Isabella Kniest

Love's Direction


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es Besseres? Anstatt Steffi dies jedoch zu gestehen, beließ er es bei einer nüchternen Antwort: »Das Leben ist kein Wunschkonzert!«

      »Jetzt reichts aber, Tracey! Hier geht es um Tagträumereien!« Ihr Gesagtes bekräftigte sie, indem sie die Fingerspitzen ihrer rechte Hand in italomäßigem Stil aufeinanderlegte und damit auf Gesichtshöhe herumfuchtelte. »Geschissen auf die Realität! Lass deiner Fantasie freien Lauf. Hier gibt es kein richtig oder falsch – und zu schämen brauchst du dich erst recht nicht. Erzähl mir einfach, was dir gefallen würde.«

      Er blickte zur verspiegelten Rückwand der Bar. Unzählige Whiskey-, Scotch- und andere hochprozentige Gesöffflaschen reihten sich auf einer dunkelbraunen Holzstellage nebeneinander auf, und sein blondes – naturblondes, bitte schön! – verzwickt dreinschauendes Abbild lugte dahinter hervor.

      Dieses Treffen war keine gute Idee gewesen. Er hätte sich sofort denken können, dass Steffi es auf irgendetwas abgesehen hatte.

      Nun stellte sich die Frage: Was war es?

      Ging es ihr darum, sich durch Einbildungen und Ideale anderer zu erbauen? Musste sie irgendwelchen angestauten Weiberfrust loswerden? Hatte sie ihre Tage? Oder war ihr schlicht und ergreifend langweilig?

      Oder wollte sie ihm gar ernsthaft ein Date verschaffen?!

      Eine Gänsehaut kroch gemächlich über seinen Rücken Richtung Nacken …

      Hoffentlich nicht.

      Tracey drehte sich zu ihr und nahm einen großen Schluck Bier, um Mut und Selbstsicherheit zu stärken sowie Bedenken abzumildern.

      »Ein zartes Sixpack wäre sicherlich nicht verkehrt.« Seine Erwiderung versuchte er so nüchtern wie möglich zu halten.

      Steffi erstrahlte. »Na endlich machen wir Fortschritte!« Zu seinem Leidwesen hielt ihre gute Laune nicht sonderlich lange an – ihrer sich kontinuierlich verhärtenden Augenpartie nach zu urteilen. »Und weiter? Komm schon, muss ich dir alles aus der Nase ziehen?«

      »Du bist lästig!«

      »Ganz genau.« Sie zeigte ihm ein breites Grinsen. »Deshalb sind wir so gute Kumpel!« Dies fröhlich von sich gegeben, verwandelte sie sich wieder in die ihn abfragende Oberlehrerin. »Zurück zum Thema! Schlank, durchtrainiert … und weiter?«

      Er blickte Richtung Single-Frauen, zu welchen sich die gut gelaunte präpotente Männerrunde gesellt hatte.

      »Willst du es wirklich wissen?«

      »Ja, jedes einzelne Detail deiner schweinischen Fantasien.«

      Was?!

      Sein Kopf schnallte zu Steffi. »Wer sagt, ich hätte schweinische Fantasien? Etwa dein Freund, die Lusche?«

      Mit ihrem nur allzu bekannten Allwissenheit widerspiegelnden Mienenspiel lehnte sie sich zurück. »Jeder hat schweinische Fantasien.«

      Dann wollte sie tatsächlich über seine intimsten Pornowunschvorstellungen Bescheid wissen?!

      Himmelherrgott!

      Wie passte dies mit einer Beziehung, einem Date oder einer zukünftigen Freundin seinerseits ins Gesamtbild? Derartige Informationen halfen Steffi weder dabei, eine Frau für ihn zu finden, noch half es ihm selbst dabei, über seine durchwegs negativen beziehungsmäßigen Erfahrungen hinwegzukommen. Ergo: Dieses behämmerte Gespräch war komplett für die Katz’!

