Klara Chilla

Schattensamt


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vor den Menschen hier hatte, würde er mich wahrscheinlich endgültig für eine Verrückte halten.

      Erfreut stand Fearghas auf. Offensichtlich hatte ich genau den richtigen Punkt getroffen.

      »Wenn du meinst«, sagte er und zog sein Shirt wieder über den Kopf. »Aber wenn es hier schon so voll ist, dann wird es an den anderen Stränden nicht viel besser sein.«

      »Egal, lass uns einfach gehen. Es muss ja kein Strand sein«, sagte ich und ergriff ihn an der Hand, um ihn mit mir zu ziehen. Die anderen Strandbesucher hatten mit ihren Spielereien und Planschereien aufgehört und beobachteten uns. Drei Männer kamen langsam auf uns zu. Nur das Mädchen mit der Kleinen drehte uns auf ihrem Strandlaken den Rücken zu und tat, als ginge sie das alles nichts an. Jetzt bekam ich richtig Angst. Was war hier los?

      Fearghas sah an mir vorbei und bemerkte jetzt auch, was sich abspielte.

      »Was soll das?«, fragte er und spannte sich an.

      »Das Mädchen mit der Kleinen, dort, sie hat mich gewarnt, wir sollten sofort verschwinden.«

      »Warum? Haben wir irgendein geheimes Treffen gestört?«

      »Bitte, Fearghas. Ich habe jetzt wirklich Angst. Das ist schon unheimlich, findest du nicht?«

       „Okay«, sagte er ruhig und nickte, »nimm dein Rad und fahr zurück.« Dabei drückte er mir mein Rad in die Hand und schob mich auf den Weg. »Fahr schon mal vor.«

      Mit klopfenden Herzen stieg ich in die Pedale und versuchte dabei nicht auf die näherkommenden Männer zu achten. Eigentlich wirkten sie wie ein paar Familienväter, die einen Ausflug an den Strand machten. Sie trugen kurze Badeshorts und lässige T-Shirts. Aber so still, wie sie sich näherten, so bedrohlich wirkten sie auf mich. Panik kroch in mir hoch, als ich merkte, dass Fearghas tatsächlich noch unsere Sachen zusammenpackte. Der hatte wirklich Nerven!

      »Fearghas!«, rief ich und kam mir angesichts seiner Ruhe irgendwie lächerlich vor.

      »Stad!«, rief plötzlich eine volle Stimme. Sie war nicht laut, hatte aber genügend Kraft, um scheinbar jeden am Strand zu erreichen. Ein Mann stand unvermittelt zwischen den Felsen, den ich vorher überhaupt nicht bemerkt hatte. Im Gegensatz zu den anderen trug er eine dunkle Hose und ein helles Hemd, als käme er direkt von einem Geschäftstermin. Seine dunklen Haare hatte er zu einem Zopf im Nacken zusammengebunden, was ihn aalglatt wirken ließ. Doch sein Ruf sorgte unmittelbar dafür, dass die Männer stockten und sich verteilten, als ob sie uns vergessen hatten. Plötzlich drang Lachen von einem Felsen herab, an dessen Fuß der mysteriöse Mann stand, und ein Paar mit drei Kindern tauchte dort oben auf.

       »Oh, da haben wir uns völlig vertan«, sagte der Mann lachend und winkte uns. »Wie kommen wir denn da runter?«

      Fearghas warf mir einen kurzen Blick zu. Einerseits waren sie wahrscheinlich unsere Rettung, andererseits brachten wir sie womöglich in Gefahr, wenn wir sie zu uns herunter holten. Auch wenn ich mir nicht sicher war, worin die Gefahr genau bestand.

      »Bleiben Sie einfach dort. Ich komme Sie holen«, rief Fearghas und deutete mir endlich loszufahren.

      Ich warf keinen Blick mehr zurück, sondern trat wie eine Wahnsinnige in die Pedale. Fearghas folgte mir diesmal, und wir radelten so schnell den schmalen Weg zurück, wie ich es schaffte. Er blieb immer dicht hinter mir, überholte mich erst kurz vor dem Tor, blieb schlitternd davor stehen und riss es auf, damit ich hindurchfahren konnte.

      »Sie scheinen uns nicht zu folgen«, rief er, als ich an ihm vorbei fuhr.

