Pierre Louys

Aphrodite


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welche das Blut einer Hirschkuh gefallen ist.

      – Meine Lippen sind die Ränder einer brennenden Wunde.

      *

      – Deine Zunge ist der blutige Dolch, der deinen Mund gespaltet hat.

      – Meine Zunge ist mit Edelsteinen besetzt. Vom Widerscheine meiner Lippen ist sie roth.

      *

      – Deine Arme sind gerundet wie zwei Elfenbeinzähne und deine Achselhöhlen wie zwei Mündchen.

      – Meine Arme sind langgestreckt, wie zwei Lilienstengel, woran meine Finger schimmern, gleich fünf Blumenblättern.

      *

      – Deine Schenkel sind die Rüssel zweier weißen Elephanten und sie tragen Füße gleich zwei rothen Blumen.

      – Meine Füße sind zwei Seerosenblätter auf dem Wasser, meine Schenkel sind zwei geschwellte Seerosenknospen.

      *

      – Deine Brüste sind zwei silberne Schilder, deren Spitzen in Blut getaucht wurden.

      – Meine Brüste sind der Mond und der Widerschein des Mondes im Wasser.

      *

      – Dein Nabel ist ein tiefer Brunnen in einer Wüste voll rosigen Sandes, und dein Unterleib ein junges Zicklein im Schoße der Mutter.

      – Mein Nabel ist eine runde Perle auf einer umgestürzten Schale und mein Schoß ist die helle Sichel Phöbes, die durch den Wald schimmert.

      *

      Es entstand eine Stille. – Die Sklavin hob die Hände empor und verbeugte sich.

      Die Hetäre fuhr fort:

      »SIE ist wie eine Purpurblume, voll Honig und Wohlgerüche.

      »Sie ist wie die Hydra des Meeres, lebendig und weich, offen des Nachts.

      »Sie ist die feuchte Grotte, die stets warme Lagerstätte, das Obdach, wo der Mann ausruht auf seinem Gang zum Tode.«

      Die niedergebeugte Sklavin murmelte ganz leise:

      »Sie ist furchtbar. Es ist das Gesicht der Medusa.«

      — — — — —

      Chrysis setzte ihren Fuß auf den Nacken der Sklavin und sagte zitternd:

      »Djala…«

      — — — — —

      Nach und nach war die Nacht herangebrochen; aber der Mond war so hell, daß sich das Gemach mit blauem Lichte füllte.

      Chrysis saß nackt da und betrachtete ihren Leib, wo die Lichtreflexe unbeweglich standen und die Schatten tiefschwarz herabfielen.

      Plötzlich stand sie auf:

      »Djala, an was denken wir? Es ist Nacht und ich bin noch nicht ausgegangen. Ich werde auf dem Heptastadion Auf dem sieben Stadien langen Kai. nur noch schlafende Matrosen finden. Sage mir, Djala, bin ich schön?

      »Sage mir Djala, bin ich diese Nacht schöner als je? Ich bin die schönste aller Frauen Alexandriens, Du weißt es? Nicht wahr, er wird mir folgen wie ein Hund, derjenige, der jetzt vor dem schiefen Blick meiner Augen vorbei gehen wird? Nicht wahr, ich werde aus ihm machen können, was mir gefällt, einen Sklaven, wenn dies meine Laune ist? und ich kann von dem ersten Besten den ergebensten Gehorsam erwarten? Kleide mich an, Djala.«

      Um ihre Arme wanden sich zwei Silberschlangen. An ihre Füße wurden Sandalen geheftet, welche um ihre braunen Beine mit gekreuzten Lederriemen gebunden waren. Sie schnallte um ihren Bauch einen Jungferngürtel, welcher von der Höhe der Hüfte, der hohlen Linie der Leisten entlang, herunterfiel; in ihre Ohren heftete sie runde Reife, an ihre Finger steckte sie Ringe und Siegel; um ihren Hals legte sie drei Halsketten von goldenen Phallos Männliches Zeugungsglied, welche in Paphos durch Hierodulen ziselirt worden waren.

      Sie betrachtete sich einige Zeit, wie sie so nackt da stand, inmitten ihres Schmuckes; dann zog sie aus einem Koffer – wo es zusammengefaltet lag – ein großes Stück durchsichtiger gelber Leinwand, sie drehte es herum und wickelte sich hinein, daß es bis zum Boden reichte. Diagonale Falten durchfurchten den kleinen Theil ihres Körpers, den man durch das leichte Gewebe hindurch sah; einer ihrer Ellenbogen trat unter der eng anhaftenden Tunika hervor, und der andere Arm, den sie nackt gelassen hatte, hielt die lange Schleppe in die Höhe, damit sie nicht im Staub geschleift werde.

      Sie nahm ihren Federfächer zur Hand und trat nachläßig hinaus.

      Auf der Thürschwelle stehend, die Hand an die weiße Wand gelehnt, sah Djala allein der sich entfernenden Hetäre nach.

      Langsam schritt diese vorwärts, den Häusern entlang, in der öden Straße, die das Mondlicht beleuchtete. Ein kleiner, beweglicher Schatten zitterte hinter ihren Schritten.

      — — — — —

      II.

      Am Strande Alexandriens.

      Am Strande Alexandriens stand ein Mädchen und sang. Neben ihr saßen zwei Flötenspielerinen auf der weißen Brüstung.

      I.

      Die Satyren haben in den Wäldern

       Die leichte Spur der Orcaden verfolgt.

       Sie haben den Bergnymphen nachgejagt

       Ihre dunkeln Augen erschreckt,

       Ihre lang flatternden Haare ergriffen,

       Ihre Jungfrauenbrüste im Laufe gefaßt,

       Ihre warmen Körper zurückgelehnt,

       Auf den feuchten Rasen hingestreckt,

       Und die schönen Körper, die schönen halbgöttlichen Körper

       Streckten und reckten sich im Schmerze.

       Eure Lippen, ihr Frauen, preisen Eros

       In leidvoll süßem Verlangen.

      *

      Die Flötenspielerinen wiederholten:

      »Eros!«

      – Eros!« und ihre Klagen schluchzten im doppelten Schilfrohr.

      II.

      Kybele hat durch die Ebene

       Attys, schön wie Apoll verfolgt.

       Eros hatte sie in’s Herz getroffen, und für ihn,

       O weh! aber nicht für sie.

       Um geliebt zu werden, grausamer Gott, böser Eros,

       Ist nur der Haß, was Du anräthst…

       Durch die Wiesen und die weiten, fernen Felder

       Hat Kybele dem Attys nachgejagt,

       Und weil sie den liebte, der sie verschmäht’,

       Hat sie in seine Adern den mächt’gen Hauch,

       Den kalten, den Hauch des Todes geblasen.

       Oh schmerzhaft-süßes Verlangen!

      *

      »Eros!

      – Eros!«

      Den Flöten entstiegen schrille Töne.

      III. Der Satyr hat bis zum Flusse

       Syrinx, die Tochter der Quelle verfolgt.

       Der bleiche Eros, der den Geschmack der Thränen liebt,

       Küßt sie im Fluge, Wange gegen Wange:

       Und der flücht’ge Schatten der ertrunkenen Jungfrau

       Hat erbebt, wie ein Schilf auf dem Wasser;

       Doch Eros besitzt die Welt und die Götter,

       Er besitzt sogar den Tod;

       Auf dem Wassergrabe pflückt er für uns