Pierre Louys

Aphrodite


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Tritonen bejubelt.«

      — — — — —

      Er hatte sie eben in dieser Weise angebetet, als er auf den Strand kam, zur Stunde wo sich die Menge verlief, und er hörte den schluchzenden Gesang der Flötenspielerinen. Aber an diesem Abende hatte er die Hetären des Tempels zurückgewiesen; ein umschlungenes Paar, das er flüchtig zwischen den Zweigen gesehen, hatte ihn mit Ekel erfüllt und in der Seele empört.

      Nach und nach bemächtigte sich seiner der milde Einfluß der Nacht. Er drehte sein Gesicht dem Winde zu, welcher über das Meer herüber wehte und den Duft der Rosen von Amathont nach Aegypten zu bringen schien.

      Schöne weibliche Formen erstanden in seinem Geiste. Man hatte bei ihm für den Garten der Göttin eine Gruppe der drei umschlungenen Charitinen bestellt; aber es widerstrebte seiner Jugend, althergebrachte Formen zu copieren und er träumte davon die drei anmuthigen Bewegungen des Weibes auf einem und demselben Marmorblock zu vereinen: zwei der Charitinen wären bekleidet, die eine einen Fächer haltend und die Augenlider im Hauche der bewegten Federn halb schließend; die andere im faltigen Rocke tanzend. Die dritte würde nackt hinter ihren Schwestern stehen, und mit emporgehobenen Armen die Fülle ihrer Haare zu einem Knoten winden.

      Seine Gedanken gingen noch manchen anderen Entwürfen nach; so wollte er auf die Felsen des Leuchtthurms eine Andromeda aus schwarzem Marmor vor dem wogenden Ungeheuer des Meeres festbinden, die Agora das Brouchion zwischen den vier Rossen der aufgehenden Sonne, wie zwischen zornigen Pegasen einschließen; und welcher Rausch frohlockte nicht in ihm, wenn er an einen, bei dem Herannahen der Titanen von Furcht ergriffenen Zagreus dachte! Ha! wie war er von all’ dieser Schönheit neu ergriffen! wie er sich der Liebe entriß! wie er »von dem Fleische die höchste Idee der Göttin trennte!« wie er sich endlich frei fühlte!

      Doch er wandte den Kopf dem Ufer zu, und in der Ferne sah er den gelben Schleier einer dahin schreitenden Frau schimmern.

      IV.

      Die Vorbeigehende.

      Sie kam langsam, den Kopf etwas nach der Schulter geneigt, auf dem öden Strande daher, welchen das Mondlicht erhellte. Ein kleiner, beweglicher Schatten zitterte vor ihren Schritten dahin.

      Demetrios sah sie näher kommen.

      Diagonale Falten durchfurchten den kleinen Theil ihres Körpers, den man durch den leichten Stoff hindurch sah; einer ihrer Ellenbogen trat unter der fest anliegenden Tunika hervor; der andere Arm, den sie nackt gelassen hatte, hob die lange Schleppe in die Höhe, damit sie nicht den Staub fege.

      Er erkannte an ihrem Schmucke, daß sie eine Hetäre sei; um einen Gruß von ihr zu vermeiden, ging er schnell über die Straße.

      Er wollte sie nicht anschauen. Absichtlich beschäftigte er seine Gedanken mit dem großen Entwurfe des Zagreus. Und dennoch wandten sich seine Augen nach der Vorbeigehenden.

      Da sah er, daß sie nicht stehen blieb, daß sie sich nicht um ihn bekümmerte, daß sie sich nicht einmal den Anschein gab das Meer zu betrachten, noch ihren Schleier nach vorn aufzuheben, noch in ihre Gedanken versunken zu sein; sondern, daß sie ganz einfach allein spazieren ging, hier nichts Anderes suchend als die Kühle des Windes, die Einsamkeit, die Stille.

      Ohne sich zu rühren ließ Demetrios sie nicht aus den Augen und versenkte sich in ein sonderbares Verwundern.

      Sie schritt immer weiter wie ein ferner gelber Schatten, nachlässig und von dem kleinen schwarzen Schatten, der vor ihr her ging, gleichsam geführt.

      Er hörte bei jedem Schritte das leise Knirschen ihrer Schuhe im Staube des Weges.

      Sie ging bis zur Insel des Leuchtturmes und stieg die Felsen hinan.

      Plötzlich, als hätte er seit langer Zeit die Unbekannte geliebt, lief Demetrios ihren Spuren nach, dann hielt er inne, ging wieder zurück, zitterte, erzürnte sich, versuchte den Strand zu verlassen; aber er hatte stets seinen Willen nur seinem eigenen Vergnügen dienstbar gemacht, und wenn es sich darum handelte ihn zum Heile seines Charakters und zur Ordnung seines Lebens in Thätigkeit zu setzen, fühlte er sich von Unvermögen ergriffen und an die Stelle genagelt, wo die Last seiner Füße ruhte.

      Da er nicht mehr aufhören konnte an diese Frau zu denken, suchte er sich selbst wegen des Gedankens, welcher seinen Geist so sehr im Banne hielt, zu entschuldigen. Er glaubte den Reiz ihrer Erscheinung durch ein rein ästhetisches Gefühl zu erklären und dachte, daß sie das geträumte Modell für die Charitin mit dem Fächer wäre, welche er den nächsten Tag entwerfen wollte.

      Dann geriethen plötzlich alle seine Gedanken in Unordnung und eine Menge von ängstigenden Fragen strömte wegen dieses gelb gekleideten Weibes in seinem Geiste zusammen.

      Was machte sie zu dieser nächtlichen Stunde auf der Insel? Warum, um wessen Willen ging sie so spät aus? Warum hatte sie ihn nicht angeredet? Sie hatte ihn gesehen, sicher hatte sie ihn, während er über den Weg schritt, gesehen. Warum hatte sie ihren Gang fortgesetzt, ohne ein Wort der Begrüßung an ihn zu richten? Es ging das Gerücht, daß manche Weiber die kühlen Stunden vor Tagesanbruch wählten, um im Meere zu baden. Aber man badete nicht bei dem Leuchtthurme. Dort war das Meer zu tief. Uebrigens war es unwahrscheinlich, daß ein Weib sich so mit Schmuck bedeckt hätte um zum Bade zu gehen? … Was war es dann, was sie so weit von Rhacotis anzog? Vielleicht ein Stelldichein? Irgend ein junger Lebemann, der die Abwechselung liebte, und der für einen Augenblick die großen, von den Wogen geglätteten Felsen zum Lager wählte.

      Demetrios wollte sich darüber Gewißheit verschaffen. Doch schon kam das junge Weib zurück, mit demselben ruhigen, weichen Schritte, von der milden Klarheit des Mondes voll beleuchtet, mit dem Ende ihres Fächers den Staub der Brüstung fegend.

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