      »Ich möchte es nicht austesten.«

      »Fahr an der Straße links, Klara. Wir werden uns eine Weile im Souvenir-Laden verstecken.«

      »Wo?«

      Doch er gab mir keine Antwort. Es war auch nicht nötig, denn der kleine Laden tauchte direkt nach der ersten Kurve auf der linken Seite auf. Er wäre im Auto sicher leicht zu übersehen gewesen. Ein Fenster war überladen mit dem üblichen Krempel, den es in jedem Souvenirladen zu geben schien. Ich stieg vom Rad und lehnte es an die Hauswand, doch Fearghas schüttelte den Kopf:

      »Nimm es mit hinein, Klara.«

      »Oh? Das wird dem Besitzer nicht gefallen.«

      »Und dir könnte es nicht gefallen, wenn wir diesen merkwürdigen Leuten zeigen, wo genau wir uns versteckt halten, oder?«

      Das war ein Punkt. Fearghas nahm mein Rad, öffnete die Tür, deren Glocke laut bimmelte, und schob es hinein. »Kathy, wir müssen hier gerade mit unseren Rädern rein«, rief er in den Laden.

      Als ich mich hineinschob und das Rad abnahm, eilte mir eine kleine Frau mit schlohweißen Kringellöckchen auf dem Kopf entgegen.

      »Fearghas?«

      »Ja, Kathy. Bitte hilf Klara, ihr Rad zu verstecken.«

      Die alte Dame musterte mich schnell, dann lächelte sie und zeigte in eine Ecke des engen Ladens. »Hier entlang, Mädchen.«

      Ich schob das Rad so vorsichtig wie möglich hinter ihr her, bis wir an eine Tür gelangten und sie diese öffnete. »Hier rein. Das ist der Lagerraum.«

      Kaum hatte ich mein Rad dort irgendwie verstaut, kam Fearghas mit seinem Rad dazu. Den Raum als Lagerraum zu bezeichnen war gewiss eine Übertreibung. Ich stand bereits so eng wie möglich an dem Regal in meinem Rücken und wagte kaum zu atmen, damit er auch noch hineinpasste.

      »Wenn jemand nach uns fragt, hast du uns nicht gesehen, Kathy«, sagte Fearghas.

      »Aber sicher, Junge. Und jetzt zieh den Bauch ein«, kam die Antwort, Fearghas drängte sich an mich heran und die Tür wurde zugedrückt.

      Dunkelheit!

      Mein Herz klopfte vor Aufregung, und mein Kopf konnte nicht nachvollziehen, was hier gerade geschehen war. War es übertrieben, sich vor ein paar Badegästen in einer Abstellkammer – Verzeihung – Lagerraum zu verstecken? Immerhin hatten wir nicht den geringsten Hinweis darauf, dass sie uns tatsächlich verfolgten. Aber die ganze Situation hatte in mir eine Panik ausgelöst, und auch Fearghas schien das bemerkt zu haben. Oder warum sonst war er so schnell mit mir davon geradelt? Jetzt stand er so dicht vor mir, dass ich seinen Oberkörper spürte, was mich nun doch von meiner Angst ablenkte. Wäre es nicht dunkel gewesen, hätte ich die Augen geschlossen und ganz tief seinen Duft nach ..., ja nach was eigentlich? - eingeatmet. Unauffällig schnupperte ich und versuchte zu ergründen, wonach er tatsächlich roch. Nein, er duftete! Das war kein Parfüm oder ein Duschgel oder so etwas. Fearghas roch wie eine frische Brise, die über das Loch strich, fand ich. Und ich schwor mir, niemals jemanden davon etwas zu sagen, und zwar noch nicht einmal meiner besten Freundin. Jeder, sie eingeschlossen, würde mich für bekloppt halten. Die Türglocke ging und ich zuckte zusammen. Dabei stieß ich leicht gegen eins der Räder. Ein leises Klappern ertönte, und ich erschrak völlig.

      »Psst. Wir sind hier sicher«, flüsterte Fearghas, legte seinen Arm um mich und zog mich noch dichter an sich heran. Tatsächlich hatte diese schlichte Geste etwas Beruhigendes, auch wenn mein Herz jetzt klopfte, weil er so nah war. Nur mühsam widerstand ich dem Impuls, meinen Kopf an seine Brust zu legen. Das wäre mir jetzt doch zu kitschig vorgekommen. Aber in diesem einen Augenblick fühlte ich mich, als könnte uns nichts auf der Welt etwas anhaben.

      Die Türglocke ging erneut. Ich sah zu ihm auf, auch wenn ich nicht das Geringste sehen konnte, und spürte seinen Atem so dicht, dass er warm über meine Wangen strich. Er musste sein Gesicht mir zugewandt haben. Alles in mir drängte zu ihm, ich hob mein Gesicht noch mehr, stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihm noch näher zu kommen, als ich ihn auch bereits unmittelbar vor mir spürte.

      »Ich nutze so eine Situation nicht aus«, flüsterte er sanft und öffnete die Tür in seinem Rücken, um hinauszugehen.

      Ich stand da, froh um die frische Luft, die meine heißen Wangen kühlte. Hatte ich mich gerade zum Affen gemacht? Oder wollte er wirklich die beengende Situation in einer Kammer nicht ausnutzen? Oh man, Klara, eine Abstellkammer? Darin waren schon Promis in die Schlagzeilen geraten.

      Als