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Aphrodite
Pierre Louys
Inhaltsverzeichnis
Chrysis
Am Strande Alexandriens.
Demetrios
Die Vorbeigehende.
Der Spiegel, der Kamm und das Halsband.
Die Jungfrauen
Chrysis’ Haare
Die Gärten der Göttin.
Melitta.
Bedenken.
Mondschein.
Die Einladung.
Die Rose der Chrysis.
Das Märchen von der verzauberten Leier.
Die Ankunft.
Das Mahl.
Rhacotis.
Baccanal bei Bacchis.
Die Gekreuzigte.
Begeisterung.
Demetrios’ Traum.
Die Menge.
Die Antwort.
Der Garten des Hermanubis.
Die Purpurmauern.
Die letzte Nacht.
Der Staub kehrt zur Erde zurück.
Chrysis unsterblich.
Barmherzigkeit.
Pietät.
Aphrodite
Selbst die Ruinen der Griechenwelt
lehren uns, wie in unserer modernen
Welt das Leben uns erträglich gemacht
werden könnte.
Richard Wagner.
Der gelehrte Prodicos von Kéos, welcher um das Ende des V. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung blühte, ist der Autor der berühmten Lehrfabel »Herkules auf dem Scheidewege zwischen der Tugend und der Wollust«, welche der heilige Basilius den christlichen Betrachtungen empfahl. Wir wissen, daß Herkules die Tugend wählte, was ihm gestattete, eine gewisse Anzahl großer Verbrechen gegen die Hirschkühe, die Amazonen, die goldenen Äpfel und die Riesen zu begehen.
Hätte Prodicos sich damit begnügt, dann hätte er wohl nur eine Fabel von einem ziemlich leichten Symbolismus geschrieben; allein er war ein gutmüthiger Philosoph und seine Sammlung von Erzählungen »Die Horen«, in drei Abschnitte eingetheilt, stellte die moralischen Wahrheiten unter den verschiedenen Formen dar, welche sie je nach den drei Lebensaltern annehmen. Den kleinen Kindern stellte er die sittenstrenge Wahl des Herkules als Beispiel hin; den jungen Leuten erzählte er die wollüstige Wahl des Paris; den reifen Männern sagte er – wie ich mir vorstellen kann – ungefähr Folgendes:
– Als Ulysses eines Tages am Fuße des delphischen Gebirges jagte, traf er auf seinem Wege zwei Jungfrauen, die sich an der Hand hielten. Die Eine hatte Veilchenhaare, durchsichtige Augen und Lippen von einem ernsten Ausdruck; sie sagte ihm: »Ich bin Arètê«. Die Andere hatte schwache Augenlider, schmale Hände und zarte Brüstchen. Sie sagte: »Ich bin Triphê«. Und Beide fügten hinzu: »Wähle zwischen uns«. Doch der schlaue Ulysses antwortete klug und weise: »Wie könnte ich wählen? Ihr seid unzertrennlich. Die Augen, welche die Eine ohne die Andere von Euch gesehen, haben nur einen hohlen Schatten gesehen. Gleichwie die wahre Tugend sich der ewigen Freuden nicht beraubt, welche die Wollust ihr bietet, würde auch die Weichlichkeit ohne eine gewisse Seelengröße wenig taugen. Ich werde Euch beiden folgen. Zeiget mir den Weg«. Kaum hatte er geendet, als die beiden Erscheinungen ineinanderflossen. Ulysses erkannte, daß