      »Jeder hat schweinische Fantasien«, murmelte er und sammelte frische Willensstärke. »Mal ernsthaft: Weshalb willst du all das wissen? Damit wirst du mir kein Date vermitteln können. Und überhaupt: Habe ich dich jemals danach gefragt, was du dir in deinen Nächten ausmalst oder mit deinem Freund treibst?« Ehe sie etwas erwidern konnte, fuhr er zornig fort. »Nein. Das habe ich nie getan. Und weißt du weshalb? Weil solche intimen Details schlicht und ergreifend niemanden etwas angehen! Also bemühe dich besser um etwas Taktgefühl, halte den Rand und lies lieber noch ein paar deiner billigen Erotikromane …« Einen winzigen Augenblick hielt er inne, lediglich um im sarkastischen Tonfall den letzten Rundumschlag auszuteilen. »Aber sag ja nicht, es gäbe keine anständigen Lesepornos mehr … oder hast du etwa bereits alle durch?«

      Sein Vortrag verschaffte ihm die exklusive Ehre, mit Steffis relativ seltenen Pass-bloß-auf-Blick beschenkt zu werden.

      »Was denn«, keifte er zurück. »Stimmt doch! Wie viele Liebesschnulzen liest du in der Woche?«

      »Zehn.« In ihrer Stimme schwang eine gehörige Portion Stolz mit.

      Und er wusste allmählich nicht mehr, wohin er geraten war. Etwa in eine verfickte Daily Soap, oder was? Und überhaupt: Wie, zur Hölle, konnte man auf eine solche nichtssagende Leistung Stolz empfinden?

      »Zehn? … Woher nimmst du dir die Zeit für diesen Blödsinn?«

      Ihre Schminkobsession musste geringstenfalls eine Stunde täglich verschlingen – von Hausarbeit, Kochen und ihrem Dreißigstundenjob sprachen wir da noch gar nicht!

      »Das sind Kurzromane«, gab sie beleidigt-arrogant zurück. »Die haben durchschnittlich an die hundert Seiten.«

      Kurzromane …

      Tracey schüttelte sich.

      Diese abartigen Schundbücher in der Rubrik ›Liebesroman‹ diverser Onlineshops waren das Spiegelbild der gegenwärtigen Gesellschaft: einfältig, sexsüchtig, konsumorientiert, gefühllos, egoistisch, narzisstisch und last but not least: stilistisch zwar nahezu perfekt, dafür gänzlich kreativ-, charakter- und seelenlos.

      »Dann zieh dir zur Abwechslung einmal einen richtigen Roman rein. Möglicherweise hilft der dir, deine krankhafte Neugier zu bändigen.«

      Und womöglich würde sie sich dadurch weniger aufgeilen, stattdessen ein wenig ihren Horizont erweitern.

      »Hier geht es nicht um meine Lesegewohnheiten«, konterte sie. »Sondern um deine dir feuchte Nächte bescherende Traumfrau.«

      Und in exakt diese verfickte Richtung hatte sich diese Konversation niemals entwickeln sollen!

      »Ich will nicht weiter darüber sprechen. Wechseln wir das Thema.«

      »Nein, nein!« Zum zweiten Mal stemmte sie die Hände gegen die Hüften.

      Versuchte sie, durch diese nervtötende Geste ihre kleine Körpergröße von nicht einmal einem Meter fünfzig zu kompensieren?

      »Ich lass dich erst in Ruhe, wenn du mir alles gesagt hast … Oder –« Sie schielte durch den Raum. »Du eine dieser billigen Weiber da ums Eck aufreißt.«

      Tracey hätte sich beinahe an seinem grässlich bitteren Bier verschluckt. »Hey! Geht’s noch?!«

      Wo waren wir denn hier?! Im Kindergarten?!

      Sie schmunzelte. »Diese krankheitsverseuchten Tussen wirst du sicherlich nicht ansprechen, darum überwinde dich und erzähl mir ein wenig von deinen erotischen Gedanken.« Es trat eine kurzweilige Pause ein, in der sie sich stumm anstarrten und in Tracey ein sich rasend schnell anwachsender Drang entstand, aufzustehen und das Lokal zu verlassen. »Glaub mir, das kann sehr befreiend sein.«

      Weshalb wurde andauernd er vom Schicksal gequält?

      Weshalb?

      Anstatt aufzustehen, stützte er sich auf die Theke und vergrub das Gesicht in seinen Händen. »Du machst mich echt fertig.«

      Zum Glück folgten keine beleidigenden Widerworte ihrerseits.

      »Sei kein Mädchen.«

      Zu früh gefreut.

      Er atmete tief durch.

      Trotz seines Unmuts und seiner – zugegebenermaßen – infantil angemuteten Eigenschutzreaktion eben erhob sich eigenartigerweise ein winziges Körnchen Verlangen, seine Fantasien zu offenbaren.

      Weshalb?

      Er wusste es beim besten Willen nicht!

      Lag es womöglich daran, herauszufinden,