Pierre Louys

Aphrodite


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      Die Sklavin trat ein und blieb bei der Thür stehen, ohne sie ganz zu schließen.

      – Djala, wer ist gestern gekommen?

      – Weißt Du es denn nicht?

      – Nein, ich habe ihn nicht angeschaut. War er schön? Ich glaube, ich habe die ganze Zeit geschlafen; ich war so müde. Ich erinnere mich an gar nichts mehr. Um wie viel Uhr ist er weggegangen? Früh am Morgen?

      – Bei Sonnenaufgang, er hat gesagt…

      – Was hat er zurückgelassen? Ist es viel? Nein, sage es mir nicht. Es ist mir gleichgültig. Was hat er gesagt? Und seitdem er fort, ist Niemand gekommen? Wird er wiederkehren? Gib mir meine Armspangen!

      Die Sklavin brachte ein Kästchen, aber Chrysis warf keinen Blick darauf. Die Arme so hoch als nur möglich emporhebend sagte sie:

      – Ach Djala! Ach, Djala! … Ich verlange nach außerordentlichen Abenteuern.

      – Alles ist außerordentlich oder Nichts, sagte Djala. Die Tage gleichen einander.

      – Ach nein. Früher war es nicht so. In allen Ländern der Welt sind die Götter zur Erde herabgestiegen und haben sterbliche Weiber geliebt. Ach, auf welchen Betten muß man sie erwarten, in welchen Wäldern muß man sie suchen. Jene, die etwas mehr als Männer sind? Welche Gebete muß man hersagen, damit sie nahen, Diejenigen, die mich etwas lehren oder Alles vergessen lassen würden? Und wenn die Götter nicht mehr herniedersteigen wollen, wenn sie todt oder zu alt sind, Djala, werde ich auch sterben, ohne einen Mann gesehen zu haben, der tragische Erlebnisse in mein Dasein bringen würde?

      Sie drehte sich um und legte sich auf den Rücken, wobei sie verzweifelt die Hände rang.

      – Wenn Jemand mich anbetete, würde es mir eine so große Freude machen, ihn leiden zu lassen, bis er stürbe. Diejenigen, welche zu mir kommen, sind es nicht werth beweint zu werden. Und dann ist es ja auch meine Schuld: ich selbst rufe sie, wie könnten sie mich lieben?

      – Welches Armband legst Du heute an?

      – Alle. Aber laß mich. Ich brauche Niemanden. Bleibe auf der Schwelle des Hauses, und wenn Jemand kommt, sage ihm, ich sei mit meinem Geliebten, einem schwarzen Sklaven, den ich bezahle … Geh!

      – Willst Du nicht ausgehen?

      – Doch. Ich werde allein ausgehen. Ich werde mich allein ankleiden. Ich werde nicht nach Hause kommen. Geh! geh!

      Sie ließ ein Bein auf den Teppich gleiten und streckte sich, bis sie aufgerichtet war. Djala war leise hinausgegangen.

      Sie ging sehr langsam durch das Zimmer, die Hände auf dem Nacken gefaltet, ganz von der Wollust durchdrungen ihre nackten Füße auf die kalten Steinplatten zu setzen, wo der Schweiß erstarrte. Dann stieg sie in ihr Bad.

      Für sie war es ein Genuß, ihren Körper durch das Wasser hindurch zu betrachten. Wie eine große Muschelschale, die offen auf einem Felsen klebt, kam sie sich vor. Ihre Haut wurde glatt und vollkommen; die Linien ihrer Beine dehnten sich in einem blauen Lichte aus; ihre ganze Gestalt war biegsamer; sie erkannte ihre Hände nicht wieder. Die Leichtigkeit ihres Körpers war so groß, daß sie sich auf zwei Fingern in die Höhe heben konnte. So hielt sie sich eine Weile auf dem Wasser, um dann leicht auf den Marmor zurückzufallen, wobei das Wasser ihr Kinn berührte. Mit dem neckischen Kitzel eines Kusses drang das Wasser in ihre Ohren.

      Zur Badezeit begann bei Chrysis die Selbstanbetung. Alle Theile ihres Körpers wurden, einer nach dem anderen, der Gegenstand einer zarten Bewunderung oder einer Liebkosung. Mit ihren Haaren und ihren Brüsten gab sie sich tausend reizenden Spielen hin. Manchmal gewährte sie sogar ihren beständigen Begierden eine wirksamere Dienstfertigkeit und keine Ruhestätte schien ihr für die berechnete Langsamkeit dieser delicaten Befriedigung besser geeignet.

