das bist du aber einmal. Ergo: Mit solchen Reaktionen musst du dich allmählich abfinden. Oder bist du dermaßen empfindlich?«

      Solche Neckereien zwischen ihnen standen an der Tagesordnung – und ebendrum fasste keiner von ihnen beiden sie jemals ernst auf.

      »Dann beantworte meine Frage, Griesgram! Oder willst du als alter verbitterter Sack irgendwo in einer stinkigen, vermüllten Wohnung sterben?«

      Blöde Schnepfe!

      »Was, zum Geier, hat das eine mit dem anderen zu tun?«

      »Ernsthaft?« Ihr Gesichtsausdruck schrie regelrecht Tuppe. »Was geht mit dir heute ab? Weißt du nicht mehr: Ich kenne verdammt viele Leute! Wenn man im Einzelhandel arbeitet, kann man jeden Tag potenzielle Traumpartner kennenlernen. Vielleicht begegne ich einmal einer Frau, die Ähnlichkeiten mit deinen Wunschvorstellungen aufweist. Dann könnte ich ein Date arrangieren.«

      »Ja ne, is’ klar. Und den Weihnachtsmann gibt es tatsächlich.«

      »Ja, sicher doch!« Sie richtete sich auf wie ein paarungsbereiter Pfau und stemmte die Hände gegen ihre kurvigen, in ein dunkelrotes Spitzenkleid gehüllten Hüften. »Schließlich wurde er vom heiligen St. Nikolaus von Myra inspiriert.«

      Er schüttelte den Kopf.

      Es war hoffnungslos mit ihr.

      »Jetzt erzähl endlich, Himmelherrgott! Soll sie große Töpfe haben?« Steffi wäre natürlich nicht Steffi, würde sie ihre Fragen und Aussagen nicht durch ausladende Armgesten unterstreichen.

      Er prustete los. »Wie kommt dein schüchterner Freund eigentlich mit dir klar?«

      Sie grinste. »Weich nicht aus, sondern beantworte meine Frage.« Und etwas leiser fügte sie hinzu: »Er steht auf Frauen, die anpacken. Das macht ihn heiß.«

      »Okay, so genau wollte ich es gar nicht wissen.«

      »Also …« Sie nahm einen Schluck und stellte das bauchige Whiskeyglas neben das lang gezogene zylinderförmige Wasserglas. »Große Möpse, kleine Möpse … was denn nun?«

      »Lass mich in Ruhe.«

      »Mann, Tracey! Sei nicht zugeknöpft wie das karierte Hemd eines Pädophilen!«

      …

      Er besah sie giftig.

      In solchen Situationen wies Steffi große Ähnlichkeiten mit nervtötenden, sich in Waden verbeißenden Dreckskötern auf! Und gleichermaßen wie man solche Tölen draußen vor Geschäften an einem Fahrradabstellplatz anleinte, hätte er Steffi gerne an dem verrosteten Zeitungsständer vor dem Lokal angebunden.

      Tracey fuhr sich durchs Haar, maßregelte sein Temperament und überlegte.

      Es war ihm klar, sie würde nicht lockerlassen. Nicht einmal dann, wenn sie sich durch ihre Quasselei in Lebensgefahr gebracht hätte oder das Ende der Welt nahte – womit ihm offensichtlich nichts anders übrig blieb als sämtliche ihrer bescheuerten Fragen zu beantworten … wollte er nicht einen Nervenzusammenbruch oder einen Ausraster riskieren. Doch sosehr er sich bemühte, seinen Mund aufzumachen und loszulegen – er konnte es nicht. Er wollte nicht darüber sprechen. Es war ihm peinlich. Dabei war er grundsätzlich nicht auf den Mund gefallen, schüchtern oder verklemmt. Wenn es jedoch um seine intimen Vorlieben ging, hielt er sich lieber bedeckt. Konkret fürchtete er sich sogar. Er fürchtete sich davor, durch ein unbedachtes Geplapper seinen wenigen Wünschen ihre heilige Reinheit zu nehmen. Womöglich würden sie sich noch erfüllen, wenn er sie nur niemals laut aussprach – ähnlich wie der kindlich-naive Glaube an eine gute Welt oder eine höhere Macht, die helfend eingriff, wenn man nicht mehr weiterwusste.

      Man unterhielt sich nicht darüber, sondern man hoffte oder betete.

      Er blickte auf sein Bier.

      Oder womöglich hatte er bloß zu viel getrunken?

      »Sie braucht keine großen Möpse zu haben.«

      »Gut … und sonst?«

      Er drehte sich zu Steffi zurück. »Es muss einfach passen.«

      Sie furchte die Stirn. »Das heißt?«

      Himmel, Arsch!

      Verzweifelt warf er die Hände in die Höhe. »Herrschaft, das weiß ich auch nicht!«

      »O Mann!« Seine beste Freundin sah ihn an wie einen geistig Minderbemittelten. »Irgendeine besondere Frau wirst du dir bestimmt ausgedacht haben, oder? Somit kannst du mir bestimmt verraten, welche Haarfarbe, Augenfarbe und Kleidergröße sie aufweisen soll.«

      Meinte sie etwa …

      Konnte das wahr sein …?!

      Was ging mit dieser Frau ab?!

      »Spielst du etwa auf eine verfluchte Wichsvorlage an, oder was?«, platzte es entrüstet aus ihm heraus. »Das hat mit der Realität nichts zu tun! Zudem weißt du ganz genau, mit welchem Typ Frau ich zumeist zusammen war. Wozu soll ich dir diesen Mist noch einmal unter die Nase reiben?«

      Um ihn noch etwas depressiver zu stimmen? Um Sehnsucht und Kummer erneut sein Herz zerreißen zu lassen?

      »Ah … dann verstehe ich: Schlank soll sie sein.« Ihrer Stimmlage zufolge arbeitete seine nervende beste Freundin eine mentale Checkliste ab – was ihn nicht unbedingt Wohlbehagen bereitete …

      »Ein wenig durchtrainiert vielleicht?«

      Das war dann wohl der