      Der Tag neigte sich zu Ende; Chrysis richtete sich in ihrem Becken empor, stieg aus dem Wasser und schritt der Thüre zu. Die Spuren ihrer Schritte glänzten auf den Fliesen. Schwankend, gleichsam erschöpft, öffnete sie die Thür, und blieb da stehen, den Arm nach der Klinke ausgestreckt; dann, als Djala sie gesehen, trat sie bis zu ihrem Bette zurück und sagte zu ihrer Sklavin:

      – Trockne mich ab!

      Die Malabareserin nahm einen großen Schwamm zur Hand und führte ihn durch Chrysis feines Goldhaar, das ganz vom Wasser getränkt war, welches nach hinten abtropfte. Sie trocknete die Haare, streute sie auseinander, bewegte sie langsam und weich; dann tauchte sie den Schwamm in einen Oelkrug, bestrich damit ihre Herrin bis zum Halse und rieb sie endlich mit einem groben Stoffe, der ihre geschmeidige Haut röthete.

      Chrysis versenkte sich fröstelnd in die Kühle eines Marmorsitzes und murmelte:

      – Kämme mich.

      Im horizontal einfallenden Abendlichte glänzte das noch feuchte und schwere Haar wie ein von der Sonne beleuchteter Regenguß. Die Sklavin ergriff es mit vollen Händen und rang es aus. Sie drehte es um sich selbst, als sei es eine dicke Metallschlange, die von Goldnadeln wie von Pfeilen durchstochen war. Dann wand sie grüne Bändchen dreimal gekreuzt um das Haar, um dessen Glanz durch die Seide noch zu erhöhen. Chrysis hielt einen blanken Metallspiegel in einiger Entfernung vor sich hin. Zerstreut betrachtete sie die dunkeln Hände der Sklavin, wie sie sich in der Ueppigkeit der Haare bewegten, hie und da die Büsche abrundend, die ungeberdigen Locken verbergend, das Haar in Formen modellierend, wie man eine Thonmasse bearbeitet. Als Alles vollendet war, kniete Djala vor ihrer Herrin hin und rasierte ihren schwellenden Schamberg glatt, damit das Mädchen in den Augen ihrer Geliebten die volle Reinheit und Glätte einer Statue habe.

      Chrysis wurde ernster und sagte mit leiser Stimme:

      – Schminke mich.

      Eine kleine Büchse aus rosarothem Holze, welche von der Insel Discorides kam, enthielt Schminken in allen Farben. Mit einem Pinsel aus Kameelhaar nahm die Sklavin ein wenig von einer schwarzen Masse und bestrich damit die schönen, lang gebogenen Augenwimpern, um die blaue Farbe der Augen hervorzuheben. Durch zwei feste Striche bekamen diese Augen eine längere und weichere Gestalt; ein bläuliches Pulver verdunkelte die Augenlider; zwei zinoberrothe Flecken verschärften die Winkel, wo sich die Thränen zuerst zeigen. Um die Schminke festzuhalten, mußten Gesicht und Brust mit einer frischen Wachssalbe bestrichen werden; mit dem weichen Flaum einer Feder, welchen sie in Bleiweiß tauchte, malte Djala weiße Striche die Arme entlang und auf dem Halse; mit einem in Carmin getauchten Pinsel wurden der Mund und die Spitzen der Brüste roth gefärbt; ihre Finger, welche auf den Wangen eine leichte Wolke rothen Pulvers verbreitet hatten, markierten auf den Seiten die drei tiefen Falten der Taille und am Hintertheile zwei bewegliche Grübchen; endlich färbte sie mit einem geschminktem Lederballen die Ellbogen und die zehn Fingernägel. Die Toilette war beendet.

      Dann lächelte Chrysis und sagte zur Indierin:

      – Singe mir etwas.

      Zurückgebeugt saß sie in ihrem Marmorsessel. Ihre Nadeln standen wie Goldstrahlen hinter ihrem Kopfe. Ihre Hände waren an die Brust gedrückt und breiteten zwischen den Schultern das rothe Halsband ihrer bemalten Nägel aus; ihre weißen Füße standen eng nebeneinander auf der Steinplatte.

      Djala, die an der Wand zusammengekauert saß, erinnerte sich an die Liebesgesänge Indiens:

      – Chrysis …

      Sie sang mit eintöniger Stimme.

      – Chrysis, Deine Haare sind wie ein Bienenschwarm, der an einem Baume hängt. Der Südwind durchdringt sie mit dem Thau der Liebeskämpfe und mit dem feuchten Wohlgeruch der Nachtblumen.

      Das Mädchen antwortete mit noch milderer und langsamerer Stimme:

      – Meine Haare sind wie ein unendlicher Fluß in der Ebene, wo die flammende Abendsonne dahinfließt.

      Sie sangen abwechselnd, die Eine nach der Andern.

      *

      – Deine Augen sind wie die blauen Wasserlilien ohne Stengel, unbeweglich auf den Teichen.

      – Meine Augen sind im Schatten meiner Augenwimpern,